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Antrag 3 der AUGE/UG an das Bundesforum der GPA-djp von 3. bis 5. November 2010

GPA-djp für das demokratische Grundrecht auf Bildung von allen in allem:
Flächendeckende, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung, Ganztägige Gesamtschule, soziale Integration, schulische Fördermaßnahmen und Ausbau von universitäre Forschung und Lehre sind öffentliche Aufgaben und brauchen ausreichend öffentliche Mittel.

Bildung kostet. Investitionen zur notwendigen Verbesserung von Schulen und Universitäten sind Zukunftsinvestitionen und ein wesentlicher Beitrag zu einer nachhaltigen Überwindung der Krise im Interesse der in Österreich lebenden, arbeitenden, lernenden und studierenden Menschen. Konjunkturpakete für Banken und Industrie hat es gegeben, was fehlt ist neben einer „Sozialmilliarde“ ein Konjunkturpaket Bildung, Schule und Universitäten – „eine Bildungsmilliarde“.

Bildung kostet. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt, aber während die Zahl der Millionäre steigt, sollen die Budgets des BMUKK und des BMWF um 1,46% gesenkt und bei dringend notwendigen sozialen und demokratischen Reformen und Reformansätzen gespart werden – oder bei den KollegInnen im öffentlichen Dienst und im ausgegliederten Bereich durch fortgesetzten Personalabbau und weitere Arbeitszeiterhöhungen („more for less“), durch prekäre Arbeitsverhältnisse und Nulllohnrunden. Auch der weitere Ausbau von vorschulischen Kinderbetreuungseinrichtungen (Kinderkrippen, Kindergärten) ist finanziell nicht mehr gesichert. ÖGB und AK haben bereits im April 2009 auf die Verantwortung der Bundesregierung für die Qualität öffentlicher Dienste und für das Schaffen qualifizierter und gesellschaftlich notwendiger Arbeitsplätze durch die öffentliche Hand hingewiesen.

Eine „Bildungsmilliarde“ würde nicht nur unmittelbar Beschäftigung im Bereich der Kinderbetreuung und der bildungspolitischen Einrichtungen schaffen, sowie über Sanierungs- und baulichen Maßnahmen an Gebäuden, technischer Ausstattung etc. ein mehr an Beschäftigung in betroffenen Branchen erzeugen, sondern vielfach überhaupt erst Beschäftigung und ein selbständiges Einkommen ermöglichen – insbesondere Menschen mit Kinderbetreuungspflichten aber mangelhaften Betreuungseinrichtungen, unter ihnen v.a. Frauen würden davon profitieren. Zusätzlich belegen Untersuchungen der AK-Wien, dass Bruttoinvestitionen in Soziales und Bildung sich bereits nach kurzer Zeit refinanzieren bzw. höhere künftige Einnahmen als Folge der Investition generieren (siehe AK-Studie „Der Sozialstaat als produktiver Faktor“).

Deshalb möge das Bundesforum der GPA-djp beschließen:

1. Die GPA-djp fordert Bundesregierung und Gesetzgeber auf, nach Banken- und Wirtschaftspaketen, noch in der laufenden Legislaturperiode ein zukunftsorientiertes, Wohlstand schaffendes und beschäftigungswirksames, Konjunkturpaket Bildung, Schulen und Universitäten im Ausmaß von einer Milliarde Euro zu beschließen („Bildungsmilliarde“)

Die GPA-djp bestärkt ihren Vorbehalt gegenüber dem Finanzrahmengesetz 2010 und fordert von der österreichische Bundesregierung zukunftsorientierte Nachverhandlungen der Bundesbudgets für Bildung, Familie, Wissenschaft und Forschung, um im Interesse der Kinder und Jugendlichen, von ArbeitnehmerInnen und derzeit Arbeitslosen folgende volkswirtschaftlich und beschäftigungspolitisch nachhaltig wirksame Maßnahmen sicherzustellen:

sozial-integrative und individuelle fördernde Maßnahmen im Bereich Unterricht und Schulorganisation, d.h. Anstellung von SozialarbeiterInnen, SonderpädagogInnen und FreizeitpädagogInnen, d.h. Ausweitung des Schulversuchs neue Mittelschule in Richtung einer ganztägig geführte Gesamtschule als Regelschule, um die „soziale Durchlässigkeit“ in unserem Bildungssystem zu erhöhen und Chancengerechtigkeit herzustellen sowie die entsprechende Adaptierung und Ausstattung schulischer Räumlichkeiten.

flächendeckender Ausbau qualitativ hochwertiger Kinderbetreuungs- bzw. – bildungseinrichtungen von der Kinderkrippe bis zur Schule, insbesondere für Unter-3-Jährige und Über-6-Jährige. Dieses Angebot muss ganzjährig, ganztägig und bedarfsgerecht gestaltet sein.

