Alternativen zur Pendlerpauschale

Am 16. Oktober 2019 referierte Hermann Knoflacher im Rahmen einer AUGE-Steiermark-Veranstaltung im Quartier Leech in Graz vor mehr als 40 TeilnehmerInnen über Alternativen zur Pendlerpauschale. Es folgt hier eine sehr kurze Zusammenfassung der Hauptaussagen des Vortrages.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Hermann Knoflacher ist emeritierter Universitätsprofessor an der TU Wien am Institut für Verkehrswissenschaften und beschäftigt sich vornehmlich mit den negativen Folgen des Individualverkehrs auf die Gesellschaft und die Regionen. Sein Forschungsansatz geht von der Erkenntnis aus, dass der öffentliche Verkehr zwar durchaus Nachteile für das Individuum hat, aber aus gesellschaftlicher Sicht Vorteile bringt, währenddessen der Individualverkehr für den Einzelnen zwar Benefit bringt, der Gesellschaft im Gesamten aber eindeutig von großem Nachteil ist. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang sein berühmtes „Gehzeug“, mit dem er demonstriert, wieviel Raum der Individualverkehr dem Gemeinwesen raubt.

Die Zwänge zur Mobilität

Die erste Alternative zur Pendlerpauschale wäre natürlich keine Pendlerpauschale. Doch was bewirkt die Pendlerpauschale? Und warum pendeln wir? Zuerst bezeugt der Ortswechsel, dass es am Wohnort einen Mangel gibt, der durch Mobilität ausgeglichen wird. Wir bewegen uns, um jene Bedürfnisse zu befriedigen, die das Heim nicht bietet. Arbeit ist nur ein Faktor, der heute viele dazu zwingt, täglich sehr weite Strecken zurück zu legen. Das war aber nicht immer so.

Auswirkungen der Pendlerpauschale

Doch was bewirkt die Pendlerpauschale? Grundsätzlich gilt die Pendlerpauschale als Teil der Werbungskosten und kann daher abgesetzt werden. Sie fördert damit indirekt das Pendeln. Zusätzlich lassen günstigeren Wohnkosten abseits der Ballungszentren die ArbeitnehmerInnen dorthin abwandern. Die Distanzen werden immer größer, die Geschwindigkeitserhöhung kann das nicht ausgleichen. Mensch ist somit täglich immer länger unterwegs. Der Verkehr nimmt zu, die allgemeine Durchschnittsgeschwindigkeit dadurch aber eben nicht. Es entsteht kein Zeitgewinn.

Arten der Mobilität

Wir können drei Arten von Mobilität unterscheiden: die physische, die soziale und die geistige Mobilität. Alle drei beeinflussen einander. Obwohl die Anzahl der Wege pro Tag und Person annähernd konstant bleibt, nimmt der motorisierte Verkehr zu und der nichtmotorisierte sowie der öffentliche Verkehr ab. Es geht also um eine Verhaltensänderung bzw. um eine Einstellungsänderung. Es zeigt sich jedenfalls, dass sich trotz der Erhöhung der Geschwindigkeiten keine Zeit übrig bleibt. Es ergibt sich keine Einsparung von Zeit!

Trennung der Lebensbereiche

Das Pendeln ist also eine Folge der Trennung von Arbeitsplatz und Wohnort. Weitere Folgen dieser Entwicklung sind die wirtschaftlichen Konzentrationen, die Zersiedelung unserer Landschaft, Sozialisierung der Mobilitätskosten (d.h. die enormen Mehrkosten für die gesteigerte Mobilität werden von der Gesellschaft und nicht vom Individuum getragen), Missachtung des Verursacherprinzips, Belastungen für die Umwelt u.v.m. Die Ursachen liegen in den Wirtschaftsbedingungen, den Finanzregelungen, der Raumordnungspraxis, der Verkehrspolitik und den gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel der Finanzausgleich für Gemeinden. Auch der „abgestufte Bevölkerungsschlüssel“, der noch aus der Nachkriegszeit stammt, wirkt verstärkend auf diese negativen Entwicklungen, da er größere Gemeinden deutlich bevorzugt, weil sie pro Kopf mehr Mittel bekommen. Das führt zwangsläufig zu Konzentrationen in den Ballungszentren und zum Verlust an Infrastruktur in den ländlichen Regionen.

Höchste Zeit für Änderungen

Doch wo können wir ansetzen? Es geht um eine grundlegende Änderung unserer Lebensformen mit Weitsicht und Mut. Das erfordert aber auch eine Änderung der Gesetze, der Finanzen und der Machtverhältnisse. Und wir haben nicht mehr viel Zeit…

Die gute Nachricht: Das Pendeln ist kein Naturgesetz, der Verkehr kein Schicksal. Es handelt sich um ein künstliches System, das wir ändern können. Wir brauchen neue Strukturen, die mit einer Entschleunigung einhergehen. Das Ziel sind zukunftsfähige Orte mit mehr Arbeitsplätzen und Infrastrukturen in der Nähe sowie mehr Freiheiten für die Beschäftigten!

Autor: Willy Baier, AUGE/UG Steiermark