Antrag 1
an die 2. Vollversammlung vom 21. November 2019
der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark
Asylrechtsberatung muss unabhängig bleiben
Exakt am Vorabend der Veröffentlichung des Ibiza-Videos hat der Nationalrat unter der Regie des früheren Innenministers Herbert Kickl das Ende der unabhängigen Asylrechtsberatung beschlossen. Statt wie bisher zivilgesellschaftliche Organisationen soll künftig eine Bundesagentur, eine Behörde im Geschäftsbereich des Innenministers, Asylbewerber und –werberinnen in ihren Aufenthaltsangelegenheiten beraten. Die RechtsberaterInnen sollen einem durch das Justizministerium bestellten Bereichsleiter unterstellt werden.
Die Konstruktion widerspricht grob dem Sinn der Rechtsberatung. Zu einem rechtsstaatlichen Verfahren gehört die Möglichkeit für Prozessbeteiligte, sich über ihre Rechte an unabhängiger Stelle zu informieren. Ausgerechnet den Prozessgegner mit der Informationsaufgabe zu betrauen stellt die Verhältnisse auf den Kopf.
Auch für die „Rückkehrberatung“ soll die Behörde zuständig sein. Rückkehrwillige würden diese „Beratung“ meiden. Würden sie gegenüber staatlichen Stellen ihren Status nicht offenbaren, müssten sie mit Abschiebung rechnen.
Mit dem expliziten Ziel exklusiver staatlicher Kontrolle hat die seinerzeitige Mehrheit im Nationalrat die Bundesagentur überdies mit der Organisation der Erstversorgung von AsylbewerberInnen beauftragt. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollen von der Flüchtlingsbetreuung ausgeschlossen sein.
Damit verzichtet die Republik bewusst auf die wertvolle, auch von Regierungsseite wiederholt gelobte Bereitschaft weiter Teile gerade der steirischen Bevölkerung, sich für Schutzsuchende zu engagieren. In einer Stellungnahme warnte die Caritas vor einer „Black Box“, einer Abschottung Asylsuchender mit dem Ziel, Kontakte mit der eingesessenen Bevölkerung zu verhindern und die Kontrolle behördlichen Handelns zu verunmöglichen. Betroffene wären vollständig in der Hand eines politisch geführten und auf Weisungen beruhenden Systems.
Die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen befindet sich derzeit im Aufbau und soll ihre vorgesehenen Aufgaben im nächsten und im übernächsten Jahr schrittweise übernehmen. Die neuerliche Regierungsbildung bietet die Chance, die einer offenen Gesellschaft unwürdige Konstruktion abzuschaffen, bevor sie wirksam geworden ist.
Die Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark fordert die neue Bundesregierung auf, Schritte zu setzen, um die Fortexistenz einer unabhängigen Beratung in Asylrechtsfragen sowie der zivilen Betreuung von Flüchtlingen zu garantieren und den geplanten Aufbau der staatlichen Agentur zu stoppen.
Für die Fraktion der AUGE/UG
Sandra Hofmann Graz, den 14. 11. 2019
Fraktionsvorsitzende