Ausreichende finanzielle Mittel für universitäre Forschung und Lehre, und Arbeits-, Lehr- und Lernbedingungen der StudentInnen sowie des wissenschaftlichen und allgemein Bediensteten zu verbessern. Insbesondere sind prekärer Beschäftigungsverhältnisse abzubauen und durchgängige universitäre Karrieren für JungwissenschafterInnen wieder zur ermöglichen. Der freie Hochschulzugang ist ebenso sicherzustellen wie die demokratische Mitbestimmung der Universitätsangehörigen wieder entsprechend herzustellen. Universitäre Bildungsangebote sind auch für ArbeitnehmerInnen mit Lehrabschluss zu öffnen, finanzielle Mittel für Ausbau der Bildungswegberatung an Universitäten und Schulen – an den AHS, BMHS und Berufsschulen

universitäre PädagogInnenausbildung für alle pädagogischen Berufe, Masterstudien für LehrerInnen aller Schultypen und Schulstufen

2. Die GPA-djp fordert von Bund und Ländern

eine Schulverwaltungsreform, die Entscheidungskompetenzen an die Schulen verlagert und gleichzeitig Personalvertretungsrechte der dort Beschäftigten, d.h. die Stärkung der Selbstverwaltung aller Schulen (Pflichtschulen, AHS, BMHS, Berufsschulen, Landwirtschaftliche Schulen), d.h. statt neun Landesschulbehörden und der Mehrgleisigkeiten auf Landes- und Bezirksebene Verlagerung von Ressourcen an die Schulen und zu den SchülerInnen

ein gemeinsames öffentliches Bundesdienstrecht für die LehrerInnen und PädagogInnen aller Schultypen und Schulstufen, das deren Leistungen für SchülerInnen und Schule besoldungsrelevant abbildet und laufende Verbesserungen von Unterricht (Projektunterricht, mehrtägige Schulveranstaltungen u.a.), Betreuung (ganztägige Schulformen) und Schulorganisation (neue Mittelschule/Gesamtschule) fördert

Download: Antrag_3_GPABF2010_AUGE_Bildungsmilliarde

Antrag 2 der AUGE/UG an das GPA-djp Bundesforum von 3. bis 5. November 2010

In Österreich hatten Ende 2009 94.388 Personen den Status eines Begünstigt Behinderten. Von den 17.113 Unternehmen hatten Ende 2008 nur 3.815 (22,3 %) ihre Einstellungspflicht (pro 25 Mitarbeiter/innen muss ein begünstigt Behinderter eingestellt werden) vollständig erfüllt. Insgesamt waren rund 67 % der Begünstigt Behinderte in Beschäftigungsverhältnissen, der Rest war entweder arbeitslos, bezog Notstandshilfe oder Karenzgeld, Pensionsanwärter oder wurde unter Sonstige subsumiert.

Novelle des Behinderteneinstellungsgesetzes

Ab 1. September 2010 trat eine Novelle des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) in Kraft. Eine wesentliche Änderung betraf die Einschätzung des Status des Begünstigt Behinderten. Bislang erfolgte die Einschätzung nach der Richtsatzverordnung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz aus 1957. Nun wird durch die sog. Einschätzungsverordnung (2011) die bisherige Praxis verändert. Die neue Verordnung unterscheidet sich laut ExpertInnenmeinungen durch die Höherbewertung von psychischen Erkrankungen, soll aber im Vergleich zur bisherigen Richtsatzverordnung den Prozentsatz der bisherigen Behinderungen vermindern. Dadurch kann es zu einer Verringerung der Anzahl der Begünstigt Behinderten aus den geänderten Bewertungsverfahren kommen, obwohl die tatsächliche Behinderung gleich wie bei der Richtsatzverordnung ist.

