Antrag 3 / Transparenz bei Vermögen und Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit statt Spitzeldatenbank für Menschen mit niedrigen Einkommen

– maßgebliche Politiker bereits angekündigt haben, eine derartige Datenbank zur Kürzung staatlicher Leistungen zu Lasten von ArbeitnehmerInnen und Menschen mit niedrigen Einkommen nutzen wollen,

beauftragt die Vollversammlung der AK-Wien ihre VertreterInnen, mit allen gebotenen politischen wie rechtlichen Mittel gegen die geplante zentrale Bespitzelungsdatenbank vorzugehen.

Gleichzeitig fordert die Vollversammlung der AK-Wien die Bundesregierung auf, zur Herstellung von Transparenz die weitgehende Intransparenz betreffend Selbständigeneinkommen und Einkommen aus Vermögen zu beseitigen.

Im Oktober 2009 trat Finanzminister Pröll mit der Forderung nach Schaffung eines Transferkontos in die Öffentlichkeit. Zur Untermauerung seiner Forderung verwies er auf eine angebliche Studie, die mit falschen Zahlen, fehlerhaften Annahmen und absurden Umdeutungen der Realität operierte. In einer Unterlage des Finanzministers wurden diese Zahlen, Annahmen und Umdeutungen verbreitet und flossen so in die Berichterstattung ein. Warum das Finanzministerium falsche Zahlen etwa betreffend die Höhe der vom Ministerium selbst ausbezahlten Familienbeihilfe veröffentlicht, fragte niemand.

Zur Begründung dieses Vorschlags griff der ÖVP-Obmann tief in die Trickkiste der Halbwahrheiten und der Stimmungsmache : „Auf der einen Seite ist das Monatsgehalt für Arbeiter und Angestellte bis 1.205 Euro steuerfrei. Daher zahlen 2,7 Mio. Menschen keine Lohn- und Einkommensteuer. Gleichzeitig sind diese Menschen aber die Hauptempfänger zahlreicher einkommensabhängiger Beihilfen.
Das führt dazu, dass „Steuerzahlerfamilien“ oft ein weit niedrigeres Familieneinkommen haben als jene, die gar keine Steuer zahlen, aber Anspruch auf zahlreiche Beihilfen haben.
Ich frage mich – und ich frage Sie: Ist das Verteilungsgerechtigkeit?“

In Klassenkampf-Rhethorik verfiel auch ÖVP-Klubobmann Kopf, der aus der Tatsache, dass Österreich eine hohe Sozialquote hat (was, wie jeder halbwegs gebildete Mensch wissen muss, nur bedingte Aussagekraft hat) schloss, es wäre „wohl klug, da oder dort zu kürzen.“

Ein kurzfristig von der ÖVP unter fragwürdiger Verwendung einer Webadresse der Bundesregierung ins Netz gestellter Vorschlag für ein Transferkonto entpuppte sich als regelrechtes Spitzelkonto. Darin vermerkt waren etwa neben dem Religionsbekenntnis auch die Inanspruchnahme einer Förderung für eine Kinderferienaktion, einer Förderung für Frauenspezifisches Aktivitäten, einer Familienurlaubsaktion und eines Säuglingsgutscheins der Gemeinde Perchtoldsdorf.

Während des Wahlkampfes zur Wirtschaftskammerwahl griffen auch Funktionäre des Wirtschaftsbundes angebliche Beispiele von Menschen auf, die mit Transfereinkommen ein höheres Einkommen erwirtschaften als andere mit Arbeit. Diese Beispiele haben alle miteinander eines gemeinsam: Sie sind haarsträubend und falsch. Der Wirtschaftsbund Kärnten erlaubte sich sogar, eine monatliche Auszahlung einer Heizbeihilfe in Kärnten zu erfinden.

Eine parlamentarische Enquete im Jänner 2010 erbrachte einen eindeutigen Befund: Hinsichtlich der Verwendung von Transferleistungen besteht fast 100-prozentige Transparenz. Transparent ist auch die Struktur der Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit. Weitgehend im Dunkeln tappen ForscherInnen wie Behörden jedoch bei den Einkommen von selbständig Erwerbstätigen und bei Vermögen.

Alois Guger vom wifo formulierte es so: „Da Transparenz angesprochen wurde, möchte ich festhalten – es wurde zum Beispiel behauptet, wir hätten überhaupt keine Transparenz –: Wir haben eine relativ hohe Transparenz bei Unselbständigenhaushalten und bei Transfereinkommensbeziehern. Wenn wir da die Leistungen, die wir aus den Befragungen haben, zuordnen, kommen wir auf relativ realistische Beträge. Es gibt aber eine starke Intransparenz, was die Selbständigeneinkommen und die Vermögensbezüge betrifft. Wenn wir da versuchen zuzuteilen, dann kommen wir auf viel zu geringe Größenordnungen. Vergleichbar kann man es nicht darstellen, da müsste eine eigene Studie erstellt werden. – So viel zum Thema Transparenz.“

Dennoch hat der Ministerrat am 2. März den Beschluss gefasst, die Vorarbeiten zur Erstellung einer „Transparenzdatenbank“ bis Jahresende abzuschließen. Dieser Beschluss wurde von der ÖVP als Durchsetzung ihrer Forderung nach einen Transferkonto gefeiert.

Angesichts der Tatsache, dass die Inanspruchnahme von sozialen Transferleistungen in Österreich in höchstem Maße transparent ist und die Schaffung eines zentralen Registers aller Leistungen der öffentlichen Hand ein Bürokratiemonster ohne Sinn und Wert darstellt,
angesichts der Tatsache, dass Leistungen der öffentlichen Hand zu recht an unterschiedliche Kriterien geknüpft sind und eine zusammenfassende, personenbezogene Darstellung etwa ohne Abgehen vom Prinzip der Individualbesteuerung gar nicht möglich ist,
angesichts der Tatsache, dass von den BefürworterInnen eines Transferkontos bisher ausschließlich falsche Daten in die öffentliche Debatte eingebracht wurden und diese von den ProtagonistInnen angezettelten Neiddebatte auf Kosten von Menschen mit niedrigem Einkommen niemals richtig gestellt wurden,

stellen wir folgenden

Antrag:

Die AK-Wien möge beschließen:

Die Vollversammlung der AK-Wien lehnt die Schaffung einer zentralen Datenbank aller von Menschen mit niedrigem Einkommen erhaltenen Sozialleistungen ab. Auf Grund der Tatsache, dass

– die Verwendung dieser Mittel bereits jetzt in hohem Ausmaß transparent ist
– es für ein Einsichtsrecht einer Behörde in eine zentrale Darstellung der höchstpersönlichen Lebenssituation von Individuen ohne richterliche Anordnung weder Rechtsgrundlage noch Rechtfertigung gibt und…
– maßgebliche Politiker bereits angekündigt haben, eine derartige Datenbank zur Kürzung staatlicher Leistungen zu Lasten von ArbeitnehmerInnen und Menschen mit niedrigen Einkommen nutzen wollen,

beauftragt die Vollversammlung der AK-Wien ihre VertreterInnen, mit allen gebotenen politischen wie rechtlichen Mittel gegen die geplante zentrale Bespitzelungsdatenbank vorzugehen.

Gleichzeitig fordert die Vollversammlung der AK-Wien die Bundesregierung auf, zur Herstellung von Transparenz die weitgehende Intransparenz betreffend Selbständigeneinkommen und Einkommen aus Vermögen zu beseitigen.

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