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Antrag 07 – Verbandsmusterfeststellungsklagegesetz

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 26. November 2020

Antrag einstimmig angenommen

Antragserledigung im BAK-Vorstand

Die 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer fordert die österreichische Bundesregierung auf, dem Nationalrat so rasch wie möglich ein Verbandsmusterfeststellungsklagegesetz zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen.

Die herkömmlichen Möglichkeiten des österreichischen Zivilprozessrechts reichen zur Bewältigung von Massenverfahren nicht aus. Ein Verbandsmusterfeststellungsklagegesetz sollte sich daher an den folgenden Erkenntnissen und Richtlinien orientieren:

Verbandsklagen nach KSchG und UWG (2) sind ein Mittel der präventiven Marktkontrolle, dienen aber nicht der Durchsetzung individueller Ansprüche.

Verbandsmusterklagen, bei denen nach Abtretung eines Anspruchs an Verbände wie den VKI oder die BAK ein erleichterter Zugang zum OGH besteht (3),  leisten iS einer strategic litigation einen wichtigen Beitrag zur Rechtsentwicklung und Rechtssicherheit, sind aber für Massenschäden nicht geeignet: Urteilen kommt selbst bei identer Sach- und Rechtslage keine Bindungswirkung für andere Fälle zu. Die ökonomisch sinnvolle Lösung, Sach- oder Rechtsfragen musterhaft in einem Testprozess klären zu lassen, hängt vielmehr von der Kooperationsbereitschaft des Prozessgegners ab. Gibt er keinen Verjährungsverzicht ab, können nicht eingeklagte Ansprüche zwischenzeitig verjähren. In den Jahren seit 2000 (mit Beginn des Führens von Sammelklagen nach österreichischem Recht) gab es keinen Massenschaden, bei dem der/die Beklagte sich auf einen entsprechenden Verjährungs-verzicht eingelassen hätte.

Die als Behelfslösung vom VKI zusammen mit Rechtsanwalt Dr. Alexander Klauser und dem deutschen Prozessfinanzierer FORIS AG entwickelte „Sammelklage österreichischer Prägung“ basiert darauf, dass sich ein Verband oder eine natürliche Person die Ansprüche der Geschädigten zum Inkasso abtreten lässt und sie dann gebündelt in einer Klage geltend macht. Einwendungen der/des Beklagten gegen die „Zulässigkeit“ der Sammelklage – zur Verzögerung des Verfahrens über die Verjährungsfrist (Schadenersatz: 3 Jahre) für nicht geklagte Ansprüche hinaus -, führen in der Praxis allerdings zu zeit- und kostenaufwändigen Zwischenstreitigkeiten. Bei hohen Streitwerten kann ein Ausjudizieren durch die Instanzen zu einer für die verlierende Partei
potenziell existenzbedrohenden Kostenexplosion führen.

Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten scheidet die Sammelklage von vornherein aus, weil durch die Zession sowohl an einen Verband (4) , als auch an eine natürliche Person (5) der Verbrauchergerichtsstand verloren geht. Aktuell zeigt sich dies gerade im Zusammenhang mit dem Abgas- bzw. Dieselskandal
https://de.wikipedia.org/wiki/Abgasskandal. Eine Sammelklage etwa gegen VW ist mit der „Sammelklage österreichischer Prägung“ in Österreich (!) schlicht nicht möglich. Bei diesem Abgasskandal, von dem mittlerweile nicht nur VW betroffen ist, geht es nicht nur um die Wertminderung durch absichtliche Manipulationen bei den Verbrauchs- und Schadstoffwerten, sondern auch um die dadurch verursachten Verstöße gegen den Gesundheits- und Klimaschutz.

Konsequenz ist, dass Kläger*innen vermehrt ins Ausland ausweichen (6) . Umgekehrt führt das Fehlen geeigneter Instrumente in Österreich zum forum shopping und dazu, dass österreichische Unternehmen zunehmend in Großverfahren im Ausland hineingezogen werden. Damit gehen auch negative Auswirkungen auf den heimischen Justizstandort einher.

