der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 170. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 17. Juni 2021
Antrag mehrheitlich abgelehnt
Die 170. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:
Die Bundesarbeitskammer bekennt sich zur Klimahauptstadt Wien und fordert die Stadt Wien auf, umgehend die Pläne für die sogenannte „Stadtstraße“ und den Lobautunnel fallen zu lassen.
Die Bundesarbeitskammer setzt sich im Namen der Arbeiternehmer*innen und Anrainer*innen gegen weitere Lärm-, Verkehr- und Feinstaubbelastung in Wien ein und stellt sich gegen den Bau der sogenannten „Stadtstraße“ und den Lobautunnel.
Die Bundesarbeitskammer erarbeitet ein Konzept, wie man 460 Millionen für
eine Joboffensive nutzen kann, die nachhaltige Jobs fördert, die die
Mobilitätswende zum Ziel hat und das Klima schützt.
Mitte April wurden im Mobilitätsausschuss des Gemeinderates der Stadt Wien die Mittel für die Stadtstraße, eine Verbindung zwischen dem Stadtentwicklungs-gebiet Aspern und der Südosttangente, bewilligt. Damit hat die Stadtregierung ganze 460 Mio. € für den Bau der vierspurigen, autobahnähnlichen “Stadtstraße” in Aspern freigegeben. Neben vielen Stadtbewohner*innen, Anrainer*innen und Umwelt-NGOs meldeten sich auch viele Expert*innen und Wissenschafter*innen aus den Bereichen Verkehrs-, Klima- und Politik-wissenschaften zu Wort.
Großteil der Wiener*innen ist umweltschonend mobil
60% der Wiener*innen fahren selten oder nie mit dem Auto. Das belegen Zahlen der Statistik Austria (Mikrozensus 2019). Wenn diese Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, steht ihnen aber nur ein Drittel der Verkehrsflächen in Wien zur Ver-fügung. Bislang gibt es keine angekündigten Maßnahmen, dieses
Ungleichgewicht zu beseitigen.
52,3% der Wiener*innen über 15 Jahren lenken höchstens einmal pro Monat ein
Auto. Das sind über 820.000 Menschen, die im Alltag umweltschonend mobil sind: zu Fuß, mit dem Rad und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Hinzu kommen noch jene unter 15 Jahren, die kein Auto lenken dürfen. Das sind insgesamt 1,1 Millionen Menschen, deren Bedürfnisse hier ignoriert werden. 93,2% legen mehrmals pro Woche Wege zu Fuß zurück, 21,8% fahren täglich oder mehrmals wöchentlich mit dem Rad.
Leider bleiben auch Maßnahmen zur Stärkung der aktiven Fortbewegungsmittel trotz Budgeterhöhung aus. Die Stadtregierung stoppt laufende Umgestaltungen. Bereits akkordierte Projekte, wie die Praterstraße und die Reinprechtsdorfer Straße, wurden abgebrochen und vielen Bezirken werden Mittel zur Verkehrs-beruhigung vorenthalten. Übrig bleibt ein Festhalten am autozentrierten Status Quo und kosmetische Begrünungsmaßnahmen. Die Zahlen der Statistik Austria belegen, dass mit dieser Politik an 60% der Wiener*innen vorbeiregiert wird.
Begrünung alleine reicht nicht, um die CO2-Emissionen zu reduzieren
Im Wahlkampf warb man noch mit großen Ankündigungen zum Radwegeausbau
und im Koalitionsabkommen bekennt sich Rot-Pink zu einer fairen Neuverteilung des öffentlichen Raums. Man wolle Wien zur Klimamusterstadt machen. Bisher handelt es sich dabei nur um leere Worthülsen, zu denen keine konkreten Maßnahmen angekündigt wurden. Begrünung allein reicht nicht aus, um die CO2-Emissionen im Verkehr zu reduzieren.
