Antrag 09 / Nein zu diesem Arbeitszeitflexibilisierungspaket!

  • Maßnahmen gegen ausufernde Überstundenarbeit, etwa über einen progressiv steigenden Zuschlag zu den Arbeitgeberbeiträgen zur Krankenversicherungen pro zusätzlich geleisteter Überstunde (ab 41. Stunde)
  • Keine Ausdehnung der maximal zulässigen Höchstarbeitszeiten (12 Stunden täglich/60 Stunden wöchentlich) von 12 auf 24 Wochen jährlich. „Besonderer Arbeitsbedarf“ muss Ausnahme bleiben und darf nicht  Regel werden!
  • Berücksichtigungswürdige, persönliche Interessen der ArbeitnehmerInnen – wie Kinderbetreuung, Pflege, infrastrukturelle Rahmenbedingungen etc. – müssen bei Arbeitszeitflexibilisierung gewahrt und wirkungsvoll gesichert bleiben!
  • Daher: Keine betrieblichen Arbeitszeitregelungen ohne Betriebsrat – insbesondere keine Ausdehnung der Arbeitszeit über  Einzelverträge
  • Mehrstunden bei Teilzeitarbeit sind wie Überstunden zu regeln, daher 50 % Zuschlag bei Mehrarbeit und kein gesetzlicher Durchrechnungszeitraum
  • Das von ÖGB und Wirtschaftskammer ausgehandelte Paket zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten ist nicht nur ein Schritt in die falsche Richtung, sondern bedeutet in vielen Punkten vielmehr einen Schritt in die Vergangenheit. Es sieht Möglichkeiten zu einer drastischen Verlängerung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten vor und verlagert Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung nicht nur auf die betriebliche, sondern auch auf die individuelle, einzelvertragliche Ebene:

    • Bis zu 24 Wochen im Jahr soll  „bei besonderem Arbeitsbedarf“ eine tägliche bzw. wöchentliche  Höchstarbeitszeit von 12 bzw. 60 Stunden ermöglicht werden.
    • Durch Vereinbarung im Kollektivvertrag kann die tägliche Normalarbeitszeit auf bis zu 10 Stunden erhöht werden.
    • Die Einführung einer Vier-Tage-Woche (4 Tage a 10 Stunden) wird auch auf betrieblicher Ebene möglich sein – wo ein Betriebsrat besteht über eine Betriebsvereinbarung, ohne Betriebsrat  sogar durch Einzelvereinbarung!
    • Wo es keine kollektivvertragsfähige Interessensvertretung gibt, soll generell die betriebliche Ebene hinsichtlich einer Regelung der Arbeitszeiten gestärkt werden
    • Einzig die Vereinbarung für Teilzeitbeschäftigte geht in die richtige Richtung, ist allerdings unzureichend: Es soll einen Zuschlag von 25 % für jede geleistete Mehrstunde geben, falls diese Mehrarbeit nicht innerhalb eines Quartals ausgeglichen wird

    Während die Vorteile für die Arbeitgeberseite offensichtlich sind, sind diese für ArbeitnehmerInnen nur schwerlich zu verorten. Vielmehr bringt es bedeutende Nachteile für die unselbständig Beschäftigten. Das vorliegende Verhandlungsergebnis ist daher aus mehreren Gründen abzulehnen:

    • Sie bringt eine de facto Arbeitszeitverlängerung die keine neuen Jobs schafft sondern, im Gegenteil, das Ziel der Vollbeschäftigung klar konterkariert. Die Arbeitskraft der Stammbelegschaften wird dagegen noch intensiver „genutzt“, um nicht zu sagen „ausgebeutet“, auf Kosten von Gesundheit, Freizeit und Lebensqualität.
    • Sie erhöht die Verfügbarkeit der Unternehmen über die Zeit der unselbständig Beschäftigten. Wenn das Gesetz die Möglichkeit vorsieht, dass über ein halbes Jahr hinweg die Höchstarbeitszeiten drastisch auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich ausgedehnt werden können, bedeutet das eine de facto Verabschiedung von der  alten gewerkschaftlichen Forderung „8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Freizeit, 8 Stunden Schlaf“ und ein weitere Schritt in Richtung Umverteilung von Arbeit zu Kapital – zugunsten einer Ausdehnung der Mehrwertproduktion zulasten der freien Zeit der ArbeitnehmerInnen.
    • Sie erhöht in Betrieben ohne Betriebsrat den Druck auf einzelne Beschäftigte, mehr Überstunden zu leisten – aus Angst um den Arbeitsplatz häufig ohne entsprechende Zuschläge.
    • Statt BetriebsrätInnen in ihrer Position hinsichtlich der Regelungen von Arbeitszeiten im Betrieb  zu stärken und aufzuwerten, bekommen betriebsratslose Betriebe noch die Möglichkeit einzelvertraglich derartige Vereinbarungen treffen zu können. Das kann geradezu als Einladung ausgelegt werden, BetriebsrätInnen die sich derartigen Betriebsvereinbarungen widersetzen, durch den Dienstgeber aus der Funktion zu drängen (das kommt auch jetzt schon immer wieder vor), bzw. BetriebsrätInnen zu verhindern um direkt mit dem schwächeren Verhandlungspartner DienstnehmerIn individuelle Regelungen treffen zu können. Gerade  wenn die Belegschaft über Arbeitszeitmodelle gespalten ist werden die DienstgeberInnen diese DienstnehmerInnen gegen den Betriebsrat zu instrumentalisieren versuchen, um deren Abwahl zu betreiben.
    • Längere und flexiblere tägliche Arbeitszeiten erschweren die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von bürger- bzw. zivilgesellschaftlichem Engagement. Insbesondere sind vollzeitbeschäftigte Frauen davon betroffen, da – leider – nach wie vor sie in überwiegendem Ausmaß Kinderbetreuung und andere reproduktive Tätigkeiten leisten. Mit dem vorliegenden Arbeitszeitpaket wird diese gesellschaftliche Rollenverteilung noch gestärkt.
    • Die zu niedrigen Zuschläge bei Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten wirken einer weiteren Zerlegung von Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung nicht wirksam entgegen, der gesetzliche Durchrechnungszeitraum dient nicht dem Ziel, Einkommen von Teilzeitbeschäftigten zu erhöhen
    • Eine Stärkung der betrieblichen oder sogar der einzelvertraglichen Ebene bedeuten insgesamt eine Schwächung der ArbeitnehmerInnen und ihrer Interessenvertretungen.
    • Das vorliegende Arbeitszeitflexibilisierungspaket setzt schlussendlich keinerlei Schritte in Richtung einer gerechteren Verteilung von Arbeit durch  Arbeitszeitverkürzung sondern schafft vielmehr Spielräume für eine Arbeitszeitverlängerung und öffnet Tür und Tor für weitere Begehrlichkeiten der Unternehmensseite
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