Vorteile der Verbandsmusterfeststellungsklage und des Vergleiches in solchen
Verfahren wären hingegen:

Der Zugang zur Justiz wird verbessert. Geschädigte scheuen oft wegen des
Prozesskostenrisikos, der mangelnden Erfahrung im Umgang mit dem Gericht oder wegen zu geringer Schadenshöhe den Gang zu Gericht. Die Folgen: Beklagte Unternehmen versuchen musterhafte Entscheidungen durch Verfahrensverzögerungen möglichst bis zu einer Verjährung von nicht eingeklagten Ansprüchen hinauszuzögern. Das bedeutet eine Belastung für Kläger*innen, Gerichte und letztlich für die beklagte Partei selbst, die Rück-
stellungen bilden muss und sich häufig einer Negativ-Berichterstattung gegenübersieht.

Erhöhte Verfahrensökonomie: Die Entscheidung über viele gebündelte Fälle erfolgt durch eine*n Richter*in, ggf ist nur ein*e Sachverständige*r notwendig, und es ergeht ein Urteil. Dies führt zu einer Ersparnis bei Verfahrenskosten für die Parteien und zu einer Ressourcen-einsparung bei Gericht, da nur ein*e Richter*in und nicht mehrere Richter*innen mit ein- und derselben Causa beschäftigt sind – und damit letztlich auch zu einer Ersparnis für die Steuerzahlenden.

Die Verbandsmusterfeststellungsklage kann nur von Verbänden gemäß § 29 Abs. 1 KSchG, von ausländischen Verbänden und von ad hoc gegründeten gemeinnützigen Stiftungen geführt werden. Das stellt die Seriosität dieses Instrumentes sicher und führt dazu, dass die sich auf dem europäischen Markt ausbreitenden „amerikanischen Verhältnisse“ in Grenzen gehalten werden.

Die Hemmung der Verjährung für alle Betroffenen und die Möglichkeit im Verfahren einen „opt out“-Vergleich abzuschließen, fördern den Anreiz für eine*n Beklagte*n, rasch (und nicht erst nach drei Jahren Prozessverzögerung) Vergleichsverhandlungen zu führen.

Das Prozesskostenrisiko trägt der Verband oder die Stiftung und wird idR über Prozessfinanzierer abgedeckt. Diesen gegenüber haben Verbände oder Stiftungen mehr Verhandlungsmacht als das bei Einzelkläger*innen der Fall wäre.

Auch kleinere Schäden (Bagatell- und Streuschäden) können ökonomisch sinnvoll eingeklagt werden, etwa rechtswidrig verrechnete Mahnspesen.

Marktbereinigung: Vorteil für gesetzeskonforme Unternehmen, da sich rechtswidriges Verhalten weniger lohnt; wettbewerbswidrigen Geschäftspraktiken wird präventiv gegengesteuert.

Reform des kollektiven Rechtsschutzes

Um zu verhindern, dass Geschädigte leer ausgehen und sich rechtswidriges Verhalten lohnt, weil Unrechtsgewinne behalten werden können, bedarf es einer Reform, die eine zügige und kostenökonomische Abwicklung von Massenschadensfällen ermöglicht.

Diese liegt nicht zuletzt auch im Interesse der österreichischen UnternehmerInnen. Sie sollen als Mitbewerber vor den „schwarzen Schafen“ und deren wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen effektiv geschützt werden. Auf der anderen Seite soll bei Massenschäden auch für den Schädiger eine endgültige Bereinigung mit kalkulierbarem Kosten- und Zeitaufwand möglich sein.

(2) Gegen unzulässige Klauseln oder Geschäftspraktiken, §§ 28, 28a KSchG, § 14 UWG.
(3) § 502 Abs 5 Z 3 ZPO.
(4) EuGH vom 19.1.1993, C-89/91, Shearson Lehman Hutton.
(5) EuGH vom 25.1.2018, C-498/16, Schrems gegen facebook
(6) Der VKI unterstützte Klagen von geschädigten Frauen iS Brustimplantate in Frankreich, von Geschädigten „ge-
schlossener Fonds“ in Deutschland und iS VW in den Niederlanden.

Grundlage für Beratung und Diskussion (abgesehen von den Fristen und Teilen der Begründung) sollten die Initiativanträge sein, die in den letzten Jahren von den Abgeordneten Steinhauser, Aslan, Willi & Brunner 2015
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01365/fnameorig_472796.html bzw. Jarolim & Lueger 2017
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_02296/index.shtml bzw. Kolba und Noll in der letzten Gesetzgebungsperiode
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00082/index.shtml in den Nationalrat eingebracht haben.

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