Antrag 1 der AUGE/UG an das Bundesforum der GPA-djp von 3. bis 5. November 2010

Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich in den letzten dreißig Jahren dramatisch angestiegen.1980 waren 53.161 Personen arbeitslos gemeldet, 2009 wurde mit 260.309 Personen (Jahresdurchschnitt) der absolute Höchststand seit Ende des 2. Weltkrieges vermeldet. Gegenüber 1980 entspricht das einer Verfünffachung der Arbeitslosen. Die Anzahl der unselbständig Beschäftigte stieg im Vergleichszeitraum hingegen nur um 21 %.

Die Jubelmeldungen über die niedrigsten Arbeitslosenraten Österreichs in der EU können über das Arbeitslosenproblem nicht hinwegtäuschen. Die Arbeitslosenrate der EU (Labour Force Konzept). Als arbeitslos gelten in diesem Sinne Personen, die innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Arbeit aufnehmen können, und während der vier vorhergehenden Wochen aktiv eine Arbeit gesucht haben, oder bereits eine Stelle gefunden haben und diese in maximal drei Monaten antreten.

In Österreich wird seit den Ende des Zweiten Weltkrieges eine zweite Arbeitslosenrate berechnet: die sog. Registerquote. Dabei werden alle beim AMS arbeitslos gemeldeten Personen als Anteil am sog. Arbeitskräftepotential (arbeitslos Gemeldete und unselbständig Erwerbstätige) berechnet. Addiert man zu den arbeitslos gemeldeten noch diejenigen Personen, die in Schulung sind und setzt sie als Anteil zum Arbeitskräftepotential, so erhält man eine Quote, die als (inoffizielle) „Registerquote plus“ bezeichnet werden kann. In der untenstehenden Grafik sind alle drei Arbeitslosenraten abgebildet.
D.h. nach die sog. Registerquote plus erreichte 2009 knapp 9 %, d.i. um fast vier Prozentpunkte mehr als die offizielle EU-Arbeitslosenrate.

Arbeit ist auch in Zeiten der Krise höchst ungleich verteilt. So arbeiteten im 3. Quartal
2009 Vollzeit arbeitende Männer nach wie vor durchschnittlich 42,9 Wochenstunden (2008: 43,1), Vollzeit beschäftigte Frauen 41,2 Wochenstunden (2008: 41,4 Stunden, Daten: Statistik Austria). Auch die durchschnittlichen Arbeitszeiten (Voll- und Teilzeit) haben sich kaum verändert: Männer arbeiteten im 3. Quartal 2009 durchschnittlich 41,1 Wochenstunden (2008: 41,4), Frauen 32,6 Wochenstunden (2008: 32,9). Eine deutliche Verschiebung hat es im Zuge der Krise von Voll- zu Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen gegeben: So ist die Teilzeitquote von 4/2008 23,6 % bis 3/2009 einmal mehr auf 24,1 % gestiegen. Verglichen mit dem zweiten Quartal 2008 sind bis zum zweiten Quartal 2009 54.500 Vollzeitstellen abgebaut worden. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit auf rund 400.000 Arbeitslose zu Beginn des Jahres 2010 gestiegen.

Höchst ungleich verteilt ist bezahlte und unbezahlte Arbeit nicht nur zwischen in Erwerbsarbeit stehenden und Arbeitslosen, sondern auch zwischen Männern und Frauen. Die Krise hat allerdings gleichzeitig auch bewiesen, dass Arbeitszeitverkürzung – etwa durch Kurzarbeit und Bildungskarenzen – auch Arbeitsplätze sichert, wenn auch unter Hinnahme eines teilweisen Lohnverlustes.

Tatsache ist auch, dass Arbeitszeitverkürzung seit Jahrzehnten stattfindet: allerdings nicht in Form einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung, sondern individuell. Ohne Lohnausgleich und dadurch vielfach nicht existenzsichernd. Und keineswegs immer freiwillig, sondern weil gesellschaftliche Rahmenbedingung – wie etwa fehlende Betreuungseinrichtungen für Kinder oder zu pflegende Personen – nur Teilzeitarbeit zulassen.

Es besteht genügend Spielraum für eine grundlegende, radikale Verkürzung der Arbeitszeit: während nämlich das Bruttoinlandsprodukt von 1976 bis 2008 durchschnittlich um 5,2 % jährlich gewachsen ist, wuchsen die Lohneinkommen im gleichen Zeitraum unterdurchschnittlich um 4,8 %, während die Gewinneinkommen um 5,9 % überdurchschnittlich gewachsen sind. Produktivitätszuwächse schlugen sich also weder in einem entsprechenden Lohnwachstum nieder, noch in einer entsprechenden kollektiven Verkürzung der Arbeitszeit.

Eine grundlegende, umfassende Arbeitszeitverkürzung ist daher überfällig,

Um die vielen arbeitslosen Menschen in Beschäftigung zu bringen,
um eine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit – insbesondere zwischen den Geschlechtern – sicherzustellen,
um Arbeitslosigkeit und Armut über eine gerechtere Verteilung von bezahlter Arbeit wirkungsvoll begegnen zu können,
um den ArbeitnehmerInnen einen Teil jener Produktivitätszuwächse, die sie in den letzten Jahrzehnten erarbeitet haben, über kürzere Arbeitszeiten bei stabilen Einkommen zurückzugeben,
um eine faire Balance zwischen Arbeits- und Lebenszeit wieder herzustellen,
um gesundheitlichen Beeinträchtigungen die aus überlangen Arbeitszeiten entstehen entgegen zu wirken und
um über gleichberechtigte Partizipation am Arbeitsmarkt Aufstiegschancen zu gewährleisten.

Die GPA-djp fordert daher

eine radikale, allgemeine und gesetzliche Verkürzung der wöchentlichen und täglichen Normalarbeitszeit um mindestens 20 % – Zielrichtung 30-Stunden-Woche, 6-Stunden-Arbeitstag – mit Einkommensausgleich jedenfalls bis zur Höchstbeitragsgrundlage,
eine wirkungsvolle Eindämmung des Überstundenunwesens durch progressiv steigende Beiträge zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung für jede zusätzlich geleistete Überstunden. Eine Streichung der steuerlichen Begünstigung von Überstunden,
eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen, ab einem bestimmten Ausmaß an regelmäßig und dauerhaft über einen gewissen Zeitraum erbrachten Überstunden (z.B. Überstunden im Ausmaß von zehn Prozent des gesamten Normalarbeitszeitvolumens) eine entsprechende Anzahl an neuen ArbeitnehmerInnen einstellen zu müssen,
die Einführung einer sechsten Urlaubswoche, wie in vielen europäischen Ländern längst Standard und
einen Rechtsanspruch auf zeitlich befristete berufliche Auszeiten (Sabbatical, Betreuungs-, Bildungskarenzen) bei Bezug eines fiktiven Arbeitslosengeldes mindestens jedoch Mindestsicherung.

Download: Antrag_1_GPABF2010_AUGE_Arbeitszeitverkuerzung

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