Die GPA-djp wird die Einstufungen der Begünstigt Behinderten nach der Einschätzverordnung genau beobachten und gegebenenfalls zum Schutze behinderter Menschen aktiv werden.

Kündigungsschutz

Die Kündigung eines Begünstigt Behinderten mit einem Beschäftigungsverhältnis von länger als sechs Monaten verlangt gemäß § 8 des BEinstG die Zustimmung des Behindertenausschusses beim Bundessozialamt. In der letzten Zeit haben v.a. Arbeitgebervertreter eine Aufweichung bzw. sogar eine Aussetzung dieses besonderen Kündigungsschutzes gefordert. Ähnlich äußert sich aber auch der Verbandspräsident des Österreichischen Zivil-Invalidenverbandes (ÖZIV) Klaus Voget, er könne sich vorstellen, dass der Kündigungsschutz erst nach drei Jahren beginne (Die Presse 6.8.2010).

Es wird argumentiert, dass der besondere Kündigungsschutz die Unternehmer davon abhalte Begünstigt Behinderte einzustellen. „Gerade in Zeiten unsicherer Konjunktur sind die Unternehmen bei der Einstellung von Mitarbeitern mit Behinderung vorsichtig, weil die Beendigung des Dienstverhältnisses etwa bei Auftragseinbrüchen oder Fehlverhalten nur sehr schwer möglich ist“, so Rolf Gleißner, von der WKÖ in einem OTS-Bericht (31.7.2010).

Diesen Argumenten tritt die GPA-djp scharf entgegen. Behinderte Menschen dürfen nicht den Profitinteressen untergeordnet werden. Arbeitsplatzsuchende Behinderte dürfen nicht gegen einen Arbeitsplatz besitzenden Behinderte ausgespielt werden.

Die GPA-djp stellt eindeutig fest, dass Begünstigt Behinderte eines besonderen Schutzes bedürfen. Die Ausgleichstaxe soll um das 10-fache (aktuell 223 Euro) erhöht werden, damit zum einen ein Anreiz besteht, Begünstigt Behinderte einzustellen und zum anderen diesen Menschen aufgrund ihrer Behinderung ein besonderer Schutz gewährt wird.

Urlaub

In verschiedenen Kollektivverträgen sind für Begünstigt Behinderte zusätzliche Urlaubstage vorgesehen. Die einzelnen Regelungen sind aber unterschiedlich, so gibt es z.B. im IT- und im Versicherungsinnendienst-Kollektivvertrag drei zusätzliche Urlaubstage, während es z.B. im Banken-KV einen Anspruch auf fünf zusätzliche Urlaubstage gibt. Dieser Zustand ist unbefriedigend.

Die GPA-djp wird in Zukunft danach trachten eine Harmonisierung auf fünf Urlaubstage pro Jahr für Begünstigt Behinderten (mit einem Grad von 50 %) in allen Kollektivverträgen zu erreichen.

Download: Antrag_2 _GPABF2010_AUGE_Behinderte

Antrag 1 der AUGE/UG an das Bundesforum der GPA-djp von 3. bis 5. November 2010

Die Arbeitslosigkeit ist in Österreich in den letzten dreißig Jahren dramatisch angestiegen.1980 waren 53.161 Personen arbeitslos gemeldet, 2009 wurde mit 260.309 Personen (Jahresdurchschnitt) der absolute Höchststand seit Ende des 2. Weltkrieges vermeldet. Gegenüber 1980 entspricht das einer Verfünffachung der Arbeitslosen. Die Anzahl der unselbständig Beschäftigte stieg im Vergleichszeitraum hingegen nur um 21 %.

Die Jubelmeldungen über die niedrigsten Arbeitslosenraten Österreichs in der EU können über das Arbeitslosenproblem nicht hinwegtäuschen. Die Arbeitslosenrate der EU (Labour Force Konzept). Als arbeitslos gelten in diesem Sinne Personen, die innerhalb der nächsten zwei Wochen eine Arbeit aufnehmen können, und während der vier vorhergehenden Wochen aktiv eine Arbeit gesucht haben, oder bereits eine Stelle gefunden haben und diese in maximal drei Monaten antreten.

