Antrag 09 / Diskriminierungsfreie Blutspende im Arbeitsumfeld ermöglichen

der AUGE/UG -Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich angenommen:
FSG, FA, GLB, Kom.: ja
ÖAAB, GA, Persp, Türk-is: für Zuweisung
FAIR, ARGE: nein

Antragsbehandlung im Ausschuss Soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

Die Arbeiterkammer Wien fordert den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf, die Blutspenderverordnung so zu formulieren, dass sie auf diskriminierungsfreie Weise das Ziel der Sicherheit von Blutspenden erreicht.
Der Ausschluss von Personen zur Blutspende ist sachlich nicht gerechtfertigt, unverhältnismäßig und diskriminierend.
Daher ist die Verordnung ist dahingehend zu ändern, dass der pauschale Ausschluss von Personengruppen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität unterbunden wird.

Die Unterstützung von Blutspenden im Arbeitsumfeld gehört für einige Betriebe zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung – Blutspenden können Leben retten. Viele Unternehmen stellen Hilfsorganisationen wie bspw. dem Österreichischen Roten Kreuz regelmäßig Räumlichkeiten zur Durchführung von Blutspendeaktionen zur Verfügung und laden ihre Mitarbeiter*innen zur Blutspende ein.

Bei der Spenderauswahl wenden die Mitarbeiter*innen bspw. des Österreichischen Roten Kreuzes die Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend den Gesundheitsschutz von Spendern und die Qualitätssicherung von Blut und Blutbestandteilen (Blutspenderverordnung – BSV) StF: BGBl. II Nr. 100/1999 an. Die Umsetzung dieser Vorgaben durch den standardisierten Anamnesebogen widerspricht allerdings in ihrem Umgang mit sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten dem Ziel, den Arbeitnehmer*innen ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu ermöglichen.

Gemäß der Verordnung werden Personengruppen, deren Sexualverhalten ein deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt, für 12 Monate nach dem letzten Sexualverkehr von der Blutspende zurückgestellt. Diese Regelung wird insbesondere auf alle Männer angewandt, die Sexualverkehr mit Männern haben („MSM“), und führt zu ihrem pauschalen Ausschluss von Blutspenden. Generell ausgeschlossen werden, wie Berichte aus Selbstvertretungsgruppen zeigen, auch transidente Personen – rein aufgrund ihrer Geschlechtsidentität.

Die im Jahr 2019 novellierte Regelung bedeutet einen deutlichen Fortschritt gegenüber dem bis dahin praktizierten lebenslangen Ausschluss von MSM vom Blutspenden. Die kürzlich angekündigte Verkürzung der Ausschlusszeit von 12 auf vier Monate ist zu begrüßen, dennoch bleibt diese Regelung weiterhin diskriminierend gegenüber unseren homo- und bisexuellen, sowie transidenten Kolleg*innen:

• Durch den generellen Ausschluss von Männern, die sexuellen Kontakte mit Männern
haben, steht nicht das individuelle Risikoverhalten der spendenden Person im Zentrum, sondern der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe.

• Transidente Personen werden in Österreich nicht durch den Fragebogen ausgeschlossen, sondern, wie von NGOs aufgedeckt wurde, durch eine interne Praxis des Roten Kreuzes: Der Ausschluss geschieht nicht auf Basis von möglichen Hormontherapien (die in Frage kommenden Hormone führen laut Medikamentenliste des Roten Kreuzes nicht zu einem Ausschluss) oder möglichen Operationen (für alle Personen, die sich größeren Eingriffen unterzogen haben, gilt ein genereller Ausschluss von 4 Wochen bzw. 4 Monaten, je nach Art der Operation). Stattdessen erfolgt der Ausschluss rein aufgrund der Geschlechtsidentität.

Die Blutspenderverordnung widerspricht weiterhin weitgehend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs („EuGH“). In seiner Entscheidung vom 29. April 2015 (C-528/13) urteilte er, dass der generelle Ausschluss von MSM von der Blutspende nur dann mit dem Verbot der sexuellen Diskriminierung sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei, wenn es keine weniger belastenden Methoden gibt, um ein hohes Gesundheitsniveau der Empfänger der Blutspende sicherzustellen.

Die pauschalen Ausschlussregelungen für homo- und bisexuelle Männer, sowie transidenter Personen ist vor diesem Hintergrund nach Expert*innen-Meinung medizinisch und rechtlich unverhältnismäßig und führt zu Diskriminierungen, die vermieden werden können. Es stehen vielmehr andere Möglichkeiten zur Verfügung, die zum Schutz der Gesundheit und Blutsicherheit besser geeignet sind, aber für die betroffenen Personengruppen weniger diskriminierend wirken:

Die gezielte Befragung aller Spender*innen nach ihrem individuellen Risikoverhalten ist in Kombination mit der Untersuchung jeder Blutprobe der beste Weg, um die Blutsicherheit zu gewährleisten. Wir fordern daher eine Ergänzung der Blutspenderverordnung um ein klares, nachvollziehbares Verbot von Diskriminierung gegen einzelne Personengruppen.
Regelungen anderer Länder mit ebenfalls hohen Gesundheitsstandards zeigen, dass das höchste Gebot der Sicherheit auch ohne eine pauschale Rückstellung von MSM von 12 Monaten erreicht werden kann: Länder wie Ungarn, Großbritannien und Brasilien haben diese Forderung angesichts der Corona-Pandemie in den letzten Monaten umgesetzt. Bulgarien, Italien, Lettland, Polen, Portugal oder Spanien beurteilen die Eignung als Blutspender*in nach dem persönlichen Risikoverhalten, nicht nach dem Geschlecht der Sexualpartner*innen. Die Entwicklungen in diesen Ländern folgten klaren Entscheidungen gegen Stigmatisierung und für Inklusion.

Im Gegensatz dazu entsprechen die Annahmen, die sich in der Blutspenderverordnung widerspiegeln und ihre Konsequenzen für homo- und bisexuelle Männer (MSM), sowie transidente Personen nicht den Maßstäben für ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld.
Deshalb haben sich einige österreichischer Unternehmen entweder bereits dazu entschieden, die Blutspendenaktionen bis zu einer Novellierung vorerst auszusetzen, oder denken konkret darüber nach. Denn Unternehmen / Arbeitgeber*innen sind auch gesetzlich dazu verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen ihre Mitarbeiter*innen vor Diskriminierung während ihrer Arbeitszeit und in Räumlichkeiten des Unternehmens zu schützen – unabhängig davon, durch wen die Diskriminierung erfolgt.

Der pauschale, unverhältnismäßige und damit diskriminierende Ausschluss von Personengruppen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität beim Blutspenden im Unternehmen ist inakzeptabel.

Die Beschäftigten von Unternehmen, in denen Blutspendeaktionen durchgeführt werden, sollen Blutspenden abgeben können, ohne dass sie dabei in unverhältnismäßiger, diskriminierender Weise ausgeschlossen werden.

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