Seit nunmehr sechs Jahren verharrt Europa in der Krise. Die Arbeitslosenzahlen sind auf Rekordniveau, die Armutsgefährdung steigt. Die Austeritätspolitik mit ihren restriktiven Budgetregeln auf europäischer („Fiskalpakt“, EU-Six-Pack etc.) und nationalstaatlicher (Schuldenregel, innerösterreichischer Stabilitätspakt) Ebene haben die öffentliche Investitionstätigkeit massiv einbrechen lassen und die Krise noch einmal verschärft.
Selbst der Internationale Währungsfonds hat in einem Working Paper vom Jänner 2013 („Growth Forecast Errors and Fiscal Multipliers“) darauf hingewiesen, dass eine ein-prozentige Verringerung öffentlicher Ausgaben in Krisenzeiten das BIP um rund 2 Prozent verringert. Die Multiplikatorwirkung von Ausgabensenkungen ist also besonders hoch. Im Gegensatz dazu haben öffentliche Investitionen eine positive Auswirkung auf die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung, wie auch künftige Generationen von getätigten Investitionen davon profitieren.
Nicht zuletzt aufgrund der Hartnäckigkeit der Krise und des Scheiterns des Austeritätskurses ist ein grundlegender Kurswechsel in der europäischen Fiskalpolitik dringend geboten. Ein erster Schritt wäre die Implementierung der „goldenen Finanzierungsregel“ in die europäische Budgetpolitik. Die „goldene Finanzierungsregel“ besagt, dass sämtliche öffentlichen Investitionen, die auch künftigen Generationen eine Rendite bringen, über Neuverschuldung finanziert werden sollen, laufende Ausgaben dagegen aus Steuermitteln. Staatliche Investitionen – etwa in Wohnraum, Krankenhäuser, öffentliche Infrastruktur, Schulen, Bildung, Kindergärten etc. – würden so aus dem (strukturellen) Budgetdefizit herausgerechnet und fiskalische Handlungsspielräume für öffentliche Investitionen schaffen.
Bereits in den 1960er Jahren führte Schweden eine derartige Budgetregel ein, 1997 implementierte Großbritannien die „golden rule“, u.a. um gegen die Wachstumsschwäche sowie die rapide Verschlechterung öffentlicher Dienstleistungen vorzugehen. Auch im deutschen Verfassungsrecht war die „goldene Regel“ bis 2009 verankert, wonach die jährliche Neuverschuldung durch die Höhe der öffentlichen Investitionen begrenzt war. Erst mit der Einführung der Schuldengrenze wurde diese Regel aufgehoben.
Für Europa und die EU-Mitgliedsstaaten wäre die „goldene Regel“ eine Möglichkeit, die negative Entwicklung der öffentlichen Investitionen umzukehren und wichtige wirtschaftliche Impulse für ein nachhaltiges, sozial und ökologisch verträgliches Beschäftigungswachstum sowie zum Erhalt und bedarfsgerechten Ausbau öffentlicher Infrastruktur zu setzen.