Gemeinsamer Antrag Nr. 1 / Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten erhöhen

der Fraktion sozialdemokratischer GewerkschafterInnen,
der AUGE/UG – Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen,
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich angenommen:
FSG, ÖAAB, FA, GA, Persp, ARGE, GLB, Türk-is, Kom.: ja
FAIR: für Zuweisung

Antragsbehandlung im Ausschuss Konsumentenschutz und Konsumentenpolitik

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

Die AK Wien fordert von der Bundesregierung:

  • Je nach Produktgruppe Ausweitung der Gewährleistungsfrist über das derzeitige Maß hinaus sowie die Erhöhung der Beweislastumkehr auf 2 Jahre
  • Verpflichtende Herstellergarantie als Anreiz für Hersteller, ihre Produkte von vornherein haltbarer zu gestalten
  • Transparente und leicht verständliche KonsumentInneninformation zu Haltbarkeit und Reparierbarkeit
  • Nationale Umsetzung einer Reparatur-Ampel nach dem Modell Frankreich
  • Bessere Rahmenbedingungen für Reparaturen insbesondere:
    • Reparaturen sollen technisch möglich, einfach durchführbar (zB Akkuaustausch, Verbot von Spezialwerkzeugen) sowie leistbar und attraktiv sein (zB durch zur Verfügung stellen von Ersatzgeräten),
    • Unternehmen müssen verpflichtet werden, Softwareupdates über einen bestimmten, angemessenen Zeitraum zu gewährleisten,
    • Förderung unabhängiger (sozialwirtschaftlicher) Reparaturbetriebe
  • Standardisierung und Normung von Produkten forcieren:
    Universelle Schnittstellen von wichtigen Modulen (zB Ersatzteile, aber auch Ladekabel oder einzelne Komponenten) sollen anbieterunabhängig sein
  • Modularität bei Produkten forcieren/fördern:
    Durch den modularen Aufbau können einzelne Komponenten adaptiert und auf den neuesten technischen Stand gebracht werden, ohne das komplette Gerät zu erneuern
  • Massive Verstärkung der Marktüberwachung v.a. in Bezug auf Einhaltung der Ökodesign-Richtlinie
  • Förderung alternativer und innovativer Geschäftsmodelle (zB Produkt-Leasing)
  • Werbung und Marketing muss ökologisch und sozial verträglich sein (zB verantwortlicher Umgang mit Ressourcen, dh längere Nutzung von Produkten)

KonsumentInnen sind noch immer mit frühzeitigem Verschleiß bei Konsumgütern konfrontiert und Reparaturen sind oft aus vielen Gründen schwer oder nicht möglich. Oft gehen die beiden Probleme Hand in Hand. Eines der größten Schwachstellen sind bspw Akkus in elektronischen Geräten – diese verlieren sehr schnell an Leistungsfähigkeit, wodurch die Nutzung des Geräts schnell an Reiz verliert oder überhaupt nur mehr eingeschränkt möglich ist. Durch die Kombination mit der Tatsache, dass viele Geräte (zB Smartphones oder Notebooks) verschweißt sind und dadurch kein Tausch der Akkus möglich ist – werden die Geräte frühzeitig ersetzt, obwohl diese mit einfachen Mitteln noch lange genutzt werden könnten. Weitere Hürden hinsichtlich Reparatur stellen sich: Ersatzteile sind oft teuer oder nicht mehr verfügbar, zum Öffnen der Geräte werden spezielle Werkzeuge benötigt, KonsumentInnen verlieren Anspruch auf Gewährleistung beim eigenständigen Öffnen, ein neues Gerät ist in Relation zur Reparatur (preislich) attraktiver, oft gibt es während der Reparatur kein Ersatzgerät, unabhängige Reparaturbetriebe haben keinen Zugang (zB zu Software), Händler/Hersteller bieten keine Reparaturen an, KonsumentInnen müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen usw.). Auch die verstärkte Zunahme von sogenannten „smarten Produkten“ führt dazu, dass Haushaltsgeräte kürzer halten – mangelnde Softwareupdates sowie verstärkte Anfälligkeit der Produkte aufgrund der Elektronik, führen zu Funktionsunfähigkeit. Nicht zuletzt sind auch begleitende Marketingmaßnahmen der Unternehmen dafür verantwortlich, dass KonsumentInnen sich mit neuen Konsumgütern identifizieren und emotional beeinflusst werden.

