Antrag 09 / Geschützte Werkstätten

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen

zur 166. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 29. November 2018

Antrag mehrheitlich zugewiesen
ÖAAB, FA: ja
FSG: für Zuweisung

Antragsbehandlung im Vorstand

Die 166. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammertritt dafür ein, dass

  • Menschen mit psychischen und physischen Einschränkungen sowie mit Menschen mit Lernschwierigkeiten, sofern sie dies wollen, einen Rechtsanspruch auf Zugang zu Erwerbsarbeit erhalten;
  • diese Menschen für die von ihnen ausgeübte Erwerbsarbeit Anspruch auf einen Lohn sowie die Entrichtung von Beiträgen in das System der Sozialversicherung haben und
  • die Sozialhilfeträger der Bundesländer für jene Menschen, die heute das Pensionsantrittsalter erreicht oder überschritten haben und Zeiten in sogenannten „geschützten Werkstätten“ verbracht haben, jedoch in dieser Zeit keinen Lohn erhielten, entweder aus der Sozialhilfe oder durch Nachzahlung von Pensionsbeiträgen dafür Sorge tragen, dass diese Menschen eine Leistung zumindest in jener Höhe erhalten, die ihnen als ArbeitnehmerInnen mit entsprechenden Versicherungszeiten unter Zugrundelegung eines kollektivvertraglichen Lohns für Hilfsdienste zustehen würde.

Auf Grund der systematischen Ermordung von Menschen mit Behinderung in der Zeit des Nationalsozialismus hat es Jahrzehnte gedauert, ehe die Gesellschaft in Österreich bereit war, sich mit der Situation behinderter Menschen in diesem Land auseinanderzusetzen. Erste zaghafte Einrichtungen sogenannter geschützter Werkstätten wurden erst in den 1960ern geschaffen. Diese Einrichtungen waren zwar wichtig, stellen im Nachhinein betrachtet jedoch eine Fortsetzung jener Denkwelten dar, nach der Menschen mit Behinderungen und insbesondere Menschen mit Lernschwierigkeiten keine vollwertigen Mitglieder dieser Gesellschaft sind. Dieser Zugang drückt sich dadurch aus, dass „geschützte Werkstätten“ als Maßnahme der Mildtätigkeit betrachtet wurden und es für Arbeit in diesen Einrichtungen damals und in den allermeisten Fällen bis heute keinen Lohn gab und gibt.
Das internationale Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hält fest:
in Art. 27:
„Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, inklusiven und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird.“
in Art. 28:
„Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf sozialen Schutz und den Genuss dieses Rechts ohne Diskriminierung aufgrund von Behinderung und unternehmen geeignete Schritte zum Schutz und zur Förderung der Verwirklichung dieses Rechts.“
Tatsache ist, dass diese Rechte in Österreich noch nicht vollständig umgesetzt sind. Derzeit erreichen Menschen das Pensionsalter, die ihr ganzes Leben lang in sogenannten geschützten Werkstätten gearbeitet haben, aber keinen Lohn erhielten, daher auch keine Beiträge abführen und somit keine Pension erreichen konnten.
Es ist als Schritt der Anerkennung von Menschen mit psychischen und physischen Behinderungen sowie von Menschen mit Lernschwierigkeiten als vollwertige Mitglieder dieser Gesellschaft und Träger von Grund- und Freiheitsrechten unabdingbar, die Fehler der Vergangenheit im Umgang mit diesen Menschen zu korrigieren und dafür zu sorgen, dass
Arbeit in sogenannten „geschützten Werkstätten“ als vollwertige Arbeit anerkannt und entsprechend entlohnt, sowie die in der Vergangenheit in geschützten Werkstätten erbrachte Arbeitsleistung als pensionsbegründend anerkannt wird.
Die Kosten eines derartigen Schrittes sind – abgesehen von Umstellungskosten – relativ gering, da diese Menschen auch in der Zeit der Arbeit in den Werkstätten Anspruch auf Sozialhilfe hatten und auch im Alter haben werden.

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