Antrag 1 zur 148. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 17. Juni 2011

Im Rahmen einer Pressekonferenz am 3. Mai 2011 sprachen sich die Präsidenten der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer, kurz darauf auch die Finanzministerin, für weitere Privatisierungen zum Abbau der Staatschulden sowie zur Reduktion der aus Staatschulden resultierenden Zinsbelastung aus. IV und WKÖ erwarten sich aus den Privatisierungen von u.a. Energieversorgern, Bundesimmobilien und Bundesforsten, aber auch bei Flughäfen, beim Wiener Hafen und der Münze Österreich Erlöse im Ausmaß von rund 25 Mrd. Euro.

Privatisierungen sind allerdings – gerade auch zur Budgetkonsolidierung bzw. zum Staatschuldenabbau – entschieden abzulehnen:
Vermeintliche Privatisierungs“erlöse“ der letzten Jahre entpuppen sich als Nettoverluste:
so brachten die letzten (Teil-)Privatisierungen von OMV, Post und Telekom seit 2006 laut AK und ÖGB durch Schuldenabbau zwar eine Zinsersparnis von knapp 500 Mio. Euro, kosteten allerdings gleichzeitig entgangene Gewinnanteile von Euro 1,7 Mrd. Anders gesagt: dem jährlichen Verlust von rund 336 Mio. Euro an Gewinnentgang stand eine Zinsersparnis von Euro 100 Mio/Jahr gegenüber. Über die letzten fünf Jahre gerechnet entstand somit ein Verlust von 1,2 Mrd. Euro.

Ursache für steigende Staatsverschuldung liegt in Wirtschaftskrise begründet: Verantwortlich zeichnet sich für die von 2008 bis 2010 deutlich steigende Staatsschuld die Wirtschaftskrise und nicht, wie IV und WKÖ suggerieren, im öffentlichen Eigentum stehende Unternehmungen. So sind laut AK-Studie rund 75% des Gesamtschulden­zuwachses von 2008 bis 2010 – das sind 27,9 Mrd. von 37,4 Mrd. Euro – der Wirtschafts­krise geschuldet: krisenbedingter Einnahmeausfall, insb. bei Körperschafts- und Kapitalertragssteuer, Eigenkapitalzufuhr im Rahmen der Bankenrettungspakete, Konjunktur­maßnahmen, Mehrausgaben für Arbeitslosigkeit, etc. Es besteht also keinerlei Ursache – Wirkung-Zusammenhang zwischen Staatschulden und öffentlichem Eigentum an Unternehmen.

Privatisierungen unter Druck führen jedenfalls zu geringeren Erlösen:
Wurden in letzter Zeit bereits seitens des Rechnungshofs „unter Wert“-Privatisierungen (z.B. Fall BUWOG) kritisiert, drohen sich im Falle von Privatisierungen unter Druck Verkäufe deutlich „unter Wert“ zu wiederholen. Ein gutes Geschäft sind derartige Privatisierungen zwar für die privaten Investoren, weniger jedoch für den bislang öffentlichen Eigentümer, für welchen der Erlös deutlich unter den Erwartungen bleibt. Es liegt der Verdacht nahe, dass der durch die Staatschulden entstanden finanzielle Druck auf die öffentlichen Haushalte und Gebietskörperschaften von potentiellen privaten Investoren aus Industrie und Finanz­wirtschaft als willkommener Anlass dient, durch öffentliche Meinungsmache verstärkten Druck Richtung Verkauf öffentliche Beteiligungen deutlich unter „realem“ bzw. Marktwert, um Budgetlöcher zu stopfen und Schulden abzubauen, auszuüben.

Privatisierungen der letzten Jahre sind entscheidend mitverantwortlich für die Wirtschaftskrise. Neue Privatisierungen bergen ein wirtschaftspolitisches Risikopotential in sich:
Als wesentliche Ursache für Entstehen der Finanz- und daraus resultierenden Wirtschafts­krise kann die Privatisierung sozialer Sicherungssysteme (Pensionsfonds) sowie bislang öffentlicher Unternehmen angesehen werden. Nicht zuletzt die Privatisierung der Pensionsvorsorge und daraus resultierender milliardenschwerer Pensionsfonds verstärkten – um neue Möglichkeiten der rentablen Veranlagung zu finden – den Druck auf die Privatisierung bislang öffentlicher Unternehmen. Veranlagungen nahmen dabei zunehmend einen hochspekulativen und -riskanten Charakter an, welche, begünstigt durch weitestgehend deregulierte und liberalisierte Finanzmärkte, nach Platzen der spekulativen Blasen zur Finanz- und anschliessend Wirtschaftskrise führten. Angesichts nach wie vor bestehender, nicht einmal ansatzweise behobener Regulierungsdefizite der Finanzmärkte drohen weitere Privatisierungsrunden krisenhafte Entwicklungen einmal mehr zu begünstigen.
Darüberhinaus sprechen auch grundsätzliche Überlegungen für öffentliches Eigentum an Unternehmen (Versorgungssicherheit, Preisgestaltung, Beschäftigung, öffentliche Kontrolle, volkswirtschaftliche Bedeutung, Kostenstruktur etc.), weshalb sich die AK Wien bereits in der Vergangenheit für eine Ausweitung von öffentlichem (Mit-)Eigentum an Betrieben aus Beschäftigungs-, Wirtschafts- und regionalpolitischen Gründen ausgesprochen hat (z.B. über eine öffentliche Beteiligungs- bzw. Auffanggesellschaft, „GBI-neu“).

Eine nachhaltige Sanierung der Haushalte, die Aufarbeitung und Bewältigung der Krisekosten kann daher nicht über Privatisierungen erfolgen, sondern muss bei Ursachen bzw. Verursachern der Krisenkosten ansetzen. Es ist nur selbstverständlich, dass jene, deren Vermögen und Besitz im Rahmen von Milliarden Euro schweren Bankenrettungs- und Konjunkturpaketen von der steuerzahlenden, nichtvermögenden Allgemeinheit – in der Mehrheit ArbeitnehmerInnen – gerettet wurden, nun ihren Beitrag zum finanziellen Abbau der Krisenkosten leisten: über eine entsprechende Besteuerung von Vermögen, Vermögensübergängen, Vermögens­zuwächsen, Finanzmarktgeschäften, Finanztransaktionen und Spekulationsgewinnen.
In diesem Sinne spricht sich die Bundesarbeitskammer entschieden gegen die Privatisierung von Unternehmen in öffentlichem (Mit)Eigentum zur Budgetkonsolidierung bzw. zum Abbau öffentlicher Schulden aus, und lehnt entsprechende Vorstösse der WKÖ, IV und Finanzministerin ab.
Der Abbau der im Zuge der Wirtschaftskrise entstandenen Kosten muss entsprechend dem Verursacherprinzip einnahmeseitig vor allem bei einer höheren Besteuerung von Vermögen, Vermögensübergängen und –zuwächsen sowie Finanztransaktionen ansetzen, ausgabenseitig bei einer Wirtschaftspolitik, welche Beschäftigung in „guter Arbeit“ fördert und entsprechend Ausgaben für Arbeitslosigkeit reduziert.

Download: AUGE01-BAK-Privatisierungen

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