Resolution 2 – Für eine wirksame Fiskalpolitik

In Europa wird derzeit die gesetzliche Verankerung von „Schuldenbremsen“ diskutiert. Als Schuldenbremse werden dabei gesetzliche bzw. verfassungsrechtliche Regelungen bezeichnet, die das Ziel haben, die Staatsverschuldung zu begrenzen bzw. Schuldenobergrenzen festzulegen und ggf. verbindliche Vorgaben zur Reduzierung von Haushaltsdefiziten zu machen. In Österreich hat Finanzministerin Fekter kürzlich einen Entwurf für eine derartige Schuldenbremse vorgelegt. Nach diesem Entwurf
• müssen Bund, Länder und Gemeinden bei einer Staatsverschuldung von über 60 % die Konsolidierungsvorgaben der EU-Kommission verpflichtend umsetzen
• müssen 75 % der Konsolidierung ausgabenseitig erfolgen
• dürfen in wirtschaftlichen Krisenzeiten nur „konjunkturell eindeutige“ Ausgaben wie z.B. Arbeitslosengeld steigen
• sind Abweichungen von diesem Konsolidierungsweg nur im Falle „von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen“ erlaubt
• kann rechtlich von einem Drittel des Nationalrats, des Bundesrats oder einer Landesregierung beim Verfassungsgerichtshof gegen eine Zielabweichung geklagt werden.
Die gesetzliche Verankerung einer Schuldenbremse – insbesondere auch der Vorschlag von Finanzministerin Fekter – ist dabei gerade aus ArbeitnehmerInnensicht aus mehreren Gründen zu kritisieren:
Konsolidierungsmaßnahmen, die von der EU-Kommission vorgegeben werden, zielen regelmäßig auf einen Rückbau sozialstaatlicher Sicherungsmaßnahmen – von Pensionen bis Gesundheitsversorgung . Ausgabenseitige Einsparungen verschärfen die Verteilungssituation in Österreich und befördern Ungleichverteilung mit den entsprechenden Folgen. Zusätzlich wirkt der Passus der „verpflichtenden Umsetzung von EU-Konsolidierungsvorgaben“ in hohem Maße entdemokratisierend: ein „Automatismus“ wonach Budgetkonsolidierung entlang der Vorgaben der EU-Kommission zu erfolgen hat, raubt den nationalen, direkt gewählten Parlamenten weitestgehend Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte in der Fiskalpolitik. Konsolidierungsautomatismen entziehen sich weitestgehend Begutachtungs- und Mitgestaltungsprozessen durch entsprechend legitimierte Interessensvertretungen (Gewerkschaften und Arbeiterkammern). Strikte Schuldengrenzen beeinträchtigen die staatliche Handlungsfähigkeit in Krisenzeiten und wirken in ihrer extremen Ausformung als „Schuldenbremse“antizyklisch und krisenverstärkend. Konjunkturpakete werden erschwert – wie z.B. langfristige, gesellschaftlich sinnvolle und nachhaltig wirkende Investitionen, wenn diese über Schulden finanziert werden.
Die primär ausgabeseitige Orientierung zur Bewältigung der Staatsschulden im Rahmen des Finanzministeriumsentwurfes verkennt die Tatsache, dass bspw. – laut Vorsitzendem des Staatsschuldenausschussess Felderer im Profil vom 10. Oktober 2011 – die in den letzten Jahren angehäuften Schulden von 35 Mrd. Euro zu zwei Dritteln aus geringeren Steuereinnahmen und lediglich zu einem Drittel aus Konjunkturprogrammen stammen. Statt eines vermeintlich diagnostizierten Ausgabenproblems besteht ein Einnahmeproblem.

Die Vollversammlung der Steirischen Kammer für Arbeiter und Angestellte lehnt daher die Verankerung einer Schuldenbremse in Gesetzes- bzw. Verfassungsrang ab. Schuldenbremsen – insbesondere dann, wenn sie allein auf eine ausgabeseitige Konsolidierung des Staatshaushaltes abzielen – gefährden sozialstaatliche Sicherungssysteme, wirken antizyklisch und verkennen, dass in Österreich hinsichtlich der öffentlichen Haushalte ein Einnahmenproblem besteht.
Die Politik auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene muss auf Wirtschaftskrisen und gesellschaftliche Herausforderungen und Bedürfnisse reagieren können und braucht dazu entsprechende budgetäre Spielräume.

Für die Fraktion der AUGE/UG

Ilse Löwe-Vogl
Fraktionsvorsitzende
02. November 2011


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