Antrag 7 / Befristete Dienst- und Beschäftigungsverhältnisse – Umsetzung und Anwendung der EU-Richtlinie

Die Bestimmungen der EU-Richtlinie für befristete Arbeitsverhältnisse sind auf die Praxis der Beschäftigung bei Städten und Gemeinden sowie der ausgegliederten Unternehmen, Vereine, Fonds und Anstalten öffentlichen Rechts hin zu überprüfen. Es sind gewerkschaftliche und rechtliche Maßnahmen zu ergreifen, damit diese EU-Richtlinie nicht umgangen wird.

Alle Dienstverhältnisse bei österreichischen Städten und Gemeinden sowie bei allen ausgegliederten Unternehmen, Vereinen und Fonds, die nicht genau allen Kriterien einer Saison- bzw. Aushilfsarbeit entsprechen, alle Werkverträge und freien Dienstverträge, die auch nur ein Kriterium eines solchen Umgehungsvertrags enthalten, sind in so genannte normale Dienstverhältnisse (öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, Vertragsbedienstete sowie privatrechtliche Normalarbeitsverhältnisse nach ÖGB-Definition) umzuwandeln.

Die 156. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien erinnert die öffentlichen Dienstgeber nachdrücklich an ihre soziale Verpflichtung und an die Verpflichtung, das EU-Recht im Interesse der/ihrer Bediensteten ernst zu nehmen. Die EU-Richtlinie geht vom Grundsatz aus, dass das Normalarbeitsverhältnis unbefristet ist bzw. sein sollte und dieser Grundsatz muss auch von den öffentlichen Dienstgebern und den ausgegliederten Unternehmen, Vereinen, Fonds und Anstalten öffentlichen Rechts umgesetzt werden.

Begründung:
Wie von der Arbeiterkammer aus Anlass einer EuGH-Entscheidung betreffend der Klage von griechischen Beschäftigten bei einem ausgegliederten Unternehmen (EUGH-Urteil vom 4. Juli 2006 zur Sache „aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Sektor“) bereits 2006 festgestellt wurde, sind auch die Bestimmungen zu befristete Dienst- und Beschäftigungsverhältnissen in verschiedenen Dienstrechten der österreichischen Gebietskörperschaften sehr fragwürdig.
In der Wiener Vertragsbedienstetenordnung (Landesgesetz; gilt analog in der Dienstordnung) §2 Abs. 5 ist zu befristeten Dienstverhältnissen folgendes geregelt:
„ Ein Dienstverhältnis, das auf bestimmte Zeit eingegangen worden ist, kann nur einmal auf bestimmte Zeit, und zwar höchstens um ein Jahr, verlängert werden; dies gilt nicht, wenn das Dienstverhältnis auch der gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildung zum Erwerb einer Berufsberechtigung dient oder in einem Sondervertrag nach § 54 eine uneingeschränkte befristete Verlängerungsmöglichkeit vereinbart wurde. Wird das Dienstverhältnis über den Verlängerungszeitraum hinaus fortgesetzt, so gilt es von da ab als von Anfang an auf unbestimmte Zeit eingegangen.“
§ 54 W-VBO lautet: „In Ausnahmefällen können im Dienstvertrag Regelungen getroffen werden, die von diesem Gesetz abweichen. Solche Dienstverträge sind als Sonderverträge zu bezeichnen und bedürfen der Genehmigung der gemeinderätlichen Personalkommission und des für Personalangelegenheiten zuständigen Gemeinderatsausschusses.“

Gerda Heilegger (Abt. Sozialpolitik der AK Wien) hat in ihrem ExpertInnen-Kommentar in der infas 6/2006 Seite 188 – 190 entsprechend darauf verwiesen. Sie kommt zu folgendem, sich aus dem Urteil ergebenden, Schluss:

„Es stellt sich die Frage, ob bei näherer Prüfung unsere Rechtslage den europarechtlichen Vorgaben standhalten würde. Es gibt im österreichischen Recht keine generelle gesetzliche Regelung der Zulässigkeit von Kettenarbeitsverträgen. Die Judikatur verlangt jedoch, wie gezeigt, in ständiger Rechtssprechung den Nachweis einer sachlichen Rechtfertigung. (…)

In einzelnen Spezialgesetzen finden sich jedoch unterschiedliche, explizite Regelungen von Befristungen. So beispielsweise (…) im öffentlichen Dienstrecht, etwa für Vertragsbedienstete […§2 Abs 5 Wr. VBO1995]

