Wir brauchen keinen Applaus, sondern Personal! Interview mit Klaus Brandhuber, Betriebsrat im Diakoniewerk Salzburg.

Quelle: ÖGB

„Klaus Brandhuber ist Betriebsrat im Diakoniewerk Salzburg. Wir haben mit ihm über die aktuelle Situation in der Pflege gesprochen und über seine Vorschläge, wie man die Kolleg*innen besser entlasten kann.

 

Das Pflegepersonal ist gerade in der COVID-19 Pandemie noch mehr gefordert als ohnehin schon. Wo siehst du die größten Probleme im Moment?

 

Die Themen und wachsenden Herausforderungen für Arbeitnehmer*innen, die wir im Pflegebereich derzeit sehen, sind über die Jahre stetig gewachsen. Mit der COVID-19 Pandemie werden sie noch deutlicher sichtbar. Wir warnen seit vielen Jahren, dass wir in unseren Arbeitsfeldern Problemstellungen haben, die man nicht länger aufschieben kann. Mit der Pandemie hat sich das natürlich noch verschärft.

 

Wir brauchen grundsätzlich mehr Personal in der Pflege, vor allem müssen die Dienste besser besetzt sein. In den vergangenen Jahren war genau das Gegenteil der Fall, man hat das Personal immer weiter ausgedünnt. Wir dürfen nicht länger abwarten, es braucht ein sofortiges Umdenken und Maßnahmen zur Entlastung der Kolleg*innen.

 

Viele arbeiten seit Jahren an ihren persönlichen Grenzen, in den letzten Monaten noch verstärkt. Nur, wenn wir die Rahmenbedingungen ändern, werden auch die Sozialbetreuungs- und Pflegeberufe wieder an Attraktivität gewinnen. Es braucht also viele Maßnahmen, um hier gegenzusteuern.

 

Welche Maßnahmen braucht es noch?

 

In der mobilen Betreuung und Pflege sind die Kolleg*innen sehr stark eingetaktet, also haben sie nur wenig Zeit pro Einsatz. Damit die KundInnen, die Fürsorge und Betreuung erhalten, die sie auch brauchen, ist der Zeitfaktor am wichtigsten. Das wünschen sich die Kolleg*innen in der mobilen Betreuung und Pflege, dass sie mehr Zeit haben, um auch für die Menschen da zu sein. Dazu braucht es auch klare Regelungen für eventuell anfallende Ausfallzeiten.

 

Im Moment kommt hier überall das Menschliche zu kurz. Es geht eher in die Richtung, dass man Tourenpläne möglichst kostengünstig gestaltet, so wie in Oberösterreich. Gerade im Pflege- und Sozialbereich sollte aber das Finanzielle nicht die wichtigste Grundlage für Entscheidungen über Rahmenbedingungen sein. Letzten Endes nehmen wir damit als Gesellschaft unsere Verantwortung nicht wahr.

Setzt sich das finanzielle Problem, also die Unterfinanzierung, auch bei den Gehältern fort?

 

In den letzten Jahren kommt es immer wieder vor, dass über Kollektivverträge unterschiedliche Einstufungen für Pflege- und Sozialbetreuungsberufe entstanden sind. Vor allem die Betreuung und Begleitung von Menschen mit Behinderung und für Kinder- und Jugendliche wird hier tendenziell finanziell benachteiligt. Die Auswirkungen werden wir in den nächsten Jahren zu spüren bekommen. Die Personalsituation wird sich in die gleiche Richtung entwickeln wie momentan in den Pflegeberufen.

 

Was kann man dagegen tun? Was braucht es deiner Meinung nach?

 

Wir brauchen endlich eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in allen genannten Bereichen. Dafür braucht es einen gemeinsamen Kraftakt und nicht nur Lippenbekenntnisse und leere Versprechen. Es braucht endlich eine deutliche Arbeitszeitverkürzung, ohne sich darauf auszureden, dass dann erst recht wieder das Personal fehlt. Es fehlt ja jetzt schon, weil viele aus dem Beruf ausscheiden, weil sie die Belastung auf Dauer nicht mehr aushalten.

 

Mit einer Reduzierung der Arbeitszeit und einer Aufstockung des Personals werden die ausgebildeten Fachkräfte auch länger im Beruf bleiben. Im extramuralen Bereich haben wir eine durchschnittliche Teilzeitquote um die 80%, hier gehen mit einer Arbeitszeitverkürzung keine Stunden verloren. Es gibt auch viele Kolleg*innen, die gerne mehr als nur Teilzeit arbeiten würden. Aufgrund der momentanen Dienstplanerfordernisse ist das aber für Viele momentan gar nicht möglich. Außerdem muss auch die Bezahlung deutlich erhöht werden, und zwar muss man sich da an den gut verdienenden Branchen orientieren.

 

Es kann ja nicht sein, dass ausgerechnet der Pflege- und Sozialbereich immer nur aus Gründen der „Kosteneffizienz“ ständig kaputtgespart wird. Da braucht es ein generelles Umdenken und eine höhere Wertschätzung diesem Bereich gegenüber. Diese Forderung muss für alle umgesetzt werden, die in diesen Berufen arbeiten und nicht nur für jene, die einen Diplomberuf ausüben.

 

Wir müssen uns endlich mal als Gesellschaft die Frage stellen: Wie viel ist uns das Wohl unserer Mitmenschen, die auf Hilfe und Betreuung angewiesen sind, denn wert? Nach diesem Grundsatz müssen politische Entscheidungen gefällt werden und nicht nach der Frage, wo man denn noch sparen kann, um die Kosten möglichst gering zu halten.“

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