In Österreich wird seit den Ende des Zweiten Weltkrieges eine zweite Arbeitslosenrate berechnet: die sog. Registerquote. Dabei werden alle beim AMS arbeitslos gemeldeten Personen als Anteil am sog. Arbeitskräftepotential (arbeitslos Gemeldete und unselbständig Erwerbstätige) berechnet. Addiert man zu den arbeitslos gemeldeten noch diejenigen Personen, die in Schulung sind und setzt sie als Anteil zum Arbeitskräftepotential, so erhält man eine Quote, die als (inoffizielle) „Registerquote plus“ bezeichnet werden kann. In der untenstehenden Grafik sind alle drei Arbeitslosenraten abgebildet.
D.h. nach die sog. Registerquote plus erreichte 2009 knapp 9 %, d.i. um fast vier Prozentpunkte mehr als die offizielle EU-Arbeitslosenrate.

Arbeit ist auch in Zeiten der Krise höchst ungleich verteilt. So arbeiteten im 3. Quartal
2009 Vollzeit arbeitende Männer nach wie vor durchschnittlich 42,9 Wochenstunden (2008: 43,1), Vollzeit beschäftigte Frauen 41,2 Wochenstunden (2008: 41,4 Stunden, Daten: Statistik Austria). Auch die durchschnittlichen Arbeitszeiten (Voll- und Teilzeit) haben sich kaum verändert: Männer arbeiteten im 3. Quartal 2009 durchschnittlich 41,1 Wochenstunden (2008: 41,4), Frauen 32,6 Wochenstunden (2008: 32,9). Eine deutliche Verschiebung hat es im Zuge der Krise von Voll- zu Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen gegeben: So ist die Teilzeitquote von 4/2008 23,6 % bis 3/2009 einmal mehr auf 24,1 % gestiegen. Verglichen mit dem zweiten Quartal 2008 sind bis zum zweiten Quartal 2009 54.500 Vollzeitstellen abgebaut worden. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit auf rund 400.000 Arbeitslose zu Beginn des Jahres 2010 gestiegen.

Höchst ungleich verteilt ist bezahlte und unbezahlte Arbeit nicht nur zwischen in Erwerbsarbeit stehenden und Arbeitslosen, sondern auch zwischen Männern und Frauen. Die Krise hat allerdings gleichzeitig auch bewiesen, dass Arbeitszeitverkürzung – etwa durch Kurzarbeit und Bildungskarenzen – auch Arbeitsplätze sichert, wenn auch unter Hinnahme eines teilweisen Lohnverlustes.

Tatsache ist auch, dass Arbeitszeitverkürzung seit Jahrzehnten stattfindet: allerdings nicht in Form einer kollektiven Arbeitszeitverkürzung, sondern individuell. Ohne Lohnausgleich und dadurch vielfach nicht existenzsichernd. Und keineswegs immer freiwillig, sondern weil gesellschaftliche Rahmenbedingung – wie etwa fehlende Betreuungseinrichtungen für Kinder oder zu pflegende Personen – nur Teilzeitarbeit zulassen.

Es besteht genügend Spielraum für eine grundlegende, radikale Verkürzung der Arbeitszeit: während nämlich das Bruttoinlandsprodukt von 1976 bis 2008 durchschnittlich um 5,2 % jährlich gewachsen ist, wuchsen die Lohneinkommen im gleichen Zeitraum unterdurchschnittlich um 4,8 %, während die Gewinneinkommen um 5,9 % überdurchschnittlich gewachsen sind. Produktivitätszuwächse schlugen sich also weder in einem entsprechenden Lohnwachstum nieder, noch in einer entsprechenden kollektiven Verkürzung der Arbeitszeit.

Eine grundlegende, umfassende Arbeitszeitverkürzung ist daher überfällig,

Um die vielen arbeitslosen Menschen in Beschäftigung zu bringen,
um eine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit – insbesondere zwischen den Geschlechtern – sicherzustellen,
um Arbeitslosigkeit und Armut über eine gerechtere Verteilung von bezahlter Arbeit wirkungsvoll begegnen zu können,
um den ArbeitnehmerInnen einen Teil jener Produktivitätszuwächse, die sie in den letzten Jahrzehnten erarbeitet haben, über kürzere Arbeitszeiten bei stabilen Einkommen zurückzugeben,
um eine faire Balance zwischen Arbeits- und Lebenszeit wieder herzustellen,
um gesundheitlichen Beeinträchtigungen die aus überlangen Arbeitszeiten entstehen entgegen zu wirken und
um über gleichberechtigte Partizipation am Arbeitsmarkt Aufstiegschancen zu gewährleisten.

