der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 174. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 11. November 2020
Antrag mehrheitlich angenommen:
FSG, GA. Persp, FAIR, ARGE, GLB, Türk-is, Kom., BDFA: ja
FA: für Zuweisung
ÖAAB: nein
Antragsbehandlung im Ausschuss Jugend, Bildung und Kultur
Die 174. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:
Die AK Wien setzt sich für ein Studieren ohne Hürden und ohne Zugangsbeschränkungen ein. Studieren soll für alle gut möglich sein – auch für Studierende, die Betreuungspflichten haben, Menschen mit Behinderung oder Studierende, die lohnarbeiten (müssen).
Die AK Wien fordert daher die Bundesregierung und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf,
- den Alltag von Studierenden nicht durch eine weitere Verschärfung, wie dem Nachweisen von einer willkürlich gesetzten ECTS-Anzahl, zu erschweren.
- die Studieneingangsphase als echte Orientierungsphase zu gestalten und Studierende nicht durch weitere Hürden darin am Zugang zur Universität hindern.
- eine Anpassung der Studien vorzunehmen, damit diese mehr den Bedürfnissen von erwerbstätigen Studierenden entsprechen.
Mit der Novelle des Universitätsgesetzes (UG) plant die Regierung eine Verschärfung der Studienbedingungen: Laut dieser müssen Studierende künftig eine willkürlich gesetzte ECTS-Punkteanzahl nachweisen, ansonsten erlischt die Zulassung zur Universität.
Massive Belastung für Studierende
Das Wissenschaftsministerium will hier einen Weg der massiven Verschärfungen für Studierende gehen. Diese treffen vor allem Studierende die Betreuungspflichten haben, Studierende mit Behinderungen oder Krankheiten.
Zudem trifft es die Mehrzahl der Studierenden, die arbeiten müssen um sich das Studium finanzieren zu können. Studentinnen und Studenten, die länger als die Regelstudienzeit plus zwei Semester studieren sind jetzt schon benachteiligt – sie müssen Studiengebühren bezahlen.
Jetzt soll es gerade für diese Studierende nochmal eine Verschärfung geben: Denn wie lange jemand studiert, hängt damit zusammen, wie seine finanzielle Situation aussieht, wie die Studierendensozialerhebung zeigt. Die Erwerbstätigkeit bei Studierenden ist im Vergleich zur letzten Erhebung von 2015 weiter von 61% auf 65% gestiegen. Das durchschnittliche Erwerbsausmaß ist dabei von 19,9 Stunden auf 20,5 Stunden pro Woche angewachsen. Das Hauptmotiv studentischer Erwerbstätigkeit ist weiterhin die finanzielle Notwendigkeit. Vor allem Studierende, die bereits vor Studienbeginn erwerbstätig waren und einen verzögerten Hochschulzugang aufweisen, sind aus diesem Grund erwerbstätig (84 %). Auch die Bildungsherkunft spielt eine wichtige Rolle: Studierende, deren Eltern keine Matura aufweisen, sind häufiger und in einem höheren Ausmaß erwerbstätig (Eltern mit Pflichtschule 71%, ohne Matura 70%, mit Studium 61%).
Der jetzt eingeforderte Punktenachweis zu einem bestimmten Datum belastet Studierende die einer Lohnarbeit nachgehen massiv. Es braucht flexible Studienpläne und Unterstützung für Studierende keine weiteren Hürden.
Zivilgesellschaftliches und politische Engagement wird erschwert
Viele Studierende gehen während ihres Studiums einem zivilgesellschaftlichen oder politischen Engagement nach. Das Engagement in NGOs, Rettung, Feuerwehr, Vereinen oder der ÖH – Österreichischen Hochschüler_innenschaft ist für viele persönlich wie beruflich wichtig und kann durch diese Hürden des Studiums erschwert werden.
Exmatrikulieren – Unis könnten die Zulassung der Studierenden einfacher löschen
Die Novelle soll demnächst in Begutachtung gehen. Studierende sollen einen willkürlichen Punktenachweis von 16 ECTS pro Studienjahr erbringen müssen. Ansonsten erlischt die Zulassung und eine Exmatrikulation liegt vor. Laut den derzeitigen Plänen gilt diese Regelung, bis Studierende insgesamt 100 ECTS-Punkte erreicht haben. Die Studienpläne sind so konzipiert, dass mit 60 absolvierten ECTS pro Studienjahr das jeweilige Studium in Mindeststudienzeit abgeschlossen wird. Ausnahme: Im ersten Studienjahr reicht auch die Absolvierung der Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP). Stichtag für das Erreichen der nötigen Studienleistungen für das am 1. Oktober beginnende Studienjahr soll jeweils der 30. September des nächsten Jahres sein. Universitäten könnten die Zulassung der Studierenden dann einfach löschen lassen. Dies kann bedeuten, dass Studierende plötzlich Studienbeihilfe oder Familienbeihilfe verlieren.
Mehrere Fächer studieren wird massiv erschwert
Diese Regelung soll nicht pro Studentin oder Student gelten, sondern pro Studium. Wer mehrere Studien belegt, muss also in allen die nötige Mindestleistung erbringen – sonst erlischt die Zulassung. Dies würde bedeuten, dass Studierende, die sich zB. für drei Fächer interessieren, das 3-fache an ECTS-Punkten nachweisen müssen. Das Studium wird somit unflexibel, ganz zu schweigen davon, dass die Interdisziplinärität damit auf der Stecke bleibt.
Verschärfung der STEOP – Studieneingangsphase
Zudem soll es eine weitere Verschärfung bei der sogenannten Cooling-off-Phase in der STEOP geben: Wird die STEOP nicht geschafft, kann dasselbe Studium nicht mehr belegt werden. Bisher konnte nach einem Scheitern in der STEOP zwei Semester gewartet und anschließend das gleiche Studium erneut belegt werden. Universitäten können mit Knock-Out-Prüfungen – also Prüfungen, die kaum jemand schafft – die Anzahl der Studierenden begrenzen. Damit nimmt man vielen Studierenden die Chance, das zu studieren, was sie wollen.
Die Planungen der UG-Novelle laufen offensichtlich ohne die Betroffenen ab. Ansonsten würde das Ministerium wissen, dass die wenig aktiveren Studierenden die Universität nicht belasten. Diese Maßnahmen werden an den Problemen der Universität nichts ändern, im Gegenteil.