Antrag 4 der AUGE/UG an das GPA Bundesforum 2021

Beantragt und eingebracht von:

Fritz Schiller

für die AUGE/UG
Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/
Unabhängige GewerkschafterInnen

Mitbestimmung in der GPA: Allgemeine Gewerkschaftswahlen, Urabstimmungen nach Kollektivverträgen, verstärkte Möglichkeit von „einfachen“ Mitgliedern in den GPA Organen mitzubestimmen

Prinzipien

Die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) ist eine Einheitsorganisation (§ 1 Z 1 GWO) und keine Richtungsgewerkschaft, insofern gibt es keine Konkurrenzgewerkschaft, wie sie aus anderen Ländern bekannt ist. In dieser Einheitsorganisation sind Fraktionen (§ 37 GWO) gemäß der Fraktionsordnung des ÖGB anerkannt. Das ist eine große Errungenschaft im Vergleich zur Situation der Ersten Republik.

Die entscheidende Frage die hier interessiert, ist, wer bestimmt die Politik der GPA? Die Mitglieder? Die Fraktionen? Die Funktionär*innen? Die Angestellten? Wie werden sie gewählt bzw. bestimmt?

Die GPA ist in Form einer Pyramide organisiert. Zuunterst, als Basis, gibt es die sog. Strukturelemente. Das sind die Wirtschaftsbereiche, die Regionen/Länder, die Interessensgemeinschaft und Themenplattformen. Basisorganisationen sind aber auch die Betriebsgruppen (so sie gebildet werden), die Bezirksbetriebsratsmitglieder –Arbeitsgemeinschaft (BBAG), die Jugend und die Pensionist*innen.

Die Frauen (§ 34 GWO) bilden eine eigene Organisation innerhalb der GPA mit eigenen Organen wie dem Bundesfrauenforum, dem Bundesfrauenvorstand und dem Bundesfrauenpräsidium. Entsprechende Organe gibt es auch auf Regionen(Länder)ebene. Gleichwohl sind sie direkt in die Gesamtstruktur der GPA integriert, z.B. dadurch, dass alle weiblichen Delegierten am Bundesforum das Bundesfrauenforum bilden (§ 34 Z 4). Weitere vier Delegierte können die Frauen zum Bundesforum stellen sowie maximal zwei zusätzliche Mitglieder in den Bundesvorstand wählen.

Zusätzlich dazu gibt es über alle Strukturelemente sowie Organe und Gruppen, die für eine bessere Koordination der Gewerkschaftsarbeit eingesetzt werden, eine „Frauen“quote (vgl. § 2 Z. 14, § 40). Um diese Quote zu erfüllen, werden „zusätzliche (Frauen)Plätze“ dafür in den einzelnen Organen reserviert.

Das Bundesforum (§ 5 GWO) ist das höchste Organ der GPA. Es bestimmt die Politik der GPA durch Beschlüsse von Anträgen. Der wichtigste Antrag ist der sog. Leitantrag, den der Bundesvorstand vorlegt.

Es setzt sich zusammen aus den stimmberechtigen Delegierten der Regional(Landes)foren, der Bundesausschüsse der Wirtschaftsbereiche (25) sowie den permanenten Bundesinteressensgemeinschaften. Deren Anzahl wird durch die Anzahl der Mitglieder zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmt. Auf je 1.500 Mitglieder einer Region, eines Wirtschaftsbereichs und einer Bundesinteressengemeinschaft wird ein/e Delegierte/e gestellt (§ 8 Z 3f).

Es geht nicht hervor, ob es eventuell zu Doppel- oder Dreifachzählungen kommt, da z.B. GPA-Mitglieder gleichzeitig als Mitglied in der Region(Land) und in einem Wirtschaftsbereich gezählt werden können.

Die Frauen entsenden (zusätzlich) vier Delegierte, die Jugend sieben, die Pensionist*innen vier und jede anerkannte Fraktion je zwei Delegierte (§ 8 Z. 6ff). Darüber hinaus beschließt der Bundesvorstand weitere stimmberechtigte Delegierte aus dem Kreis der Regionen, der Wirtschaftsbereiche und der Bundesinteressengemeinschaften, die jedoch maximal 10 Prozent dieser Strukturelemente ausmachen dürfen (§ 9 Z 4 s). Nach welchen Kriterien letztere ausgewählt werden, verrät die Geschäfts- und Wahlordnung nicht.

