4. Änderung der österreichischen Rechtslage, sodass bei undokumentierter Arbeit nicht nur im Fall von Lohnbetrug rechtliche Schritte („Bereicherungsrechtlicher Anspruch“) gegen ArbeitgeberInnen möglich sind, sondern auch darüber hinaus Ansprüche wie auf Grund eines gültigen Arbeitsvertrages bestehen, z.B.:
a)Kündigungs- und Entlassungsschutz: Lohnentgang durch nicht eingehaltene Kündigungsfristen muss in vollem Umfang wie euch bei regulären Arbeitsverhältnissen einklagbar sein. Die Bestimmungen des besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutzes müssen auch für undokumentiert Arbeitende gelten.
b)Sozialversicherung: Zahlung oder Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch die ArbeitgeberInnen müssen für undokumentiert Arbeitende auch verwertbar sein. Bei Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen muss z.B. Kranken- und Unfallversicherung auch rückwirkend gelten. Gegebenenfalls erworbene Ansprüche auf Arbeitslosengeld müssen anerkannt und Arbeitslosengeld muss in der Folge auch beziehbar werden.
5. Arbeitsverhältnisse bzw. -verträge bei unter- oder undokumentierte Arbeit dürfen grundsätzlich nicht als nichtig erklärt werden.
6. Gesicherter Aufenthalt (vgl. NAG § 69a. „Besonderer Schutz“) für undokumentiert Arbeitende während eines laufenden arbeitsrechtlichen oder sozialrechtlichen Verfahrens! Die Durchsetzung von Rechtsansprüchen aus einem undokumentierten Arbeitsverhältnis darf nicht durch fremdenpolizeiliche Maßnahmen erschwert oder gar verunmöglicht werden.
7. Kein Ausspielen von abhängig Arbeitenden gegeneinander aufgrund von Aufenthalts- und/oder Arbeitsverhältnissen! Rechte ausbauen! Solidarität stärken!
Die AK Wien unterstützt des Weiteren den Aufbau einer Beratungsstelle für undokumentiert bzw unterdokumentiert arbeitende Menschen in Kooperation mit dem ÖGB mit dem Ziel, dass undokumentiert arbeitende Kolleg*innen ihre Ansprüche nicht nur theoretisch geltend machen können, sondern auch tatsächlich geltend machen.
Die AK Wien baut einen Wissenspool betreffend die arbeits- sowie sozialrechtliche Position von undokumentiert arbeitenden Menschen auf mit dem Ziel,…
…von Nutznießern undokumentierter oder unterdokumentierter Arbeit nachzuentrichtende Beiträge zur Sozialversicherung bzw. zur Arbeitslosenversicherung tatsächlich zur Sicherung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche der sozialrechtlichen Absicherung der betroffenen Arbeitenden in allen Sparten der Sozialversicherung zu nutzen
…Rechtswege aufzuzeigen, über die undokumentiert oder unterdokumentiert arbeitende Menschen ihre Ansprüche auf arbeits- und sozialrechtlichen Schutz durchsetzen können
…von Nutznießern undokumentierter oder unterdokumentierter Arbeit zu entrichtende Strafen tatsächlich zur Verbesserung der Rechtsposition der betroffenen Arbeitenden genutzt werden.
Lohnarbeit ohne jede Form der sozialen Absicherung und rechtlichen Regulierung, verheerende Arbeitsbedingungen und Überausbeutung bis hin zu Fällen von Lohnbetrug und Übergriffen seitens der Vorgesetzten: Das, was wie eine Beschreibung von Zuständen in Fabriken zu Beginn der Industrialisierung klingt, ist auch heute innerhalb der kapitalistischen Zentren für viele Menschen eine Realität, der sich auch Gewerkschaften stellen müssen. MigrantInnen, denen aufgrund ihres Aufenthaltsstatus der Zugang zu den formellen Sektoren des Arbeitsmarkts versperrt ist und die sich deshalb in seinen informellen Sektoren verdingen müssen, scheinen sich in einer Grauzone aus völliger Willkür und Rechtlosigkeit zu bewegen. Undokumentiertes Arbeiten – d.h. Arbeiten ohne Arbeitspapiere – betrifft sowohl Personen ohne als auch mit legalem Aufenthaltstatus in Österreich, z. B. bei StaatsbürgerInnenschaft „neuer“ EU-Länder, Aufenthaltsbewilligung durch das ordentliche Studium an einer österreichischen Hochschule, Fehlen der Beschäftigungsbewilligung aufgrund des Verschuldens der BetriebsinhaberInnen, etc.