Die GPA-djp fordert daher

eine radikale, allgemeine und gesetzliche Verkürzung der wöchentlichen und täglichen Normalarbeitszeit um mindestens 20 % – Zielrichtung 30-Stunden-Woche, 6-Stunden-Arbeitstag – mit Einkommensausgleich jedenfalls bis zur Höchstbeitragsgrundlage,
eine wirkungsvolle Eindämmung des Überstundenunwesens durch progressiv steigende Beiträge zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung für jede zusätzlich geleistete Überstunden. Eine Streichung der steuerlichen Begünstigung von Überstunden,
eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen, ab einem bestimmten Ausmaß an regelmäßig und dauerhaft über einen gewissen Zeitraum erbrachten Überstunden (z.B. Überstunden im Ausmaß von zehn Prozent des gesamten Normalarbeitszeitvolumens) eine entsprechende Anzahl an neuen ArbeitnehmerInnen einstellen zu müssen,
die Einführung einer sechsten Urlaubswoche, wie in vielen europäischen Ländern längst Standard und
einen Rechtsanspruch auf zeitlich befristete berufliche Auszeiten (Sabbatical, Betreuungs-, Bildungskarenzen) bei Bezug eines fiktiven Arbeitslosengeldes mindestens jedoch Mindestsicherung.

Download: Antrag_1_GPABF2010_AUGE_Arbeitszeitverkuerzung

Dringlichkeitsantrag der AUGE/UG an das Bundesforum der GPA-djp vom 3. bis 5. November 2010

Die GPA-djp lehnt die geplante, verschlechternde Novellierung des § 96 ArbVG ab

Im Parlament wird in Kürze eine Novelle des ArbVG behandelt werden, die den jahrelangen und erfolgreichen Kampf von Betriebsratskörperschaften und der GPA-djp rund um leistungs-und erfolgsbezogene Entgeltsysteme mit Zielvereinbarungen zunichte macht. § 96 Abs.1 Z.4 ArbVG soll so geändert werden, dass nur mehr Akkordlöhne und akkordähnliche Entgeltformen erfasst werden.

Die in diesem Passus des ArbVG jetzt erwähnten „sonstigen“ leistungsbezogenen Prämien und Entgelte, die auf Arbeits(Persönlichkeits)bewertungsverfahren, statistischen Verfahren, Datenerfassungsverfahren, Kleinstzeitverfahren oder ähnlichen Entgeltfindungsmethoden beruhen… sollen ersatzlos gestrichen werden! Dafür soll im § 97 Abs.1 Z.16 ArbVG die Möglichkeit einer völlig zahnlosen, fakultativen Betriebsvereinbarung geschaffen werden.

Die im Kern zustimmenden Stellungnahmen von ÖGB und AK im Begutachtungsverfahren sind nicht nachvollziehbar, da sie die enorme Bedeutung von entgeltwirksamen Zielvereinbarungssystemen im Angestelltenbereich offensichtlich nicht kennen und daher auch nicht berücksichtigen.

Viele Betriebsratskörperschaften, die in der GPA-djp organisiert sind, haben für die ArbeitnehmerInnen in ihrem Betrieb wegweisende Vereinbarungen abgeschlossen. In diesen Vereinbarungen werden Zielvereinbarungssysteme und darauf aufbauende Entgeltformen transparent gestaltet, ArbeitnehmerInnen vor unzumutbaren Belastungen geschützt und in der Verteilung der Prämien auf die verschiedenen Gruppen im Betrieb mehr Gerechtigkeit geschaffen. Der OGH hat 2008 (OGH 8.10.2008, 9 Ob A144/07b) auf Basis der derzeit noch geltenden Rechtslage entschieden, dass ein typisches Zielvereinbarungssystem mit Prämienregelung als zustimmungspflichtig unter § 96 Abs.1 Z.4 ArbVG zu subsumieren ist.

