Kurz- und Ersteinschätzung des Regierungsprogramms von Markus Koza

 

  • Beschäftigungsbonus sprich Lohnnebenkostensenkungen: die entstehenden Kosten sind nicht abzuschätzen, die Gegenfinanzierung vollkommen ungeklärt, tendenziell sind Mitnahmeeffekte (Jobs wären ohnehin entstanden, Förderungen werden gerne „mitgenommen“) zu befürchten. Schwer feststellbar, was jetzt „neue“ Arbeitsplätze sind.
  • Kalte Progression: Automatismus birgt in sich ziemliche Probleme und Umverteilungseffekte, die insbesondere oberen Einkommensgruppen zugutekommen – auch in diesem Modell, da diese Gruppen jedenfalls in die untersten beiden Tarifstufen fallen. Nicht geklärt ist, ob Negativsteuer auch entsprechend indexiert wird.
  • Halbierung Flugabgabe: Flüge gehören tatsächlich verteuert, insbesondere auch, um im Nahverkehr die Bahnnutzung zu attraktivieren! Die Halbierung der Flugabgabe ist umweltpolitisch gesehen höchst kontraproduktiv und geht vollkommen in die falsche Richtung.
  • Entgeltfortzahlung neu: statt die AUVA finanziell noch stärker zu belasten, nachdem die Beiträge zur UV-Versicherung bereits reduziert wurden (Maßnahme zur „Lohnnebenkostenseknung“), wäre es deutlich sinnvoller den „alten“ unter schwarz-blau abgeschafften Entgeltfortzahlungsfonds für ArbeiterInnen wieder einzuführen
  • Erhöhung Forschungsprämie auf 14 %: Mitnahmeffekte – unter Garantie!
  • Investitionsförderung-vorzeitige Abschreibung: grundsätzlich einmal nicht blöd – allerdings gilt auch hier: die Investitionsbedingungen (Zinslandschaft!) wären für Unternehmen günstig wie noch nie! Es fehlt allerdings das ökonomisch-stabile Umfeld, das zu Investitionen ermutigt sowie die öffentliche Nachfrage, die diese stimuliert – Nachfrage- nicht Angebotsproblem!
  • Arbeitszeitflexibilisierung: es gilt nach wie vor – Nein zu einer weiteren Ausdehnung täglicher Arbeitszeiten! AZ und Arbeitsmärkte sind bereits zur Genüge flexibilisiert, es herrscht ein regelrechter Wildwuchs an Möglichkeiten. Vielmehr muss die Flexibilisierung AN-seitiger gestaltet werden. V.a. braucht es Arbeitszeitverkürzung.
  • ArbeitnehmerInnenschutz/-inspektorat: Die Reduktion der Meldepflichten nach AZ-Gesetz ist jedenfalls problematisch zu sehen. Sie wurden nicht zuletzt im Rahmen der letzten AZ-Flexibilisierung eingeführt, um Missbrauch zu verhindern und Ansprüche sicherzustellen.
  • Arbeitsmarkt für EU-BürgerInnen einschränken/Familienbeihilfe: Wohl nur schwer durchsetzbar (EU-Sekundärrecht), Außerdem vollkommen falscher Weg. Vor Infragestellung der vollkommenen Kapital- und Dienstleistungsfreiheit ausgerechnet die Personenfreizügigkeit in Frage zu stellen, von der ja auch zehntausende österr. ArbeitnehmerInnen profitieren, macht für Krise am Arbeitsmarkt ausgerechnet auch jene Verantwortlich, die in ihren Ländern als Folge der Austeritätspolitik überhaupt keine Perspektive mehr sehen. Bei Familienbeihilfe muss wohl gelten – gleicher Beitrag, gleiche Leistung – oder sollen umgekehrt Beiträge zum FLAF für EU-BürgerInnen reduziert werden? Das wäre institutionalisiertes Lohndumping!
  • Mobilität am Arbeitsmarkt fördern: Kombilohnmodelle sind grundsätzlich kritisch zu betrachten (Lohnsubventionierung, wirken insbesondere bei spez. Zielgruppen) – Ausweitung auf weiter entfernte Jobs droht Druck auf Arbeitslose noch weiter zu erhöhen. Insbesondere droht auch das AMS-Budget weiter unter Druck zu geraten, da diese ÖVP-Wunschprogramme (Kombilohnmodelle ausdehnen, Übersiedlungen fördern, Entfernungsbeihilfe etc.) aus dem aktuellen AMS-Budget finanziert werden sollen. Zu Lasten welcher Programme?
  • Ausweitung Zumutbarkeitsbestimmungen: wo sind die Rahmenbedingungen, die tatsächlich erlauben 20 statt 16-h-Jobs anzunehmen? Schuld bzw. Verantwortung wird wieder AL zugeschoben statt fehlenden z.B. Kinderbetreuungs- oder Pflegeeinrichtungen bzw. mangelhafter Verkehrsinfrastruktur.
