Antrag 05 / Pflegegeldtaschengeld-Kürzung

  • anerkannt wird, dass Menschen mit Behinderung mit Pensionsanspruch (die in Wohngemeinschaften leben, die durch eine Maßnahme laut § 24 des Wiener Behindertengesetzes (WBHG) finanziert werden) zu Recht nach der ASVG-Bestimmung jetzt ihre Leistungen erhalten, wie auf Grund des Erkenntnisses des VfGH nun festgelegt wurde (20 Prozent der Pension und 10 Prozent bzw. 20 Prozent der Pflegestufe 3 sowie die Sonderzahlungen),
  • und deswegen nicht – wie jetzt entschieden wurde – das Pflegegeldtaschengeld jener geschmälert wird, die kein eigenes Einkommen wie zum Beispiel einen Pensionsanspruch haben, und auch nie einen Pensionsanspruch erwerben konnten (und ihnen daraus dann folglich auch die 20 Prozent der Pension und 10 bzw. 20 Prozent der Pflegestufe 3 sowie die Sonderzahlungen verbleiben können).
  • dass dieser gesetzliche Anspruch auch mit dem ASVG und anderen gesetzlichen Bestimmungen kompatibel ist, also einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof standhalten kann.
  • dass weiter entsprechend an den Möglichkeiten gearbeitet wird, dass Menschen mit Behinderung aus den Werkstätten (den so genannten Beschäftigungstherapie-Einrichtungen) am Arbeitsmarkt Fuß fassen können.
  • grundsätzliche Lösungen erarbeitet und gesetzlich ermöglicht werden:
    • Schaffung von Möglichkeiten, einen eigenen Pensionsanspruch erwerben zu können (für genau jene Menschen, die jetzt von der Kürzung betroffen sind und in Werkstätten (so bezeichneten Beschäftigungstherapie-Einrichtungen) und
  • eine Art eigenes Grundeinkommen für die Menschen mit Behinderung, die in diesen Werkstätten tätig sind.
  • Das Pflegegeldtaschengeld in Wien wurde gekürzt. Im März 2005 wurde vom Verfassungs-gerichtshof (VfGH) die Entscheidung getroffen, dass ein Teil des Wiener Behindertengesetzes (WBHG), nämlich der § 43 Abs. 4 erster Satz, als verfassungswidrig aufgehoben wird. Dieser lautet: „Werden dem behinderten Menschen im Rahmen einer Maßnahme nach § 24 WBHG, Verpflegung und Betreuung gewährt, so sind das Gesamteinkommen des behinderten Menschen und die ihm zuerkannten pflegebezogenen Geldleistungen bis auf einen Betrag in der Höhe von 40 vH des Pflegegeldes der Stufe 3 zum Kostenbeitrag heranzuziehen.“.

    Mit dieser Regelung war in Wien unter anderem gesichert, dass auch zum Beispiel jene Menschen in Wohneinrichtungen, die kein eigenes Einkommen hatten, zum Unterschied im Verhältnis zu den sonst in anderen Gesetzen geregelten geringeren Ansprüche (10 Prozent ca. 42,- bzw. 20 Prozent ca. 84,- EUR der Pflegestufe 3) immerhin ein Pflegegeldtaschengeld von 40 Prozent der Pflegestufe 3 erhielten: Vor Jahren war eine angeführte Begründung dafür, dass damit auch der Bedarf für Bekleidung zu decken sei. In einem anderen Bundesland werden nur die ca. 42,- bzw. ca. 84,- EUR gewährt und dort muss um einen Bekleidungskostenzuschuss erst separat angesucht werden.

    Zurück zur Aufhebung des oben genannten Gesetzesteils des VfGH-Urteils vom März 2005:
    Ein Grund der Aufhebung war, dass der zitierte Teil des § 43 WBHG die ASVG-Bestimmung des § 324 Abs. 3 ASVG untergräbt. Diese VfGH-Entscheidung hat die Konsequenz, dass Menschen mit Behinderung, die eine Pension beziehen und in einem Wohnhaus oder Wohngemeinschaft leben (entsprechend der Maßnahme des § 24 des WBHG), zu ihrem Recht laut Bundesgesetz-gebung kommen und ihr Kostenbeitrag richtigerweise nach der ASVG-Bestimmung zu berechnen ist. Sie erhalten also: anstatt den 40 Prozent der Pflegestufe 3 wirklich laut ASVG-Bestimmung 20 Prozent ihrer Pension und 10 bzw. 20 Prozent der Pflegestufe 3 sowie die Sonderzahlungen.