Massive Kritik an sogenannter „Stadtstraße“ und Lobautunnel von
Expert*innen
Allein schon die Bezeichnung als „Stadtstraße“ sei irreführend, sagt Hermann
Knoflacher, emeritierter Professor am Institut für Verkehrswissenschaften (TU
Wien). Tatsächlich handle es sich um „eine vom lebenden Organismus der Stadt
weitestgehend getrennte vierspurige Fahrbahn“, wie er in einer Stellungnahme des Wissenschafts-netzwerkes Diskurs ausführte. Schon in den 1970er-Jahren sei bei der geplanten Gürtelautobahn versucht worden, mit dem Begriff
„Hochleistungsstraße“ die Bevölkerung zu „täuschen“. Nach deren Widerstand habe die sozialdemokratische Regierung 1972 das Vorhaben gestoppt.
Laut Knoflacher „eine kluge und weitblickende Entscheidung für die Stadt Wien“.
Knoflacher übte in der jüngeren Vergangenheit auch immer wieder Kritik am geplanten Lobautunnel und plädiert stattdessen für eine flächendeckende
Parkraumbewirtschaftung, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Maßnahmen für den Rad- und Fußgängerverkehr.
Auch Barbara Laa, Verkehrswissenschafterin an der TU Wien, sagt: „Es ist
erschreckend, dass Politiker immer noch mit dem Versprechen der Verkehrs-entlastung solche kontraproduktiven Megaprojekte forcieren. In der Fachwelt ist das Phänomen des ‚induzierten Verkehrs‘ längst bekannt: Mehr Straßen führen zu mehr Autoverkehr.“
Klimaziele werden gefährdet!
Die Auswirkungen der sogenannten “Stadtstraße“ auf das Klima wären verheerend. Helga Kromp-Kolb, emeritierte Professorin am Institut für Meteorologie und Klimatologie (Boku), verwies darauf, dass die übergeordnete Verkehrsplanung in Wien vor Festlegung der jetzt gültigen Klimaziele erfolgt sei. „Bevor weitere Beschlüsse zur Umsetzung dieses Verkehrs-planes getroffen werden, sollte das gesamte Konzept auf seine Verträglichkeit mit den Klimazielen überprüft werden.“
Für Laa ist es verantwortungslos, „dass mitten in der globalen Klimakrise diese
immensen Summen für den Bau von neuen Schnellstraßen in Wien – teilweise sogar in Naturschutz-gebieten -aufgebracht werden sollen. Der Bau würde über Jahrzehnte hinweg zu einem höheren CO2-Ausstoß führen.
Politikwissenschaftler Mathias Krams von der Universität Wien ist davon überzeugt, dass die Stadtstraße nicht geeignet sei, um die in den Entwicklungsstrategien enthaltenen Ziele der Reduktion der Pkw-Pendlerinnen- und Pendler, der Verschiebung des Modalsplits und der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Vielmehr stehe sie diesen diametral dagegen.
Er mahnt: „Um die Ziele in den Stadtentwicklungsstrategien zu erreichen, muss
stetiges Verkehrswachstum hinterfragt und diesem mit einem umfassenden
nachhaltigen Mobilitätsmanagement entgegengewirkt werden – das Projekt der
‚Stadtstraße‘ Aspern setzt hier genau die falschen Anreize. Der Wiener Gemeinderat erweist sich damit auf dem Weg zur ‚Klimamusterstadt‘ einen schwer revidierbaren Bärendienst.
Das „Großprojekt aus Alt-Betonzeit“, wie Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS den Lobautunnel nennt, schade Natur und Wirtschaft, führe zu mehr statt zu weniger Verkehr und konterkariere das Klimaziel, Österreich bis 2040 CO2-neutral zu machen.
FWU, Bürger*inneninitiativen, VIRUS sowie der WWF fordern daher einen Planungsstopp und ein alternatives Paket für den öffentlichen Verkehr. Die Bundesarbeitskammer schliesst sich an und ist bereit, an einem alternativen Plan mitzuarbeiten. Denn eines ist klar: Ein Konzept von 460 Millionen für eine Joboffensive, das nachhaltige Jobs fördert, die Mobilitätswende zum Ziel hat und das Klima schützt bringt der Stadt Wien und ihren Arbeitnehmer*innen langfristig viel mehr, als eine weitere zubetonierte Lärm-, Verkehrs-, Feinstaub- und Klimabelastung.