Viele dieser Praktiken liegen in der Verantwortung der Hersteller/Designer/Händler und müssen mit weiteren gesetzlichen Maßnahmen unterbunden werden, freiwillige Maßnahmen greifen nicht. Auf EU-Ebene bietet hier die Kreislaufwirtschaftsstrategie (veröffentlicht im Frühjahr 2020) Ansätze, diesbezüglich werden in den kommenden Monaten Vorschläge erwartet. Auf nationaler Ebene wird dies zum ersten Mal im aktuellen Regierungsprogramm thematisiert. Konkrete Maßnahmen dazu fehlen aber weitgehend noch (einzige Ausnahme: Mehrwertsteuersenkung auf bestimmte Reparaturen) – ein Handeln ist jedoch aufgrund der Klimakrise aber auch aufgrund der Pandemie rasch notwendig.

Der direkte Nachweis, ob die Obsoleszenz eines Produktes, in dessen Entwicklung und Produktion bewusst eingebaut oder eingeplant wurde, ist allerdings oft schwer zu führen. Die von ExpertInnen z.B. vom deutschen Öko-Institut in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Verbraucherforschung und nachhaltigen Konsum (vunk) der Hochschule Pforzheim als Handlungsempfehlungen für die deutsche Politik herausgegebenen Forderungen sind an die Entwicklung und Durchsetzung von Messnormen und Standards für den industriellen Sektor gebunden und nicht ohne weitere intensive Vorarbeiten umsetzbar. Bis zum Erreichen und zum Greifen solcher Maßnahmen wäre es ergänzend möglich und auch sinnvoll, bereits jetzt den KonsumentInnen mehr Entscheidungsgrundlagen für ihre Kaufentscheidungen von bereits produzierten und erhältlichen Artikel in die Hand zu geben.

Daher sollte man sich am Beispiel Frankreich orientieren, das sich seit Beginn dieses Jahres für eine Kennzeichnung zur Reparierbarkeit in Form eines Ampelsystems entschieden hat. Dieses Ampelmodell wäre eine leicht eingängige Maßnahme, um feststellen zu können, ob der ausgesuchte Artikel länger verwendbar und damit ressourcenschonender ist. Auch könnte so bei Preisvergleichen von den KonsumentInnen mit eingeplant werden, ob und wann eine Neuanschaffung einberechnet werden muss. Zwar ist eine Grundlage zu einer möglichen Produktverordnung auch auf EU Ebene in Vorbereitung, doch könnte ein nationales Unterstützen der französischen Initiative den politischen Druck innerhalb der EU erhöhen und zu einer Beschleunigung der Maßnahmen führen, was im Lichte der drängenden Klimakrise ein durchaus erfreulicher Nebeneffekt wäre.

Im Hinblick auf die aktuelle Situation der Pandemie sind viele Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit und verfügen über weniger finanzielle Ressourcen. Daher ist gerade auch für diese Gruppen wichtig, dass Produkte nicht frühzeitig verschleißen, da ein Geräteneukauf eine massive finanzielle Mehrbelastung bedeutet. Aber auch hinsichtlich der Klimakrise ist es wesentlich, Ressourcen zu schonen und durch längere Nutzung CO2 zu sparen. Das European Environmental Bureau stellte fest, dass durch eine um ein Jahr verlängerte Nutzung aller in der EU vorhandenen Waschmaschinen, Notebooks, Staubsaugern und Smartphones, 4 Millionen Tonnen CO2 jährlich gespart werden könnte – was umgerechnet 2 Millionen Autos (für ein Jahr) weniger auf den Straßen bedeuten würde.

Um hier einen wirklichen Effekt im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft zu erreichen, müssen viele Maßnahmen in Kombination gesetzt werden. Oberste Priorität hat die Haltbarkeit von Produkten: Produkte dürfen nicht vorzeitig verschleißen. Die Erhöhung der Möglichkeit der Reparierbarkeit von Produkten, aber auch die Erhöhung der durchgeführten Reparaturen in der Gesellschaft sowie Maßnahmen zur Wiederverwendung (Re-Use) können auch sehr positive Effekte auf den Arbeitsmarkt haben, indem neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

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