Das Alles wird in Zukunft nicht mehr in dieser Form möglich sein, wenn es nicht gelingt die anstehende Novellierung des § 96 ArbVG im letzten Augenblick zu verhindern. Das Bundesforum beauftragt die VertreterInnen der GPA-djp umgehend an die Abgeordneten der Parlamentsparteien heranzutreten und mit Nachdruck diese Forderung zu vertreten. Es geht um ein Kernstück der Mitbestimmung!

Resolution zur 147. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 25. November 2010

Am 29. September 2010 präsentierte die Europäische Kommission ein sechs Punkte umfassendes Legislativpaket um die wirtschaftspolitische Steuerung zu stärken. Dieses soll vom Rat, vom Europäischen Parlament und vom Wirtschafts- und Sozialausschuss geprüft und – so Wunsch der EU-Kommission – zügig angenommen werden. Mit diesen Vorschlägen will die Kommission gewährleisten, „dass die EU und der Euroraum von einer wirksamen Koordinierung der Wirtschaftspolitik“ profitiert. Weiters soll vorgeschlagenes Paket „die erforderliche Stärke für eine solide Wirtschaftspolitik verschaffen“ und zu „… einem nachhaltigen Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen“

Tatsächlich stellt dieses Paket – sollte es beschlossen und umgesetzt werden – allerdings eine massive Verschärfungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts sowie erweiterte Möglichkeiten für die EU-Kommission, unmittelbar in die innerstaatliche Budget- und Wirtschaftspolitik einzugreifen, dar. So sehen die Vorschläge der EU-Kommission u.a. schärfere Sanktionen und Strafen vor, die unmittelbar von der Kommission verhängt und vom EU-Rat nur innerhalb einer ausgesprochen kurzen Frist widerrufen werden können, wenn etwa von einer „vorsichtigen Finanzpolitik“ – wie sie von der EU-Kommission verstanden wird – abgewichen wird. Weiters finden sich im Legislativpaket auch Forderungen nach einer rascheren Beschleunigung des Schuldenabbaus, welcher ebenfalls stärker sanktionierbar werden soll. Künftig soll es der EU-Kommission zusätzlich ermöglicht werden, im Falle „makroökonomischer“ Ungleichgewichte gegenüber dem betroffenen Mitgliedsländern Empfehlungen auszusprechen, Verfahren gegen EU-Mitgliedsländer einzuleiten. Sollte der betroffene Mitgliedstaat den Empfehlungen der EU-Kommission nicht entsprechend Folge leisten und werden nationalstaatliche Maßnahmen gegen die ökonomischen Ungleichgewichte nicht oder nicht ausreichend ergriffen, soll auch in diesem Falle ein Sanktionsmechanismus in Kraft treten.

Gerade aus ArbeitnehmerInnensicht wurde und wird der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) immer wieder heftig kritisiert. Der SWP wirkt nachweislich prozyklisch und beschäftigungsfeindlich. Wäre dieser in der Wirtschaftskrise mit all seinen Konsequenzen angewendet worden, hätte er diese dramatisch verstärkt. Die von der EU-Kommission im ausgesprochenen Empfehlungen zur Rückführung nationaler Budgetdefizite stellen dabei immer wieder Kampfansagen an die Gewerkschaftsbewegung dar, beinhalten Empfehlungen der Kommission doch geradezu gebetsmühlenartig und regelmäßig die Flexibilisierung und Deregulierung von Arbeitsmärkten und Arbeitsverhältnissen sowie Rückbau bzw. die Privatisierung bislang öffentlich finanzierter und organisierter Sozialsysteme, insbesondere der Pensions- und Gesundheitssysteme.

Das vorgelegte Legislativpaket erweckt einmal mehr den Eindruck, dass die Ursachen der Krise mit den Folgewirkungen vermischt werden. Der Schuldenstand einzelner Länder ist tatsächlich bedrohlich, allerdings Folge einer Wirtschaftskrise, deren Ursachen vor allem in der über Jahrzehnte neoliberaler Wirtschaftspolitik immer größer gewordenen Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen, sowie in der seit den 70er Jahren massiv vorangetriebenen Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte liegen. Gründe für den steigenden Schuldenstand sind allerdings nicht nur in den im Zuge der Krise getätigten Ausgaben zu suchen, sondern auch in den massiven, krisenbedingten Einnahmeausfällen und auch schon in den Jahren zuvor, wo unter dem Schlagwort des „Standortwettbewerbs“ ein Steuersenkungswettlauf – insbesondere bei Steuern auf Kapital und Vermögen – stattgefunden hat, zu suchen.