    Eine Information war unter anderem, dass der dadurch entstehende Mehrbedarf an Mittel dazu führe, dass jene Menschen mit Behinderung, die in den oben zitierten Wohngemeinschaften oder Wohnhäusern leben, ohne ein eigenes Einkommen (zum Beispiel Erwerbspension oder  Vollwaisenpension) zu beziehen, in Zukunft nicht mehr die bisherigen 40 Prozent Pflegestufe 3 (ca. 168,- EUR) bekommen können.

    Die Stadt Wien und der Fonds Soziales Wien (FSW) kamen nun zu folgender Entscheidung: Sie werden Menschen ohne eigenem Einkommen, vorausgesetzt sie haben einen Anspruch auf Pflegegeld, eine so bezeichnete freiwillige Mehrleistung in der Höhe von einem Mindesttaschengeld von 123,25 EUR im Monat ausbezahlen und den anderen Teil des tatsächlich gewährten Pflegegeldes als Kostenbeitrag einbehalten. Diese so bezeichnete freiwillige Mehrleistung stellt aber trotz allem eine so prekäre Kürzung um ein ganzes Viertel vom bisher bezogenen monatlichen Pflegegeldtaschengeld dar.

    Trägt die so bezeichnete freiwillige Mehrleistung neben der so prekären Kürzung nicht auch noch zusätzlich zur Rechtsunsicherheit der von dieser Regelung betroffenen Menschen bei?

    Besonders wichtig ist, dass sich die Ausgaben nicht verringern, die die von dieser Regelung betroffenen Menschen monatlich zu leisten haben bzw. sich mit gutem Grund vielleicht leisten wollen: Ausgaben für zum Beispiel Kleidung und Schuhe; weiters können dies sein: Selbstbehalte bei Physio- und Psychotherapien, Selbstbehalt für den Freizeitfahrtendienst, Telefonkosten, persönliche Einrichtungsgegenstände vom Bild über den Kalender an der Wand bis zur Zimmereinrichtung, Verhütungsmittel, Haarwaschmittel, Frauenbinden, Tampons, Betteinlagen (in bestimmten Situationen zahlt sich die Krankenkasse nicht mehr), Arzneimittel, die die Krankenkasse nicht (mehr) zahlt, Ausgaben für Assistenzdienste zum Beispiel für einen Kinobesuch (dies kann auch bedeuten Kosten für die eigene Kinokarten zu haben und die des/der Assistenten/in), ein Geschenk, ein Ansparen auf einen Urlaub, …

    Eine weitere Verringerung der monatlichen finanziellen Mittel um 25 Prozent (der in Wohngemein-schaften und Wohnheimen lebenden Menschen ohne eigenes Erwerbseinkommen oder entsprechende Pension) trägt somit zu einer Erhöhung der Armut der Betroffenen bei. Wobei auch hier festzuhalten ist, dass es auch vor allem jene Menschen mit Behinderung trifft, die viele Jahre in Werkstätten – so bezeichneten Beschäftigungstherapie-Einrichtungen arbeiten. Diese Menschen können daraus – trotz der oft langjährigen Tätigkeit dort – keinerlei Pensionsanspruch erwerben.

    Könnten sie zumindest durch diese Arbeit auch einen Mindestpensionsanspruch erwerben – hätten auch sie Anspruch auf 20 Prozent ihrer Pension und 10 bzw. 20 Prozent des Pflegegeldes der Stufe 3 sowie die Sonderzahlungen – zumindest ab ihrer Pensionierung. Dies könnte einen Teil der aktiven Armutsbekämpfung ermöglichen und einen weiteren (kleinen und für manche einen großen) Schritt näher führen zur chancengleichen Teilhabe für eine nicht so geringe Anzahl von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft.

    Vorausgesetzt es wird parallel dazu, weiter entsprechend an den Möglichkeiten gearbeitet, dass Menschen mit Behinderung aus den Werkstätten (den so genannten Beschäftigungstherapie-Einrichtungen) am Arbeitsmarkt Fuß fassen können und andererseits an einer Entlohnungs-möglichkeit für die Arbeit der Menschen in den Werkstätten gesucht wird (auch hier stellt sich die Frage nach einer Art Grundeinkommen).
    Es hoffen und fragen von dieser Kürzung direkt und indirekt betroffene Menschen bei PolitikerInnen und der Leitung des FSW um dringende Hilfe an und brauchen natürlich auch die Solidarität und Hilfe von nicht von dieser Regelung betroffenen Menschen. Mithilfe zur Unterstützung ist sehr gefragt und zwar abseits des Interesses politischer Parteien oder Mitleidsbekundungen. Die betroffenen Menschen fordern einen inhaltlichen Diskurs und eine auch für sie wirklich tragbare Lösung ein.

    Der Antrag wurde in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der BehindertenbetreuerInnen (BV) Wien und engagierten BehindertenbetreuerInnen erstellt.

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