Die Delegierten zum Bundesforum, welches in der Regel alle fünf Jahre stattfindet, werden also ausschließlich indirekt gewählt, die direkte Wahl durch die GPA-Mitglieder ist nicht vorgesehen.

Entgegen dem oben dargestellten Prinzip der indirekten Auswahl der Delegierten zum Bundesforum ist es dem einzelnen Mitglied gestattet, Anträge an das Bundesforum zu richten (§ 7 Z 1 lit j). Im Zeitalter von Homepages scheint die Bestimmung des § 6 Z 1 etwas antiquiert, jedem Mitglied „auf Wunsch“ Anträge des Bundesvorstandes und die Tagesordnung zur Verfügung zu stellen. Alle anderen Anträge, die nicht vom Bundesvorstand erstellt wurden, werden dem einzelnen Mitglied nicht einmal „auf Wunsch“ zur Verfügung gestellt? Was gibt es da wohl zu verbergen?

Bundesvorstand

Der Bundesvorstand (§ 9 GWO) tritt mindestens zwei Mal pro Jahr zusammen. Er setzt sich aus dem Bundespräsidium, das auf dem Bundesforum gewählt wurde, und weiteren Mitgliedern aus den Regionen, den Wirtschaftsbereichen, den Bundesinteressensgemeinschaften und den Themenplattformen nach einem festgelegten Schlüssel zusammen. Ebenso gehören Vertreter*innen der Fraktionen, der Pensionist*innen und der Jugend dem Bundesvorstand an.

Lediglich knapp 25 Bundesvorstandsmitglieder werden direkt auf dem Bundesforum gewählt (§ 5 Z 5 lit. n). Davon werden 20 von den anerkannten Fraktionen vorgeschlagen, die restlichen fünf sind sog. fraktionell Unabhängige (Parteiunabhängige). Wer letztere vorschlägt, bleibt unerwähnt. Ebenso bleibt unerwähnt, wer die sechs zusätzlichen Mitglieder, die der Bundesvorstand selbst besetzt (!) vorschlägt bzw. bestimmt (§9 Z 2 lit. m).

Es gibt keine Übersicht darüber, wie viele indirekt gewählte Mitglieder im Bundesvorstand sind, noch darüber, welcher Fraktion sie zuzuordnen sind.

Das Mitglied

Die Mitgliedschaft bzw. die Rechte und Pflichten der Mitglieder werden in der Geschäfts- und Wahlordnung in den §§ 41ff GWO geregelt. Sie werden quasi als Vorletzte in der GWO behandelt. Nach ihnen kommen nur mehr §§ 45 bis 48, die mit der Auflösung der GPA enden.

  • 42 definiert die Rechte der Mitglieder. Das GPA Mitglied darf Anträge (lit. b) gemäß den Bestimmungen der Geschäfts- und Wahlordnung (GWO) stellen. Wo erfährt es, aber an wen (welches Organ?) Anträge zu stellen sind, erfährt es nicht. Die Wahl- und Geschäftsordnung ist auch nicht auf der Homepage der GPA einsehbar. Das Mitglied darf auch in einer oder mehrerer Interessensgemeinschaften „mitwirken“ (lit. d). Es darf auch an den Bezirksforen „teilnehmen“ (lit. f). Ein wirkliches Recht zum Mitwählen hat das einzelne Mitglied nicht. Gemäß § 43 lit. c hat das Mitglied aber regelmäßig den Mitgliedsbeitrag zu bezahlen.

Laut § 39 Wahl- und Geschäftsordnung wäre grundsätzlich ein aktives und passives Wahlrecht der einzelnen Mitglieder vorgesehen, jedoch ist dies ohne nähere Informationen zu den Möglichkeiten einer Wahl nicht ausübbar.  Im Bezirksforum besitzt das einfache Mitglied das aktive und passive Wahlrecht (§ 23 Z. 7). Laut § 24 Z. 2 darf ein Gewerkschaftsmitglied, wenn es in einem Betrieb keinen Betriebsrat gibt, eine/n Sprecher/in wählen, der dann die Betriebsgruppe leitet bzw. vertritt.

