Gemeinsame Dringliche Resolution der Sozialdemokratische GewerkschafterInnen (FSG) und Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/ Unabhängige GewerkschafterInnen (AUGE/UG)
Hände weg von den Sozialversicherungen
Die autonomen Sozialversicherungen sind eine Errungenschaft des Sozial– und Wohlfahrtsstaates, um die aufgrund ihrer Qualität und Effizienz Österreich die ganze Welt beneidet.
Sie decken die Risiken der Krankheit, der Arbeitslosigkeit, des Unfalls und des Alters auf hohem Niveau. In der Kranken–, Unfall- und Pensionsversicherung gilt das Prinzip der sozialen Selbstverwaltung von der Beitragserhebung bis zur Leistungserbringung. Dies bedeutet, dass die Willensbildungsorgane der Versicherungsträger durch demokratische Wahl aus der Mitte der Verbands- angehörigen gebildet werden und das System durch relative Unabhängigkeit infolge Weisungsunabhängigkeit gegenüber dem Staat und finanzielle Selbst- ständigkeit geprägt ist.
Die Verwaltungskosten der Sozialversicherungsträger betragen im österreich- weiten Schnitt 2 Prozent des Gesamtaufwands, woraus folgt, dass 98 Prozent an die Versicherten an Leistungen zurückgegeben werden können. Der Ver- waltungskostenanteil der Pensionsversicherung beträgt überhaupt nur 1,5
Prozent. Demgegenüber veranschlagen private Versicherungsinstitute mit ge– schätzten 20 Prozent bis zu 25 Prozent Verwaltungsaufwand wesentlich hö– here Kosten. Der Grund für diese Diskrepanz liegt im Selbstverständnis der Systeme. Während private Versicherungsunternehmer auf Gewinn ausgerich– tet sind, folgen die öffentlich–rechtlichen Sozialversicherungsträger aus- schließlich dem Prinzip des Gemeinwohls. Ihre FunktionärInnen arbeiten in der Regel ehrenamtlich oder erhalten nur geringe Aufwandsentschädigungen.
Dennoch liegen Pläne vor, die erfolgreichen Sozialversicherungsträger nicht im Sinne der Versicherten weiterzuentwickeln, sondern in ihren Grundfesten zu schwächen. Der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt wird ein völlig un– realistisches Kostensparprogramm verordnet, das auf ihre Zerschlagung hin- ausläuft. Den Gebietskrankenkassen wiederum droht eine Zentralisierung, die länderspezifische Rücksichtnahmen nicht mehr gewährleisten kann. Die ver- fassungsrechtlich gebotene demokratische Partizipation der Versicherten – der ArbeitnehmerInnen – soll durch die aufgewertete und damit unange– brachte Mitbestimmung von Nichtversicherten – der ArbeitgeberInnen – un– terminiert werden.
Geplant ist auch, die Einhebung der Beiträge für die Sozialversicherung nicht mehr den bewährten Gebietskrankenkassen zu überantworten, sondern der Finanzverwaltung zu übertragen. Dies ist nicht nur ein massiver Eingriff in die Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger, sondern eine enorme Ge– fahr für die Finanzierungsbasis der Sozialversicherung insgesamt. Die Fi– nanzverwaltung prüft nach dem Zuflussprinzip, was der/die ArbeitnehmerIn an Entgelt tatsächlich erhalten hat. Die Gebietskrankenkasse demgegenüber untersucht nach dem Anspruchsprinzip, was dem/der ArbeitnehmerIn an Ent- gelt tatsächlich zusteht. Nicht zuletzt würde ein solcher Systembruch Lohn– und Sozialdumping massiv vorantreiben.
Die steirische Arbeiterkammer fordert die Bundesregierung auf, von ihren Plä- nen eines systembrechenden Umbaus der erfolgreichen österreichi- schen Sozialversicherung Abstand zu nehmen und vielmehr diese ge- meinsam mit den Sozialpartnern im bisherigen Sinne behutsam weiterzu- entwickeln.
Insbesondere möge sie
die Zerschlagung der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der
Gebietskrankenkassen,
die Schwächung der demokratischen Mitbestimmung der Versicherten und
die Gefährdung der Finanzierungsbasis durch Verlagerung der Bei- tragseinhebung
unterlassen.
Graz, am 5. Juli 2018
Für d. FSG Für d. AUGE/UG
Alexander Lechner Ursula Niediek