Resolution 02 / Für eine solidarische, lebenslagen- und bedarfsorientierte Grundsicherung

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen

zur 166. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 29. November 2018

Antrag mehrheitlich zugewiesen
FSG, FA: für Zuweisung
ÖAAB: nein

Antragsbehandlung im Vorstand

Die 166. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer fordert die Umgestaltung der bedarfsorientierten Mindestsicherung in eine solidarische, bedarfs- und lebenslagenorientierten Grundsicherung, die sicherstellt, dass Menschen ohne ausreichendes Einkommen gegen Armut abgesichert sind.
Die Grundsicherung ist Ergänzung zu bestehenden sozialen Sicherungssystemen und nicht Ersatz. Sie schließt Lücken in unserem Sozialsystem und sichert einerseits finanzielle Leistungen wie z.B. aus der Arbeitslosenversicherung nach unten ab. Andererseits stellt sie sicher, dass auch Menschen, die aufgrund ihres vorhergehenden Beschäftigungsstatus im gegen Risken der Erwerbsarbeitslosigkeit nicht bzw. unzureichend versichert sind – insbesondere atypisch und/oder prekär Beschäftigte – vor Armut geschützt werden.
Eine solidarische, bedarfs- und lebenslagenorientierte Grundsicherung muss folgende Rechtsansprüche beinhalten, um nachhaltig Auswege aus persönlichen Problem- und Notlagen zu gewährleisten und Perspektiven auf gesellschaftliche und berufliche Teilhabe zu ermöglichen:

  • Einen Anspruch auf individuelle Beratung, Betreuung und Begleitung bei der Überwindung von Problemlagen.
  • Einen Anspruch auf Ausbildung und Qualifikation bei sozialer Absicherung.
  • Einen Rechtsanspruch auf gesundheitliche und berufliche Rehabilitation.
  • Einen Anspruch auf Information über alle, einem Menschen zustehenden Rechte und Möglichkeiten sowie auf Unterstützung und Durchsetzung der Rechte (Sozialanwaltschaft).
  • Individuelle finanzielle Absicherung für die Zeit der Lösung individueller Problem- und Notlagen inklusive Beratung und Betreuung.
  • Eine Rechtsanspruch auf die finanziell abgesicherte und zeitlich begrenzte Inanspruchnahme von Auszeiten (Karenzen) zur beruflichen Neu- und Umorientierung, für Weiterbildung und Qualifikation, zur Burn-Out-Prävention, für Pflege und Betreuung sowie als Sabbatical.

Die finanzielle Absicherung hat in einem ersten Schritt zumindest in Höhe der Ausgleichszulage zu erfolgen, mit dem Ziel, die Ausgleichszulage zumindest auf Armutsgefährdungsschwelle anzuheben.
Eine umfassende Grundsicherung hat zusätzlich einen freien, niederschwelligen und solidarisch finanzierten Zugang zu Gesundheitsleistungen, Bildungs- und Weiterbildungsangeboten sowie Pflege und sozialen Diensten sicherzustellen.

Für Herbst 2018 hat die österreichische Bundesregierung eine Reform der Mindestsicherung angekündigt. Diese sieht u.a. eine Kürzung bei unzureichenden Deutschkenntnissen sowie eine Senkung der Kinderzuschläge vor. Mit dieser „Reform“ werden nicht Schwächen in der Mindestsicherung beseitigt – wie etwa die unzureichende Absicherung gegen Armut, die mangelnde Lebenslagenorientierung, die niedrigen Vermögensverwertungsgrenzen, fehlende Unterstützungs-, Betreuungs- und Bildungsangebote – sondern im Gegenteil sogar verschärft.
Die Mindestsicherung muss tatsächlich dringend reformiert werden, da sie in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nur bedingt Schutz vor Armut und Hilfe aus einer individuellen Problem- bzw. Notlage bietet.
Eine reformierte Mindestsicherung – in Form einer solidarischen bedarfs- und lebenslagenorientierten Grundsicherung muss darauf abzielen, Menschen in alle Lebens- und Problemlage jene Hilfe und Unterstützung zu bieten die sie benötigen, um wieder selbständig und vollständig am sozialen, gesellschaftlichen und beruflichen Leben teilhaben zu können.
Sie muss dabei auch Antworten auf die Veränderungen in der Arbeitswelt geben und vorhandene Lücken im bestehenden Sozialsystem schließen, wie z.B.:

  • Fehlende Rechtsansprüche: Auf viele wesentliche Elemente des Sozialsystems gibt es kein ‚Recht‘ wie z.B. gesundheitliche Rehabilitation bei Kindern, Hausfrauen- und männern oder PensionistInnen, Ausbildung und Qualifikation bei AMS oder Mindestsicherungsbezug oder ein Recht auf Betreuung und Beratung in besonderen Lebenslagen (familiäre Probleme, Behinderung, Schulden, Wohnungsprobleme, beruflicher Umorientierung …)
  • Prekäre, atypsiche und wechselnde Beschäftigungsverhältnisse: An die 300.000 Menschen sind von regelmäßig wechselnden Erwerbsverhältnissen betroffen: angestellt, in befristeten Projekten tätig, freiberuflich, oft nicht ausreichend sozial abgesichert. Sie fallen regelmäßig in die Lücken des Systems.
  • Mangelhafte finanzielle Absicherung bei persönlichen Not- bzw. Problemlagen, die eine bestimmte Zeit zur Lösung, sowie für Beratung, Betreuung und Unterstützung in Anspruch nehmen wie etwa zur Lösung familiärer Probleme, bei Gesundheitsproblemen, bei beruflicher Um- bzw. Neuorientierung, Überwindung von Wohnungslosigkeit, Ausbildung und Qualifikation …

Es geht nicht darum das österreichische Sozialsystem grundsätzlich zu ändern, sondern bestehende Mängel, die unnötige soziale Härten, Verunsicherung und Perspektivenlosigkeit erzeugen können, zu beheben. Gleichzeitig würde eine solidarische Grundsicherung die bedarfs- und lebensphasenorientiert ist, je nach Alter, Problemlagen und Bedürfnissen Chancen auf Bildung, Neuorientierung und aktiver, gesellschaftlicher Teilhaben garantieren ohne stigmatisierend zu wirken und sofort auf Ersparnisse zuzugreifen.

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