Im § 24 (Die gewerkschaftliche Betriebsgruppe) Z. 1 kommt es zu einer Vermischung zwischen einem gesetzlichen Organ, dem Betriebsrat und dem Funktionär einer freiwilligen Interessensvertretung, der GPA. „Die Betriebsratsmitglieder, die die Betriebsgruppe führen, sind FunktionärInnen der GPA …“.

Man muss in der GWO lange suchen, bis man die für das einzelne Mitglied Mitbestimmungs- bzw. Wahlrechte findet. Was drückt aber dieses System, wie es in der GWO statuiert wird, aus: Es gibt nur sehr eingeschränkte Mitbestimmungsrechte für das einzelne Mitglied die Politik der GPA mitzubestimmen. Es kann lediglich durch eine Kaskade von dazwischen geschalteten Organen und Gremien indirekt und sehr verwässert seine/ihre Meinung kundtun.

Will man mitbestimmen, muss man den langen Weg durch die Institutionen gehen, der einen prägt, formt manchmal verformt. Die vielleicht einstmals hehren Ziele verschwimmen, verschwinden gar. Man ist bestimmt durch die aktuell bestimmende Politik/Ideologie, das dann eigentliche Ziel ist der Erhalt und Ausbau der persönlichen Position.

Dieses System widerspricht voll und ganz den offenen, die einzelnen Menschen integrierenden  Mitbestimmungsrechten z.B. wie sie im österreichischen Parlament, in den Landtagen, in den Gemeinden aber auch in der gesetzlichen Arbeitnehmer*innenvertretung, den Arbeiterkammern praktiziert wird. Daher gehört die Geschäfts- und Wahlordnung der GPA reformiert.

Die Fraktionen (§ 37)

Die GPA ist, wie schon erwähnt, eine Einheitsorganisation (§ 1 Z.1). Das ist gut so! In ihr können Fraktionen tätig werden, nach der Erfüllung bestimmter Kriterien werden ihnen bestimmte Rechten zuerkannt.

Delegierte, die in GPA Organe nominiert werden, können jedoch nur GPA-Mitglieder werden, die entweder Betriebsratsmitglied, Jugendvertrauensrat, Behindertenvertrauensperson oder Schülervertreter*in sind. Wenn sie eine gewählte Funktion bzw. eine Delegierung eines Strukturelements (Wirtschaftsbereich, Region/Bundesland, Interessensgemeinschaft oder Themenplattform) aufweisen, können sie ebenso delegiert werden (vgl. § 37 Z. 3 lit. a).

Ein „normales“ GPA-Mitglied ohne eine Fraktionierung oder einer Delegierung aus einem Strukturelement kann keine Funktion innerhalb der GPA erlangen. Der Marsch durch die Institutionen bleibt also nicht erspart.

In der Realität der GPA sieht dies folgendermaßen aus:

In der GPA gibt es mehrere anerkannte Fraktionen: die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG), die Fraktion Christlicher Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter (FCG), die Alternativen, Grünen und Unabhängigen Gewerkschafter*innen (AUGE/UG), den Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB), die Freiheitlichen Arbeitnehmer und die Parteifreien (PF). Schließlich gibt es noch die sog. Parteiunabhängigen (PU), dass sind diejenigen Betriebsrät*innen, die sich keiner anerkannten Fraktion angeschlossen haben, aber gleichwohl sich für ihre Kolleg*innen engagieren, Die Verteilung der deklarierten Betriebsratsmitglieder für die Jahre 2005, 2009 und 2014 (Zahlen für 2020/21 sind noch nicht verfügbar) schaut wie folgt aus:

Aus d­er Tabelle (Quelle: Berichtshefte der Jahre 2005, 2010, 2015) wird offensichtlich, dass die mit Abstand größte „Fraktion“ unter den Betriebsrät*innen, die der nicht-deklarierten Parteiunabhängigen (PU) ist. Die PU wiesen 2014 einen Anteil von 49,1 % aus, die FSG nur mehr einen Anteil von 33,9 %, gefolgt von der FCG von 15,5 % und den verschwindend geringen Anteilen der AUGE/UG, des GLB, der PF und der FA. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nur etwas mehr als 50 Prozent der Betriebsrät*innen innerhalb der Gewerkschaft die Möglichkeit haben sich zu engagieren. Das ist sehr traurig. Es ist zu erwarten, dass sich diese Relation für 2020/21 noch weiter zu Gunsten der nicht-deklarierten Parteiunabhängigen und zu Lasten der deklarierten Betriebsrät*innen verschieben wird.

