Dringliche Gemeinsame Resolution Nr. 1 / RECHTSTAATLICHKEIT ACHTEN – AUSNAHMEZUSTAND AUFHEBEN – OPPOSITIONELLE UND JOURNALISTiNNEN FREILASSEN

Seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 geht die AKP-Regierung gezielt gegen SystemkritikerInnen vor. So wurde ein Ausnahmezustand ausgerufen, der es u.a. ermöglicht, alle Nachrichten zu kontrollieren, Versammlungen zu verbieten, Ausgangssperren zu verhängen und Festnahmen mit bis zu 30 Tage Polizeigewahrsam ohne Vorführung vor einem Haftrichter vorzunehmen.

Die türkische Regierung nutzt den gescheiterten Putschversuch, den wir als solches ebenfalls ablehnen, als Vorwand, um Oppositionelle und Regierungskritiker mundtot zu machen und das Mediensystem sowie die Gerichtsbarkeit unter ihre vollständige Kontrolle zu bringen.
Unter der Regie von Präsident Erdogan wird dabei seit Monaten mit Konsequenz vorgegangen:

  • So kam es zu einer groß angelegten Auswechslung von Richtern und Staatsanwälten.
  • Im Militär- und Polizeiapparat wurden Tausende verhaftet oder suspendiert.
  • Tausende Beamte auf allen Verwaltungsebenen wurden entlassen.
  • Dutzende Radiostationen und Fernsehsender, Zeitungen, Zeitschriften und Nachrichtenagenturen wurden abgeschaltet und verboten.
  • Hunderte JournalistInnen wurden verhaftet bzw. befinden sich noch in Polizeigewahrsam.
  • Bereits mit dem ersten Dekret unter der Notstandsverordnung wurden über 2.000 Einrichtungen (insbesondere Schulen, gemeinnützige Einrichtungen, aber auch Gewerkschaften) geschlossen, die ein Naheverhältnis zur sog. Gülen-Bewegung haben sollen.
  • Kritik am Präsidenten wurde zu einem verbrecherischen staatsfeindlichen Akt erklärt.

Dabei geht die AKP-Regierung nicht nur mit aller Härte gegen die Anhänger der Gülen-Bewegung vor, die unter Verdacht stehen, hinter dem Putschversuch zu stehen. Der bis Mitte Jänner verlängerte und somit immer noch bestehende Ausnahmezustand wird auch dazu genutzt, insgesamt gegen regierungskritische Oppositionelle, insbesondere auch KurdenvertreterInnen vorzugehen.

Dieser offene Angriff zeigte sich bereits in der Aufhebung der Immunität und Anklagen von Abgeordneten mehrerer oppositioneller Parlamentsfraktionen und gipfelte in Terrorvorwürfen und zuletzt Verhaftungen der Parteispitze und weiterer Abgeordneter der oppositionellen HDP.

Im Zuge des Ausnahmezustandes wird auch in Rechte der ArbeitnehmerInnen eingegriffen:

  • Zahlreiche GewerkschaftsfunktionärInnen und -mitglieder wurden in den letzten Monaten unter der Notstandsverordnung verhaftet: Gründe für die Verhaftung bleiben unbekannt, Kontakt zu AnwältInnen ist nicht möglich.
  • 19 Gewerkschaften, die der Gülen-Bewegung nahestehen, wurden verboten.
  • Zehntausende öffentlich Bedienstete wurden suspendiert – unter dem Deckmantel der Notstandsverordnung wurde dabei auch gegen GewerkschaftsfunktionärInnen vorgegangen.
  • Kommunalen Beschäftigten, die streiken wollten, weil sie wegen Gewerkschaftsbeitritts gekündigt worden waren, wurde dies untersagt – Verhaftungen folgten.

In den Anstrengungen, die Verfassung auf ein autokratisches Präsidialsystem umzubauen, stehen in der Türkei heute Grundpfeiler demokratischer Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit auf dem Spiel. Das ist ebenso inakzeptabel wie die Intentionen zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Das alles geschieht in einem Land, das dem Europarat angehört, mit der Europäischen Union assoziiert ist und seit Jahren mit dieser in Beitrittsverhandlungen steht.

 

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