Zusammenarbeit und intensive Beschäftigung bzw. Auseinandersetzung mit den betroffenen Personen auf Augenhöhe ist kaum noch gefragt – wirtschaftliche Überlegungen im Sinne einer Arbeitsverdichtung – also der Druck auf die Erbringung von Mehrleistung innerhalb eines vorgegebenen, knappen Zeitraums – stehen im Vordergrund. Hierarchisch vorgegebene, qualitätszertifizierte Prozessvorgaben lassen wenig Spielraum für individuelle Lösungen. Gleichzeitig werden direkte Zugänge für die betroffenen Menschen reduziert – beispielsweise werden Call Center-„Lösungen“ vorgeschaltet, das Antrags- und Formalitäten(un)wesen steigt.
Ein niederschwelliger Zugang zur Sozialarbeit ist damit kaum noch gegeben. Sozialarbeit ist gerade in wirtschaftlich problematischen Zeiten ein gesellschaftspolitisch wichtiger Faktor und kann, wie das Beispiel Familiengerichtsbarkeit zeigt, häufig entscheidend zu Problemlösungen beitragen. Dazu ist es notwendig, sich der Tendenz hin Richtung Sozialadministration entgegenzustellen.
Die 2te Vollversammlung der AK-NÖ fordert zeitgemäße Rahmenbedingungen für die Sozialarbeit im Sinne einer Problemlösungskompetenz statt Problemadministration:
• Für Menschen in sozialen Problemlagen muss ein einfacher Zugang zu sozialer Unterstützung und Betreuung möglich sein. Gesetzgeber und Landesregierungen werden aufgefordert, bürokratische Hürden deutlich zu reduzieren. Call Center-Lösungen mit standardisierten Fragebeantwortungen durch schlecht ausgebildetes Personal sind keine Antworten auf soziale Problemlagen.
• Qualitativ hochwertige Sozialarbeit darf nicht dem wirtschaftsliberalen Messbarkeitswahn geopfert werden. Viele qualitativ wichtige Faktoren in der Sozialen Arbeit lassen sich nicht in messbare Standards gießen. In der Arbeit mit und für Menschen können naturwissenschaftliche Methoden die Realität nur unzureichend abbilden und führen damit zu einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit.
• Der Landesgesetzgeber soll in einem Berufsgesetz Ausbildung, Pflichtenkreis, Methoden, Berufsethik, Standesvertretung und Berufsschutz regeln. Ein Berufsgesetz ist notwendig, um den Tendenzen, Sozialarbeit nach unten zu nivellieren, entgegenzutreten. Ein Berufsgesetz mit klaren Strukturen ist aber auch für die Identität der Berufsgruppe ein wichtiger Faktor. Die derzeitige Situation, in der mitunter die Phantasien anderer Berufsgruppen darüber entscheiden, was Soziale Arbeit ist oder eben nicht, ist unbefriedigend und demotivierend.
• Insbesondere in Krisenzeiten braucht es eine starke und handlungsfähige Sozialarbeit, die auch auf aktuelle, krisenspezifische Herausforderungen entsprechend reagieren kann. Oft wird gerade dort, wo Politik und Gesellschaft nicht mehr weiter wissen, Soziale Arbeit mit der Problemlösung beauftragt. Dazu braucht sie einen ausreichend breiten Handlungsspielraum und Schutz vor „verordneten, der Berufsethik widersprechenden Arbeitsbedingungen“. Diese sind im Berufsgesetz festzulegen.