Die EU-Kommission hat eine neuerliche Initiative zur Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion gestartet. In einer kürzlich vorgelegten Kommissions-Mitteilung wird die Einrichtung nationaler „Wettbewerbsfähigkeits-Räte“ empfohlen, wie sie bereits im 5-Präsidenten-Bericht zur Vertiefung der WWU vorgesehen sind.
Aufgaben dieser Wettbewerbsfähigkeitsräte („WBF-Räte“) sollen unter anderem sein:
Überwachung der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit im betreffenden Mitgliedsstaat
Beobachtung und Vergleich der Preis- und Qualitätsentwicklung von Gütern und Dienstleistungen inklusive der „Lohnkosten“. Dabei sollen die neuen WBF-Räte den Kollektivvertragsparteien sämtliche relevanten Informationen zur Verfügung stellen.
Die Erteilung von „politischen Empfehlungen“ zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sowie zur Umsetzung etwa im Rahmen des europäischen Semesters ausgesprochener länderspezifischer Empfehlungen
Die WBF-Räte sollen dabei gegenüber Regierung und Behörden „strukturell unabhängig“ und weisungsfrei agieren und sich mit allen relevanten Akteuren – einschließlich den Sozialpartnern und damit den Kollektivvertragsparteien – beraten, dabei allerdings nicht einseitig die Interessen einer Gruppe verfolgen. Die Einrichtung der WBF-Räte soll innerhalb der nächsten sechs Monate – auf Basis einer nicht bindenden Empfehlung erfolgen, eine verpflichtende Einrichtung wird bereits in Aussicht gestellt.
Der politische Grund für diese neuen Einrichtungen werden im Kommissionsdokument klar und unmissverständlich benannt: es geht um die Förderung und Umsetzung von Strukturreformen, wie sie die Kommission seit Jahren den Mitgliedsstaaten einfordert. Dazu sollen die WBF-Räte die entsprechende „unabhängige politische Expertise“ liefern und den entsprechenden Druck auf „Reformen“ erzeugen. Ausdrücklich sollen dabei „Lohnentwicklungen“ und deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit untersucht werden. Das ÖGB Europabüro hält dazu in einer Information fest:
„Bereits seit Jahren versucht die Kommission in ihren Empfehlungen die automatische Lohnindexierung in Ländern wie Belgien abzuschaffen oder die Heraufsetzung des gesetzlichen Pensionsalters (z.B. in Österreich) zu erzwingen. Generell gibt es seit Jahren einen Trend in der EU-Kommission, die Lohnverhandlungen zu ‚dezentralisieren‘, also Flächen-Kollektivverträge zu Gunsten von Firmen-KV’s einzuschränken.“
Auch wenn die Kommission betont, dass das Recht der Sozialpartner auf KV-Verhandlungen und Arbeitskampfmaßnahmen nicht berührt oder eingeschränkt werden soll: Ganz offensichtlich soll der Druck auf die nationalen Regierung sowie auf den Gesetzgeber erhöht werden, im Sinne der Hebung der Wettbewerbsfähigkeit entsprechende „Reformen“, wie sie etwa seitens der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen seit Jahren gefordert, und in Krisenländern bereits erfolgreich umgesetzt wurden (Dezentralisierung der Lohnverhandlungen, Stärkung der betrieblichen Ebene, Aufweichung des Allgemeinverbindlichkeit, …) nun im gesamten Euro-Raum Ebene durchzusetzen. Wenig überraschend fand auch keinerlei Einbindung des EGB in die Vorbereitung des Kommissionsvorschlags statt.