Antrag 12 / Keine Beschränkung der Kostenübernahme bei Psychotherapie

 

In über 300 Studien in Deutschland, der Schweiz und den USA wurden wissenschaftliche Nachweise erbracht, dass Psychotherapie nicht nur einen beträchtlichen Nutzen für die Gesundung und Gesunderhaltung der PatientInnen sondern auch eine beträchtliche Kostenersparnis für das Gesundheitswesen bringt.
Die Ersparnis durch Psychotherapie bei Spitalsaufenthalten, Krankenständen, Ärztin/Arzt- und Medikamentenkosten sowie Arbeitslosigkeit und Invaliditätspension ist nachgewiesen und beträgt zwischen Euro 4.000,- und Euro 8.000,- im Durchschnitt.

Zahlreiche, ältere und neue Studien belegen, dass Psychotherapie auch präventiv wirkt und die Kosten im Gesundheitswesen mittel- und langfristig senkt. Insbesondere für den Bereich Angst, Depression, Burnout, Psychosomatik aber auch bei Psychosen und schweren Persönlichkeitsstörungen sind erhebliche Kosteneinsparungen durch Psychotherapie möglich, vor allem durch Reduktion der Spitalsaufenthalte, Medikamentenkosten und Krankenstände. Daher ist es nicht einzusehen, dass diese Behandlungsmethode der medizinischen nicht gleichgestellt ist.

Die von Dührssen und Jorswieck 1965 (!) veröffentlichte Studie über die Kosten-Nutzen Bewertung psychoanalytischer Behandlung war historisch gesehen ein wichtiges fachliches Argument für die Einführung der analytischen Psychotherapie als Kassenleistung. Diese Studie zeigte, dass Menschen nach im Durchschnitt 100 Sitzungen in ihren Krankenstandstagen deutlich unter den Durchschnitt der allgemeinen Bevölkerung absanken.

Jürgen Margaf (2009) zeigt in seinem Buch „Kosten und Nutzen der Psychotherapie“ eine detaillierte Auswertung aller Originalarbeiten der letzten 10 Jahre zu Kosten und Nutzen ambulanter Psychotherapie. Insgesamt konnten 54 Studien mit 13.000 PatientInnen aus den wichtigsten Indikationsbereichen identifiziert werden. Dabei wurden in 95% der einschlägigen Studien eine bedeutsame Kostenreduktion durch Psychotherapie festgestellt, in 86% der entsprechenden Studien zeigte sich zudem eine Netto-Einsparung (positives Kosten-Nutzen-Verhältnis). Dieser Effekt wird in der Regel bereits nach ein bis zwei Jahren erreicht und beruht vor allem auf zeitlich stabilen Kostenreduktionen bei den stationären Leistungen und Arbeitsausfallkosten. In 76% der diesbezüglichen Studien war Psychotherapie gegenüber medikamentösen Strategien überlegen bzw. erbrachte einen signifikanten Zusatznutzen. Psychotherapie ist demnach nicht nur wirksamer, sondern auch billiger als keine Therapie. Während die Rückfallraten der medikamentösen Therapie bei Depressionen oder Angststörungen bereits nach kurzer Zeit bei 60-80 liegen, betragen diese Werte bei kognitiver Verhaltenstherapie maximal 20-30%. Bei schweren Phobien oder Panikstörungen sind die Rückfallraten der Verhaltenstherapie noch deutlich niedriger.
¬Gesundheit ist für die meisten Menschen das höchste Gut. Im Zusammenhang mit medizinischen und insbesondere potenziell lebensrettenden Maßnahmen werden daher in der Regel Mehrkosten a priori nicht ausgeschlossen, sondern es wird z.B. mit Akzeptanzkurven für Kosten und Nutzen operiert. Es gibt keinen Grund, die Behandlung psychischer Krankheiten an anderen Standards zu messen. Auch hier dürfen nicht nur Einsparungen als Kriterium dienen, sondern es müssen ebenso Wirksamkeit, Qualität und Solidarität (keine Sonderbehandlung der psychisch Kranken bzgl. Kosteneffektivität) angemessen berücksichtigt werden. Dazu sei nur das Beispiel der mehr als doppelten Lebenserwartungs-Steigerung bei gleichzeitig höherer Lebensqualität durch Psychotherapie bei metastasierenden Brustkrebspatientinnen angeführt (Spiegel-Studien).
Studienbeispiele:
Burnand et al. (2002) zeigte eine Überlegenheit einer kombinierten Behandlung mit Psychotherapie und Antidepressiva gegenüber einer reinen Therapie mit Medikamenten hinsichtlich Symptombesserung, Remissionsraten und psychosozialer Anpassung; in dieser Studie führte die Kombinationstherapie auch zu signifikant weniger krankheitsbedingten Fehltagen.
Wiborg und Dahl (1996) war in einem follow-up nach 9 Monaten die psychodynamische Therapie in Kombination mit Clomipramin (Antidepressiva) im Hinblick auf die Remissionsraten von PatientInnen mit Panikstörungen wirksamer als Clomipramin allein.  
Bateman & Fonagy (1999; 2001; 2003) konnten nachweisen, dass die Behandlung von PatientInnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen durch (teilstationäre) psychoanalytisch begründete Psychotherapie der üblichen Standardbehandlung signifikant überlegen ist. Die deutliche Überlegenheit erwies sich selbst fünf Jahre nach Behandlungsende als stabil (Bateman & Fonagy 2008). In einer weiteren Studie belegten Bateman & Fonagy (2009), dass auch rein ambulant durchgeführte psychoanalytisch begründete Psychotherapie im Vergleich mit einer intensiven strukturierten klinischen Versorgung eine signifikante Überlegenheit bei der Behandlung von PatientInnen mit Borderline-PS aufweist.  
Bachar et al. (1999) erwies, dass die psychoanalytisch begründete Psychotherapie sowohl im Vergleich mit kognitiver Verhaltenstherapie (KGT) als auch mit Ernährungsberatung signifikant überlegen in der Behandlung von Patientinnen mit Bulimia nervosa und Anorexia nervosa ist. Während die allgemeine Symptombelastung sich in beiden Psychotherapieformen verbesserte, erwies sich eine Überlegenheit psychoanalytisch begründeter Psychotherapie in den Einstellungen zu Essen und Gewicht sowie im Selbstkonzept. Am Behandlungsende erfüllten nur noch 36% der Patientinnen mit psychoanalytisch begründeter Psychotherapie die Störungskriterien, im Vergleich zu 83% der KVT-Patientinnen und 86% der Patientinnen mit Ernährungsberatung. Psychoanalytisch begründete Psychotherapie zeigte also im in Hinblick auf die klinische Signifikanz eine deutliche Überlegenheit im Vergleich zu den Alternativbehandlungen.

Quelle: http://www.voepp.at/mitglieder/fachartikel/ (Bartuska)