Richard Wadani 1922 – 2020

Richard Wadani

Viele von uns haben ihn gekannt, einige von uns sind teilweise mit ihm gemeinsam politische Wege gegangen, bei anderen haben sich kurz einmal die Wege gekreuzt, manche haben ihn aus grösserer Entfernung erlebt und Respekt gezollt: Richard Wadani, Zeitzeuge, Wehrmachtsdeserteur und unermüdlicher Streiter für deren Rehabilitierung und nicht zuletzt Erkämpfer eines Denkmals, hat uns nach langem, erfüllten Leben verlassen.

Wir wollen ihm mit diesem Nachruf unsere Anerkennung ausdrücken (mit Dank an die akin):

In der Nacht auf den 19. April ist Richard Wadani verstorben. Wadani war am am 16. Oktober 1944 aus der deutschen Wehrmacht desertiert. Seit seiner Rückkehr nach Österreich 1946 hatte er sich für die Rechte der Wehrmachtsdeserteure eingesetzt und es hat bis zum 21. Oktober 2009 gedauert, bis der Nationalrat das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz für die „Ungehorsamen Soldaten“ des Zweiten Weltkrieges beschloss.
Auf Initiative von Wadani und dem „Personenkomitee für die Opfer der NS-Militärjustiz“ kam es dann 2014 auch endlich zu einem Denkmal am Ballhausplatz.

Vor ein paar Jahren schilderte Wadani die Geschichte seiner Jugend und seines Widerstands für die Homepage des Personenkomitees. Zur Erinnerung an ihn sei diese viel zu kurze Zusammenfassung seines langen Lebens und seines Engagements hier – noch weiter gekürzt – wiedergegeben:

„Ich wurde als zweiter Sohn österreichischer Eltern geboren und wuchs in Prag auf. Mein Elternhaus war sozialdemokratisch eingestellt. Ich selbst sympathisierte frühzeitig mit den Kommunisten und trat der Sportorganisation der KPC bei. In meiner Jugend war ich bei den Nestfalken [Anm.: in Österreich Kinderfreunde], den Roten Falken und dem ATUS [ASKÖ]. Nach der Besetzung Österreichs durch Hitlerdeutschland musste die Familie nach Wien,
die Heimatstadt meiner Mutter, zurückkehren. (…)

In Wien hatte ich einen Arbeitskollegen, der sich nach einiger Zeit und nach gegenseitigem Abtasten als ehemaliger Schutzbündler und alter Prolet zu erkennen gab. So entwickelte sich ein guter menschlicher und politischer Kontakt. (…) Daraufhin meldete ich mich zur Luftwaffe. (…) Ab Oktober 1939 war ich zunächst in Vyskov und dann in Prag. Ich wurde als Kraftfahrer ausgebildet und blieb bis 1941 in Prostejov. Kurz vor meinem Einsatz auf dem Balkan wandte ich mich an einen Arzt, dem ich vertrauen konnte. Wenn ich jetzt nicht ins Spital kam, musste ich mit zum Einsatz. (…) Nach dem Genesungsurlaub wurde ich nach Osten kommandiert, wo ich als Kraftfahrer einer Luftwaffeneinheit im Hinterland, in Polen und der Ukraine, eingesetzt war. Im Frühsommer 1942 unternahm ich zusammen mit einem Kameraden, der die gleiche Einstellung zu Hitlerdeutschland hatte, einen ersten Versuch, an der Ostfront überzulaufen, der jedoch leider misslang.

Im Herbst 1944 wurde ich schließlich an die Westfront nach Frankreich versetzt, nachdem die ganze Schule aufgelöst worden war. Bereits zwei Tage nach meiner Ankunft überquerte ich in der Nacht die Frontlinie. (…) Ich wurde kurz in einem Gefangenenlager in Cherbourg interniert und meldete mich, da es keine österreichische kämpfende Einheit gab, zur tschechoslowakischen Armee in England.

Im November 1945 kam ich nach Wien, um meine Mutter zu suchen. Mein Bruder war 1944 gefallen. Ich fand dann meine Mutter, die in einer sehr schlechten Verfassung war. Um bei ihr zu bleiben, quittierte ich meinen Dienst und wurde im Jänner 1946 als österreichischer Staatsbürger aus der tschechoslowakischen Armee entlassen. Zurück in Wien wurde ich bald mit der politischen Situation konfrontiert. Denn als ich am Arbeitsamt vorsprach, wurde ich sofort angestänkert (ich trug damals noch die englische Uniform): ,Wie kommen Sie dazu, in einer fremden Armee gedient zu haben?‘

Ich begann bald, als Funktionär in der KPÖ zu arbeiten, wo ich mich vor allem mit dem österreichischen Sport befasste. Ich absolvierte die staatliche Sportlehrerausbildung und arbeitete fortan als Sportlehrer. Ich war Bundestrainer und Bundeskapitän im Österreichischen Volleyballverband, baute dann im Pensionistenverband den Seniorensport auf und war viele Jahre Lehrbeauftragter an der Bundesanstalt für Leibeserziehung in Wien. Nach der Zerschlagung des ‚Prager Frühlings‘ und dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die CSSR trat ich aus der KPÖ aus, blieb jedoch bis heute politisch engagiert. Als derzeitiger Sprecher des Personenkomitees ‚Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz‘ setze ich mich für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer ein.“

Richard Wadani

Print Friendly, PDF & Email