Die soziale und rechtliche Diskriminierung undokumentiert abhängig Arbeitender machen diese jedoch nicht nur erpressbar und ausbeutbar, sie führen auch dazu, dass die sozial- und kollektivvertragsrechtlichen Standards unterminiert werden. Die Ausbeutung und rechtliche Schutzlosigkeit von undokumentiert abhängig Arbeitenden führen daher zu einer Schwächung der Position aller abhängig Beschäftigten in Österreich.
Blick nach Deutschland und in die Schweiz
Dass dem nicht so sein muss, zeigen neuere Entwicklungen beispielsweise auch Deutschland oder in der Schweiz. Dort haben Gewerkschaften gemeinsam mit NGOs an mehreren Standorten gewerkschaftliche Anlaufstellen für Menschen in prekären (Aufenthalts- und/oder) Arbeitssituationen eingerichtet, um Beratung in sozial- und arbeitsrechtlichen Belangen sowie Unterstützung bei der Durchsetzung von Rechten anzubieten. Zum Teil umfassen die Angebote auch Sprachkurse sowie Beratung zu Themen wie Wohnen oder medizinische Versorgung. In der Schweiz gibt es für undokumentiert Arbeitende nicht nur die Möglichkeit, sondern die Pflicht zur Sozialversicherung, sodass jedenfalls ein Schutz bei Krankheit oder Unfall gegeben ist. Die Rechtslage in Deutschland macht es wiederum möglich, dass undokumentiert Arbeitende nicht die leicht ausbeutbare Konkurrenz gegenüber legal Beschäftigten sein müssen. Mit Unterstützung von ver.di konnten vor dem Arbeitsgericht bereits Erfolge erzielt und damit gegenüber der ArbeitgeberInnenseite Exempel von gesamtgesellschaftlicher Relevanz statuiert werden.
Sanktionen-Richtlinie
Die EU-Richtlinie 2009/52/EG zu „Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen“ zielt – wie der Titel schon sagt – in erster Linie auf Strafmaßnahmen gegen Unternehmen ab. Sehr wohl sind die Mitgliedsstaaten aber dazu aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass sog. Drittstaatsangehörige ihre Ansprüche sowohl geltend machen können als auch tatsächlich geltend machen. Hierzu bedarf es allerdings entsprechender Strukturen: Eine niederschwellige Anlaufstelle für undokumentierte KollegInnen – d.h. KollegInnen ohne Arbeits- und/oder Aufenthaltspapiere – die über arbeits- und sozialrechtliche Themen hinausgehende Beratungskompetenzen verfügt und ggf. auch die Rechtsvertretung gegen ArbeitgeberInnen übernimmt.
Um Ansprüche erfolgreich durchsetzen zu können ist die Anwesenheit der Betroffenen während Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht im allgemeinen nicht nur eine Selbstverständlichkeit, sondern gerade in Hinblick auf die Möglichkeit der ZeugInnenaussage zentral. (Auch beide von ver.di Hamburg veröffentlichten Beispiele erfolgreicher Vertretung von undokumentierten KollegInnen belegen dies.1) Hierzu hält die EU-Richtlinie ausdrücklich fest, dass die Mitgliedsstaaten festzulegen haben, unter welchen Bedingungen die „betroffenen Drittstaatsangehörigen (…) befristete Aufenthaltstitel entsprechend der Dauer des innerstaatlichen Verfahrens gewähren können.“