Antrag 02 – Keine Belastungen der Arbeitnehmer*innen und der Umwelt zur Sanierung der Staatsverschuldung

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 170. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 17. Juni 2021

Antrag einstimmig angenommen

Antragsbehandlung im BAK-Vorstand

Die 170. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer wendet sich gegen die Erhöhung von
Umsatzsteuern.

Die Bundesarbeitskammer fordert die Wiedereinführung von
Vermögenssteuern und Investitionen in Transformations- und
ausgewählten Dienstleistungssektoren sowie in Beschäftigungsprogramme für jugendliche Arbeitnehmer*innen und Langzeitarbeitslose.

Neben dem unbeschreiblichen Leid der Menschen durch die Auswirkungen der
Covid 19 Pandemie kam es ab dem 2. Quartal letzten Jahres zu einem dramatischen Einbruch des Wirtschaftswachstums auf der ganzen Welt, wovon auch die österreichische Wirtschaft nicht verschont blieb. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte um 6,6 %, die Arbeitslosenquote explodierte 2020 auf 9,9 % nach 7,4 % im Jahr zuvor.

Die österreichische Bundesregierung reagierte richtigerweise mit einer Stützung der betroffenen Bereiche in Form von Direktzahlungen, Kurzarbeit, Haftungen etc. in mehr oder weniger effizienten Weise. Die dafür aufgenommenen Mittel erhöhten naturgemäß die Staatsverschuldung deutlich. Für das Jahr 2020, dem ersten Jahr der Pandemie berechnete Statistik Austria eine Staatsverschuldung von 83,9 %, für die darauffolgenden Jahre 2021 und 2022 wird die Staatsverschuldung nach Meinung der EU-Kommission weiter auf 85,2 bzw. 85,1% steigen. Gegenüber 2019 stieg die Staatsverschuldung im vergangenen Jahr um 13,4 Prozentpunkte an.

Es gibt zumindest zwei Gründe, warum man angesichts des Anstiegs der
Staatsverschuldung nicht in Panik verfallen sollte. Wenn erstens das
Wirtschaftswachstum so eintritt, wie es prognostiziert wird, dürfte die Reduktion der Staatsverschuldung kein großes Problem darstellen. Im letzten Jahr fiel das BIP- Wachstum um 8,9 %, für 2021 prognostiziert die EU-Kommission hingegen einen Anstieg von 2,0 % und für 2022 einen von 5,1 %.

Wenn sich die Covid19-Krise voraussichtlich Mitte des Jahres beruhigen wird (durch verstärkten Lockdown, höherer Durchimpfungsrate etc.), ist mit einem höheren Privaten Konsum zu rechnen. Die aufgestauten Konsumwünsche werden die Bruttoanlageinvestitionen der Unternehmen ankurbeln, die ebenfalls ansteigen werden, falls sie nicht schon in Antizipation eines möglichen Aufschwungs gestiegen sind. Diese wichtigen BIP Komponenten werden zusammen mit anderen aus der wirtschaftlichen Covid19-Krise herausführen können. Insofern werden wieder höhere Einkommen erzeugt, die sich wiederum in höheren Steuereinnahmen niederschlagen, wodurch die gestiegenen Staatsschulden bedient bzw. reduziert werden können.

Daneben gibt es ein zweites Moment, welches hilft, die Staatschulden zu reduzieren. Das sind die derzeit niedrigen Zinssätze, die die Republik Österreich für die Aufnahme von Staatschulden auf den Finanzmärkten bezahlen muss. Seit Mitte 2019 liegt die umlaufgewichtete Durchschnittsrendite für bei Bundesanleihen konstant unter 0 %, d.h. Investoren bezahlen dafür der Republik Österreich Geld zu leihen.

Durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (easy money) ist für die
nächsten Perioden nicht zu erwarten, dass es zu einer Zins- bzw. Renditeerhöhung der Bundesanleihen kommen wird. Das hat zur Konsequenz, dass der Primärsaldo weiter positiv sein wird, was wiederum den Abbau der Staatsschulden zusätzlich vorantreiben wird. Der Rückgang der Staatschulden von 2015 bis 2019 lässt sich zum Großteil ebenfalls auf diese Phänomene zurückführen.

Mittlerweile werden Stimmen laut, die z.B. nach Steuererhöhungen rufen oder für vermeintlich privilegierte Gruppen (den Beamt*innen! Pensionist*innen!) Reduktionen deren Bezüge vorschlagen (vgl. Haller, Falter 43/80).

Einer Erhöhung der Umsatzsteuer, die zum überwiegenden Teil die arbeitende
Bevölkerung sowie die Pensionist*innen betreffen würde, muss entschieden
entgegen getreten werden. Die Einkommen gerade der Niedrigverdiener*innen und der prekär Beschäftigten ist im letzten Jahr deutlich gesunken. Dieser Effekt ist insbesondere durch die geringeren Einkommen durch die Kurzarbeit, aber auch durch den dramatischen Anstieg der Anzahl der Arbeitslosen hinreichend
dokumentiert. Zudem würden diese Maßnahmen die Kaufkraft entscheidend
schwächen und dadurch das notwendige Wirtschaftswachstum deutlich reduzieren.

Die Arbeitslosigkeit ist im letzten Jahr durch den Ausbruch der Covid19 Pandemie massiv angestiegen. Die Anzahl der Arbeitslosen belief sich 2020 auf 409.639 Personen, diejenigen Personen, die Schulungen besuchten auf 57.107. Insgesamt ergibt das eine Anzahl von 466.746 Personen. Verglichen mit dem
Arbeitskräftepotential (Unselbständig Beschäftigte, Arbeitslose) von 4,126.803 ergibt das eine Arbeitslosenquote von 11,3 % (ohne Schulungsteilnehmer*innen 9,9 %, das wird als sog. Registerquote bezeichnet). Das ergibt die höchste Anzahl von Arbeitslosen und die höchste Arbeitslosenquote seit dem Ende des 2. Weltkrieges.

Die aktuell hohe Arbeitslosigkeit kann nicht mit üblichen Konjunkturprogrammen gesenkt werden. Dazu benötigt es massiver Beschäftigungsprogramme, insbesondere für jugendliche Arbeitsnehmer*innen aber auch Langzeitarbeitslose. Das kann nur durch massive Investitions- und Beschäftigungsprogramme insbesondere in nachhaltige Industriesektoren, die einer Transformationsstrategie folgen, in der es zu einem Stopp beim Abbau von natürlichen Ressourcen kommt. Zudem soll in Dienstleistungssektoren investiert werden, in denen es einen enormen Nachholbedarf hat, wie z.B. im Sozialbereich, in der Pflege, der Bildung aber auch im medizinischen Sektor als Vorbeugung für kommende Pandemien.