Arbeitszeit: Wünsche & Realität

Als Gewerkschafter ist es mir wichtig, nicht nur die Betriebsebene und die Betriebsrealitäten zu sehen, es ist auch wichtig das Gesamtsystem zu betrachten und zu hinterfragen. Nur so können wir als Arbeiterkammer, Gewerkschaft, ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen unsere sozial-ökologische Verantwortung wahrnehmen. Wenn wir neoliberale Spielregeln als gegeben und in Stein gemeißelt annehmen, dass so Wirtschaft passieren muss, dann haben wir verloren, dann wird das System einfach weiter befeuert.

Die Leistungsidee hinterfragen

Die Leistungsidee ist, in diesem Zusammenhang, generell zu hinterfragen
Die Gesamt-Wirtschaft leistet zu viel. Deshalb müssen Dinge in kürzester Zeit kaputtgehen, damit neue Nachfrage entsteht, wieder Dinge gekauft werden müssen. Nur dann gibt es Wachstum, funktioniert das System. Nur, wenn das System an nachhaltigkeit ausgerichtet ist, nicht an Wachstum, welche Leistung brauchen wir dann? Es würde nur mehr ein Bruchteil übrig bleiben, den wir leisten müssen.
Leisten für eine Kreislaufwirtschaft und die Mitgestaltung sozialer Sicherungssysteme für die Menschen in diesem Land – und für nichts anderes. Also keine Konzerngewinne, Aktienmärkte, etc..
Wir müssen deshalb endlich die Gleichsetzung von Wohlstand mit Wirtschaftswachstum in Frage stellen und das System umgestalten. Das sind Ansätze, die wir uns selbst und unseren Nachkommen schuldig sind. „Es ist reine Pragmatik, dass wir einen radikalen Systemwechsel brauchen und dass wir als ArbeitnehmerInnenvertreterInnen, Arbeiterkammer und Gewerkschaft da eine Verantwortung haben, die wir wahrnehmen müssen. Wir müssen aktiv werden und diesen Wechsel mitgestalten, im Sinne der Arbeitnehmer*innen, der kaum etwas besitzenden Menschen.“

Wirtschaft heute: Wachstum, Wohlstand und Konsum

Wohlstand – das ist für mich gutes Leben, Nachhaltigkeit und damit Überleben, Lebensqualität und Sicherheit. Dass der Wohlstand durch die Industrialisierung, durch Wachstum gestiegen ist, war lange Zeit gut und wichtig. Doch inzwischen grenzt es auch ans Absurde: Wir haben eine eigene Industrie, die uns neue Bedürfnisse schafft. Damit wir uns wohl fühlen, müssen wir etwas Neues kaufen.
Beispiel Umbildung der Autoindustrie: Da geht es nicht mehr darum, wie man Wohlstand und Sicherheit gibt, sondern vielmehr darum, wie sich Massenproduktion und Profite entwickeln können, Gewinne erzielen lassen. Natürlich sind auch die KonsumentInnen in der Verantwortung, wenn sie durch schädliche Kaufentscheidungen, z.B. SUVs, die Lebensbasis auf unserem Planeten mitzerstören. Angebot und Kaufmöglichkeit suggeriert Sicherheit. Die Zerstörung, die damit einhergeht, die Zerstörung unserer Lebensgrundlage, wird außer acht gelassen.

Zu meinem unmittelbaren Arbeitsbereich, dem Sozialbereich:

Leistung versus Qualität?

Im Sozialbereich liegt ein wesentliches Problem darin, dass von den Fördergebern, z.B. vom Land, Vorgaben von Personen kommen, die von Arbeit am Menschen und von Pflege im Sozialbereich keine Ahnung haben.
Da geht’s darum, wie viele Klienten bekommen wir in kürzester Zeit warm, satt und sauber. Und wenn sie das Gefühl haben, da gehen noch fünf rein in unserer Arbeitszeit, dann versuchen sie uns das auch noch aufzubrummen. Im Sozialbereich schätzen die meisten KollegInnen ihre Arbeitsleitung auf 120 % ein, die meisten schauen nicht auf sich selbst. Dabei sollten sie eigentlich so arbeiten, dass sie auch Zeit für die Familie haben, Qualität aus der Freizeit herausholen können, sich nicht überfordern – damit sie gesund und motiviert bis zur Pension gute Arbeit leisten können. Gesetzte und Spielräume, die die Beschäftigten schützen, werden selten genutzt.

Gerade im Pflege- und Gesundheitsbereich sind zwischenmenschliche Beziehungen ein wesentlicher Faktor. Um herauszufinden, was Klienten wirklich brauchen, muss man sich Zeit nehmen, die selten ausreicht. Wenn im Sozialbereich viele menschliche und andere Komponenten aus Zeitdruck nicht geleistet werden können, schadet das den Klienten, aber auch den Beschäftigten: „Da habe ich das Gefühl, ich kann meine Arbeit jetzt nicht in dem Ausmaß erledigen, wie es ein Mensch einem Menschen gegenüber braucht. Das schadet meiner eigenen Psyche, meiner Psychohygiene.“ Durch Arbeitsverdichtung und Leistungsdruck steigen psychische Erkrankungen und Burn Out massiv an und es gibt kaum Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun. Im Gegenteil: der Leistungsdruck nimmt zu, die Leistungsvorgaben werden mehr.

Für Menschen – nicht für Profite

Der Sozialbereich ist ein praktisches Beispiel dafür, dass die Wirtschaft momentan den Profiten, aber nicht mehr dem Menschen dient und uns keine Sicherheit mehr vermittelt. Für mich gibt es kaum einen Lebensbereich, bei dem Demokratie so wenig im Vordergrund steht, wie in der Arbeitswelt. „Wir müssen uns wieder erlauben, uns in die Gestaltung der Wirtschaft, der Arbeitsbedingungen aber auch in die Verteilung von Arbeit und Wohlstand rein zu reklamieren, Damit wir aktiv und mitgestaltend einen radikalen Systemwechsel angehen und uns aktiv im Interesse der Mehrheit der Menschen, nämlich der ArbeitnehmerInnen, einbringen!“