Antrag 19/ Notwendige Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor hormonell wirksamen Chemikalien

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 Die hormonelle Wirksamkeit eines Stoffes resultiert aus seiner chemischen Struktur, die ihn dazu befähigt, hormonell gesteuerte Prozesse in Organismen zu stören. Deshalb nennt man dieses Stoffe auch Endokrin Disruptive Chemikalien (EDC).

Endokrine Disruptive Chemikalien, bzw. solche, die im Verdacht stehen welche zu sein, begegnen uns in einer Vielzahl von Konsumgütern, etwa als Zusatzstoffe in Lebensmittelverpackungen, Kunststoffartikeln, Körperpflegeprodukten und zahlreichen anderen Gegenständen des täglichen Gebrauchs. Auch zahlreichen derzeit angewendeten Pestizidwirkstoffen werden endokrin disruptiveEigenschaften zugeschrieben. 

Die hohe chemische Stabilität – auch Persistenz genannt – die viele dieser Endokrinen Disruptoren auszeichnet, führt zu ihrer Anreicherung in der Umwelt ebenso wie im menschlichen Körper. Der am häufigsten beobachtbare ökologische Effekt von hormonell wirksamen Chemikalien ist die sogenannte “Verweiblichung” von Amphibien, Fischen und anderen Wasserlebewesen, die zum weltweiten Rückgang der Artenvielfalt beiträgt.

Gesundheitsschäden beim Menschen, die nach heutigem Stand der Wissenschaft mit dem Einfluss hormonell wirksamer Chemikalien in Zusammenhang stehen, sind so vielfältig wie die Entwicklungsprozesse und Körperfunktionen, die von den verschiedenen Hormonen gesteuert werden

. Die wichtigsten sind: 

  • Schädigungen des Fortpflanzungsapparats: dazu gehören Reduktion von Spermienzahl und -qualität, verfrühtes Einsetzen der Pubertät, genitale Missbildungen und Brustkrebs.
  • Schädigung des zentralen Nervensystems, wie Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS)
  • Stoffwechselserkrankungen: Diabetes und Adipositas (Dickleibigkeit)

Erstmals ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde die Problematik hormonell wirksamer Chemikalien durch eine Gruppe von WissenschafterInnen rund um die US-amerikanische Biologin Theo Colburn Anfang der 90er Jahre

. Das Europäische Parlament verabschiedete 1998 eine Resolution, in der die EU-Kommission aufgefordert wird, Maßnahmen zu ergreifen, um die europäische Gesetzgebung, den wissenschaftlichen Kenntnisstand sowie die Informationspolitik zu endokrinen Disruptoren zu verbessern. Ein Jahr später legte die EU-Kommission eine politische Strategie der Gemeinschaft vor (EC 1999). 

In der Folge wurde in mehreren EU-Gesetzen auf hormonell wirksame Chemikalien Bezug genommen und Einschränkungen für diese festgesetzt: erstmals im Jahr 2006 durch die europäische Chemikalienverordnung REACH

, 2009 durch die Pestizidverordnung

  sowie 2011 durch die Biozidverordnung

. Da für die Umsetzungen dieser neuen Regelungen aber Leitlinien für Test- und Bewertungsverfahren, anhand derer Chemikalien als EDC identifiziert und eingestuft werden sollen, fehlen, gehen diese gesetzlichen Regelungen derzeit noch ins Leere. So wurde bis Heute noch keine Chemikalie aufgrund ihrer endokrin disruptiven Eigenschaften vom europäischen Markt genommen.

 

 

Die 11. Vollversammlung der Arbeiterkammer Niederösterreich möge daher beschließen:

Vor diesem Hintergrund beobachtet die Arbeiterkammer mit Besorgnis, dass die EU-Kommission ihre Verpflichtung, bis Dezember 2013 einen Vorschlag für Kriterien zur Identifizierung von endokrin disruptiven Pestizid-und Biozidwirkstoffen vorzulegen, nicht termingerecht erfüllen wird und daher die bereits geltenden gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Mensch und Umwelt vor endokrinen Disruptoren noch länger zahnlos bleiben werden.

Positiv beurteilt die Arbeiterkammer Initiativen einzelner Mitgliedstaaten zum Schutz vor hormonell wirksamen Chemikalien; beispielsweise das Verbot von Bisphenol A in Lebensmittelkontaktmaterialien, die für Kinder bis zum dritten Lebensjahr bestimmt sind, welches von Dänemark, Frankreich, Belgien und Schweden verhängten wurde und in Frankreich ab 2015 auf alle Altersgruppen ausgeweitet werden soll. Ebenso das von Dänemark verhängte  Verbot für bestimmte hormonell wirksame Parabene in Kosmetikprodukten für Kinder unter drei Jahren sowie die Vorreiterrolle Österreichs innerhalb der EU beim 2010 verhängten Verbot von Bisphenol A in Babyschnullern und Beißringen.

Darüber hinaus fordert die Arbeiterkammer die österreichische Bundesregierung auf, Bisphenol A und Parabene in Lebensmittelkontaktmaterialien und Kosmetika nach französischem und dänischem Vorbild zu verbieten.

Die Bundesregierung wird auch aufgefordert, sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass effektive Kriterien und Leitlinien zur Identifizierung von endokrinen Disruptoren rasch erstellt werden sodass die existierenden EU-Gesetze zum Schutz von Mensch und Umwelt wirksam werden können.]

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