Antrag 1 der AUGE/UG an das GPA Bundesforum 2021

Beantragt und eingebracht von: 

Stefan Taibl, Karin Stanger

für die AUGE/UG
Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/ 
Unabhängige GewerkschafterInnen

Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit – Frauenlöhne und Gehälter aufwerten

Die im Auftrag der AK erstellte Sonderauswertung des Österreichischen Arbeitsklima-Index anlässlich der COVID-Pandemie nennt als systemrelevante Berufsgruppen Einzelhandelsbedienstete, Reinigungskräfte, LehrerInnen, BerufsfahrerInnen und Lieferdienste, Pflege, -Betreuungs- und Gesundheitsberufe,  ApothekerInnen, Bankangestellte, KindergartenpädagogInnen und Polizei (vgl. Schönherr, Zandonella, SORA 2020[1]).

Acht von diesen elf Berufen können als Frauenberufe bezeichnet werden, da der Anteil der Frauen bei über 80% der Beschäftigten liegt[2]. In den fünf Berufsgruppen mit dem höchsten Frauen-Anteil liegt das durchschnittliche Einkommen unter dem österreichischen Durchschnittslohn.

Die Corona-Pandemie macht jedenfalls deutlich, dass diese Berufe systemrelevant, also gesellschaftlich unverzichtbar sind. Angesichts dieser Erkenntnis sollte sich Gleichstellungspolitik nicht darauf beschränken, Frauen eine andere Berufswahl nahezulegen, sondern gleichzeitig darauf hinarbeiten, diese und weitere Frauenberufe sowohl in Relation zu anderen Berufen, als auch absolut hinsichtlich Einkommen, Prestige und Arbeitsbedingungen aufzuwerten.

Dass gerade Frauen oft in unterbezahlten Berufen arbeiten, ist kein Zufall. Die ‚Devaluationsthese‘ geht davon aus, dass sich der (im Vergleich zu Männern) geringere gesellschaftliche Status von Frauen in weiten Bereichen auf die Bewertung ihrer Arbeit auswirkt. 

Dazu ein Beispiel aus dem Gesundheits-und Sozialbereich:

Das durchschnittliche Einkommen[1] aller österreichischen Männer betrug 2018 laut Statistik Austria monatlich € 3.278,-brutto (vgl. Statistik Austria[2]).

Im Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich (die v.a. mehrheitlich von Frauen ausgeübte Pflege- und Betreuungsberufe umfasst) erreichten von neun Gehaltsgruppen nur die drei höchsten, also die Gruppe 7 (das sind beispielweise Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit Sonderausbildung, Kindergarten-und Hortpädagoginnen, Behinderten-Fachkräfte) ab dem 27. Dienstjahr, die Gruppe 8 (das sind beispielsweise Behindertenfachkräfte mit Spezialaufgaben, Sozialarbeiterinnen oder Physiotherapeutinnen) ab dem 13. Dienstjahr und die Gruppe 9 ab dem 5 Dienstjahr dieses mittlere Durchschnittseinkommen aller Männer (vgl. SWÖ KV 2020). Über 80% der Beschäftigten in diesem Bereich, zumeist Frauen – kommt, trotz systemrelevanter Arbeit, viele mit hochwertiger Ausbildung und sehr fordernder Tätigkeit, nie zu diesem mittleren Durchschnittseinkommen der Männer. http://www.sozialwirtschaft-oesterreich.at/folder/1203/SWOE-KV_Gehaltstabelle_2021.pdf

Seit dem Jahr 2011 regelt das Gleichbehandlungsgesetz die Verpflichtung aller Unternehmen ab 150 MitarbeiterInnen, Einkommensberichte zu erstellen und mit diesem Instrument auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und damit auf Gleichstellung von Männern und Frauen im Betrieb hinzuarbeiten. 

Da es sich jedoch bei der ungleichen Bewertung von Männer- und Frauenarbeit, wie oben beschrieben, offensichtlich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen handelt, sollten Männer- und Frauen-Arbeit und -Einkommen nicht nur auf betrieblicher Ebene, sondern branchenübergreifend analysiert und neu bewertet werden. Als Methode bietet sich der so genannte ‚Paarvergleich zur Gleichwertigkeit‘ an, bei dem anhand bestimmter Kriterien (Voraussetzungen, Anforderungen, psychischer und physischer Belastungen…) Berufe in ihren einzelnen Merkmalen detailliert miteinander vergleichen werden. Erprobte Kriterienkataloge finden sich beispielsweise in der Studie zum „Comparable Worth“-Index als Instrument zur Analyse des Gender Pay Gap von Sarah Lillemeier[3] oder im Entgeltgleichheits-Check der deutschen Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Karenzzeiten, anrechenbare Zeiten und Vorrückungen:

Ein großes Problem ist, dass in den meisten Kollektivverträgen, gesetzlichen Regelungen und firmeninternen Regelungen (z.B. Betriebsvereinbarungen) viele Karenz- und Sonderurlaubszeiten (Anschlusskarenz) noch nicht oder unzureichend auf Bienniensprünge, Vorrückungen, die Berechnung des Urlaubsausmaßes, die Bemessung der Kündigungsfrist und den Anspruch auf Abfertigung Alt angerechnet werden.

Das GPA Bundesforum möge daher beschließen:

  • Die GPA wird ‚Männer‘- und ‚Frauen‘-Berufe systematisch miteinander vergleichen, und konkrete Empfehlungen für die gleiche, d.h. gerechte Bewertung und gleichwertige Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit abgeben.
  • Insbesondere in den Kollektivverträgen im Verhandlungsbereich der GPA soll dieser Missstand oberste Priorität haben und die Löhne der Frauenbranchen, ausgehend von dem durchschnittlichen Männergehalt der Statistik Austria, durch Verhandlungen und gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen, angeglichen werden.
  • Die GPA setzt sich beim Gesetzgeber für eine Änderung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen ein, damit alle Karenz- und Sonderurlaubszeiten vollständig auf die oben genannten Faktoren zu 100% anerkannt werden.
  • Die GPA sieht es als oberste Priorität, bei den Verhandlung der Kollektivverträge im Verantwortungsbereich der GPA, diese Anrechnungen zu fordern und notfalls mit gewerkschaftlichen Maßnahmen, umzusetzen.

 

[1]               Daniel Schönherr / Martina Zandonella:  Sonderauswertung des Österreichischen Arbeitsklima Index Bedingungen und Berufsprestige von Beschäftigten In systemrelevanten Berufen in Österreich, SORA Institut im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, Wien, April 2020

[2]          Ab 70% Männer bzw. Frauenanteil in einer Berufsgruppe kann lt. Toolbox Einkommensberichte (BM für Gesundheit und Frauen, ÖGB Frauen, Arbeiterkammer und der Gleichbehandlungsanwaltschaft 2016) von Männer- bzw. Frauenarbeit gesprochen werden

[3]               um Teilzeit und nicht-ganzjährige Beschäftigung bereinigt

[4]          https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/personen-einkommen/jaehrliche_personen_einkommen/index.html, aufgerufen am 18.02.2021)

[5]               Working Paper WSI 205,Hans Böckler Stiftung

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