  • Mindestlohn: Niedriglohnschwelle schon bei ca. Euro 10/Stunden (1.700 Euro/Monat)! 1.500 Euro kann maximal Zwischenetappe sein. Grundsätzliche Zuständigkeit von Kollektivverträgen richtig, wenn gesetzliche „Satzung“ dahingehend geändert wird – sprich ausgeweitet – dass auf alle sonstigen KV und Nicht-KV abgedeckten Bereiche anwendbar. Gesetzliche Lösung (insb. Mindest- Stundenlohn als absolute Lohnuntergrenze) allerdings durchaus denkbar.
  • Beschäftigungsaktion 20.000/Aufweichung Kündigungsschutz über 50jährige: Einerseits Kündigung der Über-50-Jährigen erleichtern und gleichzeitig arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für diese Gruppe auszubauen, mutet schon eigenartig an. Grundsätzlich aber begrüßenswert, Frage der Ausgestaltung (auf Mittel-/Langfristigkeit ausgelegt, arbeits- sozialrechtliche Absicherung). Es gilt: arbeitsmarktpolitische Maßnahmen können Beschäftigungspolitik nur unterstützen. Und: wer zahlt? Wo bleibt die Co-Finanzierung durch die Arbeitgeber? Mit Aufweichung Kündigungsschutz für über 50jährige wird ihnen (den über 50jährigen) implizit die Verantwortung für Arbeitslosigkeit zugeschoben (nach dem Motto: „Arbeistlosigkeit ist hoch weil Alte schwer kündbar, drum werden sie nicht eingestellt etc.“) (!) – Lockerung von Kündigungsschutz führt zu weiterer Instabilität der Arbeitsverhältnisse, die in AUT schon sehr instabil sind (960.000 AN mindestens einmal arbeitslos pro Jahr)
  • Modernes Insolvenzrecht: sollte auch die Möglichkeit der geförderten und unterstützten Fortführung von Betrieben in ArbeitnehmerInneneigentum beinhalten.
  • Arbeitsmarktintegrationsgesetz: klingt streckenweise ganz gut, kommt auf die konkrete Ausgestaltung an. „Harte Sanktionsmaßnahmen“ bei Verweigerungen können – wenn dann – nur letzte Mittel sein – da schlägt wieder der repressive Charakter durch, der dieses Programm leider immer wieder durchzieht (außer wenn’s um AG und Verstöße gegen Arbeits-Rechte geht, siehe AN-Aufzeichnungen …). Öffnung Dienstleistungsscheck für AsylwerberInnen kann nur erster Schritt für AM-Öffnung sein. Eingliederungsbeihilfen („Integrationsbeihilfen“) können durchaus sinnvoll sein – auch hier Frage der Ausgestaltung (Dauer, Umfang der Subvention, Behaltefristen, parallele Bildungsmaßnahmen, Gültigkeit Kollektivverträge …)
  • Verpflichtende Frauenquote in Aufsichtsräten: 30 % ab 1.000 Beschäftigte ist mager – aber immerhin ein erster Schritt.
  • Gegenfinanzierung: unkonkret, insb. über Einsparungsmaßnahmen – allerdings ist noch nicht mal Gegenfinanzierung der Steuerreform sichergestellt. Weiter Einsparungsmaßnahmen werden wieder zu Lasten sozialer Sicherheit, öffentlicher Investitionen etc. gehen. Für soziale wie ökonomische Entwicklung kontraproduktiv!

 

Was fehlt: jede Form von Maßnahmen zu mehr Steuergerechtigkeit und einer umfassenden Ökologisierung des Steuersystems, finanzielle Absicherung des Sozialstaates, ein Kapitel zum Thema „öffentliche Investitionen“, Stärkung der ArbeitnehmerInnen und ihrer Vertretungen, Bekenntnis zu Arbeitszeitverkürzung, Infragestellung EU-Austeritätspolitik, und, und, und …

Die Arbeitsmarktmaßnahmen sind grundsätzlich angebots- und nicht nachfrageorientiert. Das ist eine eklatante Fehleinschätzung der ökonomischen Situation, die steigende Arbeitslosigkeit ist insbesondere auf die mangelnde Nachfrage (Austeritätspolitik, massiver Rückgang öffentlicher und in Folge privater Investitionen, pessimistische Stimmungslage etc.) zurückzuführen. Entsprechend kritisch sind die Punkte im Papier auch zu bewerten, da ihnen eine falsche Analyse zugrunde liegt:
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