Tatsache ist zusätzlich, dass ausgerechnet EU-Mitgliedsstaaten wie Irland oder Spanien über viele Jahre hinweg Budgetüberschüsse erzielten und als „Musterschüler“ hinsichtlich der Einhaltung des SWP galten, gerade allerdings im Zuge der Krise mit massiven Budgetdefiziten und entsprechend stark wachsenden Schuldenständen zu kämpfen haben.

Mit dem vorgelegten 6-Punkte-Paket wird keinerlei Beitrag zur Bewältigung der Ursachen der Krise geleistet. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: während die automatischen Stabilisatoren des modernen Sozialstaats, im Gegensatz zu den 1920er Jahren, die Folgen der Krise wirkungsvoll abgefedert und einen massiven Einkommensausfall verhindert haben, soll nun ausgerechnet beim Sozialstaat gespart werden. Eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie eine Stärkung der EU-Kommission gegenüber nationaler Wirtschafts- und Budgetpolitik bis hin zur unmittelbaren sanktionierbaren Beeinflussung führt unweigerlich zu Sozialabbau über Sparpakete bzw. über die Privatisierung von Pensions- und Gesundheitssystemen – wobei gerade auch private Pensionsvorsorge krisenverstärkend wirkt und besonders krisenanfällig ist! Es sollen einmal mehr jene für die Kosten der Krise aufkommen, die für die Krise nicht verantwortlich sind.

Eine automatisierter Sanktionsmechanismus, falls Empfehlungen der EU-Kommission nicht Folge geleistet wird, schränkt die Autonomie und die Budgethoheit demokratisch gewählter nationaler Parlamente empfindlich ein.

Budgetpolitik ist in Zahlen gegossene Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Budgetpolitik ist daher zentrales Feld politischer Auseinandersetzung. Es ist eine Frage gesellschaftlicher und politischer Kräfteverhältnisse und entsprechenden Ausverhandlungsprozessen, welche Schwerpunkte im Rahmen Rahmen eines Budgets gesetzt werden, wo investiert wird und wo nicht. Ein mit Sanktionsmechanismen ausgestattetes Regelwerk, sowie eine Institution, die vorgibt, das Meinungsmonopol über richtige und falsche Budgetpolitik zu haben, verneint bzw. relativiert den gesellschaftspolitischen Charakter wirtschaftspolitischer Entscheidungen. Gerade aus ArbeitnehmerInnensicht ist dieser Zugang zu Budget- und Wirtschaftspolitik entschieden abzulehnen, da Politik und staatliche Hand seit jeher umkämpfte Felder unterschiedlicher, vielfach widersprüchlicher und entgegengesetzter Interessen sind, und in diesem Sinne ein Anspruch auf „Objektivität“ und „Neutralität“ nicht erfüllbar ist!

Die Bundesarbeitskammer fordert daher die österreichische Bundesregierung im Rahmen des Europäischen Rates, aber insbesondere auch das EU-Parlament und die EU-ParlamentarierInnen auf, dem 6-Punkte Legislativpaket der EU-Kommission in dieser Form nicht näher zu treten und dieses abzulehnen.

Vielmehr gilt es für die Europäischen Union endlich die logischen Konsequenzen aus der Krise zu ziehen, die jedenfalls in einer starken Regulierung der Finanzmärkte und Finanzinstitutionen, einer Entmachtung der privaten Rating-Agenturen, einem Verbot hochriskanter Finanzprodukte und einer EU-weiten Besteuerung von Finanztransaktionen liegen müssen. Ausserdem ist ein grundlegender wirtschaftspolitischer Kurswechsel auf europäischer Ebene in Richtung Erreichung eines hohen Beschäftigungsgrades, Schaffung und Sicherung qualitativ hochwertiger und sozial gut abgesicherter Beschäftigungsverhältnisse, Ausbau und Stärkung wirtschaftlicher Demokratie, Abbau sozialer Ungleichheit, Sicherung öffentlicher, sozialer Sicherungssysteme und Daseinsvorsorge, Umbau des europäischen Wirtschaftssystems im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit und des Klimaschutzes einzuleiten.

Download: BAK AUGE Resolution_EU_SWP