Konsolidierungsautomatismen wie im vorliegenden Finanzministeriumsentwurf vorgesehen entdemokratisieren zusätzlich den Budgetwerdungsprozess hinsichtlich Begutachtung, Diskussion und Beschluss. Budgetpolitik ist in „Zahlen gegossene Gesellschaftspolitik“ und in dieser Hinsicht nie frei von Weltanschauung, Ideologie und politischen Zugängen. In diesem Sinne sind auch Schuldenobergrenzen, wie sie im Rahmen von Schuldenbremsen vorgegeben werden, keine objektivierbaren Größen sondern politisch begründet.
Die Politik – ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene – muss auf Wirtschaftskrisen und gesellschaftliche Herausforderungen und Bedürfnisse reagieren können und braucht dazu entsprechende budgetäre Spielräume – einnahme- wie ausgabeseitig.
Europaweit wird derzeit über die gesetzliche Verankerung von „Schuldenbremsen“ diskutiert. Als Schuldenbremse werden dabei gesetzliche bzw. verfassungsrechtliche Regelungen bezeichnet, welche das Ziel haben, die Staatsverschuldung zu begrenzen bzw. Schuldenobergrenzen festzulegen und ggf. verbindliche Vorgaben zur Reduzierung von Haushaltsdefiziten zu machen. Neben Deutschland – das dahingehend auch den meisten Druck macht – hat bislang Spanien eine derartige beschlossen, in Italien, Slowenien und der Slowakei wird laut über eine gesetzliche Schuldenbegrenzung nachgedacht.
In Österreich hat Finanzministerin Fekter kürzlich einen Entwurf für eine derartige Schuldenbremse vorgelegt. Nach diesem Entwurf
müssen Bund, Ländern und Gemeinden bei einer Staatsverschuldung von über 60 % die Konsolidierungsvorgaben der EU-Kommission verpflichtend umsetzen
müssen 75 % der Konsolidierung ausgabeseitig erfolgen
dürfen in wirtschaftlichen Krisenzeiten nur „konjunkturell eindeutige“ Ausgaben wie z.B. Arbeitslosengeld steigen
sind Abweichungen von diesem Konsolidierungsweg nur im Falle „von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen“ erlaubt
kann rechtlich von einem Drittel des Nationalrats, des Bundesrats oder einer Landesregierung beim Verfassungsgerichtshof gegen eine Zielabweichung geklagt werden.
Die gesetzliche Verankerung einer Schuldenbremse – insbesondere auch der Vorschlag von Finanzministerin Fekter – ist dabei gerade aus ArbeitnehmerInnensicht aus mehreren Gründen zu kritisieren:
Gerade Konsolidierungsmaßnahmen, die von der EU-Kommission vorgegeben werden, zielen regelmäßig auf einen Rückbau sozialstaatlicher Sicherungsmaßnahmen – von Pensionen bis Gesundheitsversorgung – ab. Da Umverteilung in Österreich – siehe WIFO-Verteilungsbericht – überwiegend ausgabeseitig über sozialstaatliche Maßnahmen erfolgt, verschärfen ausgabeseitige Einsparungen die Verteilungssituation in Österreich und befördern so Ungleichverteilung mit den entsprechenden Folgen wie steigende Armut, sinkenden Haushaltseinkommen, wachsende Chancenungleichheit etc.
Zusätzlich wirkt der Passus der „verpflichtenden Umsetzung von EU-Konsolidierungsvorgaben“ in hohem Maße entdemokratisierend: ein „Automatismus“ wonach Budgetkonsolidierung entlang der Vorgaben der EU-Kommission zu erfolgen hat, raubt den nationalen, direkt gewählten Parlamenten weitestgehend Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte in der Fiskalpolitik. Budgetpolitik ist allerdings in „Zahlen gegossenen Wirtschaftspolitik“, ebenso wie Vorgaben der EU-Kommission die – wie bereits oben erwähnt – keineswegs frei von „Ideologie“ sind. Konsolidierungsautomatismen entziehen sich auch weitestgehend Begutachtungs- und Mitgestaltungsprozessen durch entsprechend legitimierter Interessensvertretungen – wie Gewerkschaften und Arbeiterkammern – was aus ArbeitnehmerInnensicht strikt abzulehnen ist.
Strikte Schuldengrenzen beeinträchtigen die staatliche Handlungsfähigkeit in Krisenzeiten und wirken in ihrer extremen Ausformung als „Schuldenbremse“ geradezu antizyklisch und krisenverstärkend. Konjunkturpakete werden ebenso erschwert – bis verunmöglicht – wie langfristige, gesellschaftlich sinnvolle und nachhaltig wirkende Investitionen, wenn diese über Schulden finanziert werden.
Die primär ausgabeseitige Orientierung zur Bewältigung der Staatsschulden im Rahmen des Finanzministeriumsentwurfes verkennt die Tatsache, dass bspw. – laut Vorsitzendem des Staatsschuldenausschussess Felderer im Profil vom 10. Oktober 2011 – die in den letzten Jahren angehäuften Schulden von 35 Mrd. Euro zu zwei Dritteln aus geringeren Steuereinnahmen und lediglich zu einem Drittel aus Konjunkturprogrammen stammen. Statt eines vermeintlich diagnostiziertem Ausgabeproblem besteht vielmehr ein Einnahmeproblem.