(…)Die gesetzliche Normierung einer Befristung stellt für sich alleine noch nicht ihre sachliche Rechtfertigung dar. Zusätzlich müssen sachliche Gründe vorliegen, die mit der Art der Tätigkeit und ihrer Ausübung zusammenhängen, bzw. muss das innerstaatliche Recht andere effektive Maßnahmen vorsehen, um den Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern. Dies wird im Einzelfall zu prüfen sein.“

Die betreffende EU-Richtlinie (Richtlinie 1199/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 – gilt seit Juli 2001 als nationales Recht in Österreich, weil nicht umgesetzt wurde – und entsprechenden EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge) ist bereits seit Jahren in Kraft.
Die EU-Richtlinie für befristete Arbeitsverhältnisse schreibt nicht nur Einschränkungen bei der Verlängerung der Befristungen und bei der Dauer von befristeten Arbeitsverhältnissen (maximal 2 Jahre, da sonst auf einen dauernden Bedarf des Unternehmens geschlossen werden kann) vor, sondern enthält auch Schutzbestimmungen für ArbeitnehmerInnen (objektive Gründe müssen für die Befristung vorliegen – z.B. Vorübergehende Ersetzung eineR ArbeitnehmerIn (Vertretung); Ausführung provisorischer Arbeiten; Zeitweilig gehäufte anfallende Arbeit; Begrenzte Dauer in Zusammenhang mit Bildung oder Ausbildung; Vertragserneuerung mit dem Ziel, den Übergang der/des ArbeitnehmerIn zu einer verwandten Beschäftigung zu erleichtern; Zur Verwirklichung eines konkreten Werkes oder Programms; Mit einem konkreten Ereignis zusammenhängend etc.).

Die betreffende EU-Richtlinie für befristete Arbeitsverhältnisse ist nur ein Mindeststandard. Der/die DienstgeberIn wird daher dringend aufgefordert, endlich umfassende Schutzbestimmungen im Sinne des EU-Rechts und der betreffenden EU-Richtlinie einzuführen!

Uns ist bereits in mehreren Fällen bekannt, dass diese (Schutz-)Bestimmungen laut EU-Recht von der Gemeinde Wien und ihren ausgegliederten Betrieben, Unternehmen und Fonds, sowie Anstalten öffentlichen Rechts nicht eingehalten werden.
Nur wo kein Kläger da kein Richter – bis jetzt!

Ein konkreter Fall im Fonds Soziales Wien: Das Dienstverhältnis eines Beschäftigten, der sogar Betriebsrat und Personalvertreter war, der einen zweimalig befristeten Sondervertrag hatte (auf jeweils 5 Jahre!), wurde nach Auslaufen der zweiten Befristung nicht verlängert geschweige denn in ein unbefristetes Vertragsbediensteten-Verhältnis umgewandelt, obwohl seine Tätigkeit weiter bestand und danach einfach jemand neues für die gleiche Tätigkeit angestellt wurde. Abgesehen davon, dass die Art dieser Befristung laut EU-Recht als rechtwidrig beurteilt werden kann, liegt die Vermutung nahe, dass man den Betroffenen aufgrund seiner Tätigkeit als Arbeitnehmervertreter aus dem Unternehmen entfernen wollte. Derzeit läuft ein Gerichtsverfahren am ASG in Wien, das dem betreffenden Kollegen in erster Instanz Recht gab. Die Gemeinde Wien hat natürlich berufen und das Verfahren kommt nun in die zweite Instanz.

Fahler Beigeschmack in dieser Sache ist leider, dass zuerst die GdG-KMSfB und dann auch die Arbeiterkammer Wien eine Rechtsvertretung des Kollegen, auch nach, wie oben in diesem Antrag argumentierten Einspruch unsererseits, gegen die erste Ablehnung des Rechtsansuchens, abgelehnt hat. Warum diese Ablehnung bei einer unserer Ansicht nach eindeutigen Rechtslage erfolgt ist, können wir nicht nachvollziehen.

Nichts desto trotz könnten zukünftig solcherlei Fälle vielleicht auf Grundlage einer klareren, dem EU-Recht entsprechenden Rechtslage besser entschieden werden. Ein Einsatz der Arbeiterkammer in Richtung rechtlich-konformer Regelungen im Dienstrecht dahingehend, wäre eine Notwendigkeit und ein wichtiges Signal für die Vertretung der betreffenden Arbeiterkammer-Mitglieder, insbesondere auch in den ausgegliederten Bereichen und Unternehmen der Stadt Wien!

Download: AUGE07 Befristungen_Umsetzung_EU-Richtlinie