Diese Entwicklung ist nicht neu. Schon 2005 waren die PU die „größte“ Fraktion unter den Betriebsrät*innen, damals erreichten sie 44,3 %, während die zweitgrößte und die GPA dominierende FSG nur einen Anteil von 37,5 % aufwies.  Die Fraktionsdeklarierung für eine Fraktion ist offensichtlich seit vielen Jahren nicht mehr attraktiv genug, dass sich Betriebsrät*innen gleichzeitig als GPA Funktionär*innen identifizieren (vgl. § 24 Z. 1 GWO).

Insofern ist das ein weiterer Beleg für den massiven Vertrauensverlust der gewerkschaftlichen Arbeit und im Besonderen der der GPA. Das beweist aber auch, dass viel mehr Menschen bereit wären, sich für die betrieblichen Interessen ihrer Kolleg*innen einzusetzen oder positiv formuliert, es große Möglichkeiten gäbe, sie für die Gewerkschaftsarbeit zu begeistern. Um eine Demokratisierung zu erwirken und eine Mitwirkung zu ermöglichen müsste Unseres Erachtens die nicht-deklarierten Kolleg*innen in einem viel größeren Maße in den Organen und Gremien der GPA mitberücksichtigt werden. Das könnte z.B. über allgemeine Gewerkschaftswahlen in der GPA erreicht werden können, ohne sich zu einer Fraktion deklarieren zu müssen.

Resümee

Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, die einzelnen Mitglieder sind dazu da ihren Mitgliedsbeitrag zu bezahlen. Eine Mitbestimmungsmöglichkeit für das einzelne Mitglied gibt es in der Regel erst dann, wenn man als Betriebsratsmitglied gewählt wurde. Die vor Jahren installierten Interessensgemeinschaften, die auch Nicht-Betriebsräten eine ganz kleine Teilhabe an der Politik der GPA ermöglicht haben, sind nur schwach entwickelt. Eine stärkere Integration der Mitglieder konnte nur bedingt erreicht werden, falls das überhaupt das Ziel der Einrichtung von Interessensgemeinschaften war. Die GPA erscheint immer mehr als Serviceorganisation, wie z.B. der ÖAMTC oder der ARBÖ.

Aufgrund dieser kleinen Analyse ergibt sich die Konsequenz eine Statutenreform bzw. eine Reform der Geschäfts- und Wahlordnung an Haupt und Gliedern durchzuführen. Daraus ergeben sich mehrere Ziele:

Eine direkte Wahl aller Organe durch die einzelnen GPA Mitglieder sollte im 21. Jahrhundert ebenfalls möglich sein. Zudem sollte es für die einzelnen GPA Mitglieder die Möglichkeit geben, über die Ergebnisse der Kollektivvertragsverhandlungen abstimmen zu können.

In der younion z.B. gibt es bereits Gewerkschaftswahlen, die AK Wahl wird ebenfalls so durchgeführt. Technisch wäre das somit kein Problem, die Wahlen zu einzelnen Regionalvorständen übrigens wurden in der jüngsten Vergangenheit durch on-line voting durchgeführt.

Eine allgemeine Wahl würde zum einen zusätzlichen Publizitätseffekt haben aber zum anderen vor allem zu einer Mobilisierung der GPA Mitglieder führen, was in Zeiten, einer immer geringeren Durchschlagskraft der Gewerkschaften einen Kontrapunkt setzen könnte.

Das Bundesforum der Gewerkschaft GPA möge daher beschließen, dass die GPA die Mitglieder der Organe auf Regionen/Länderebene sowie die Mitglieder des Bundesvorstandes direkt von den GPA Mitgliedern gewählt werden.

Das Bundesforum der GPA möge des Weiteren beschließen, dass die Verhandlungsergebnisse der Kollektivverträge von den GPA Mitgliedern, die die diesen Kollektivverträgen unterliegen einer Urabstimmung unterzogen werden.