Antrag 07 / Keine Aushöhlung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit!

der AUGE/UG – Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen

zur 168. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 3. Mai 2017

Antrag mehrheitlich angenommen
FSG, GA, Persp., ARGE, GLB, Kom, BDFA: ja
ÖAAB, FA: nein

Antragsbearbeitung im Ausschuss Arbeitsmarktangelegenheiten und Integration

Die 168. Vollversammlung der AK-Wien möge beschließen:

Die 168. Vollversammlung der AK Wien spricht sich gegen die Verschärfungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit aus.

Die Vollversammlung der AK Wien fordert die MandatarInnen des österreichischen Nationalrats auf, dem Antrag 2063/A, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 abgeändert wird, die Zustimmung zu verweigern.

Die Versammlungsfreiheit ist sowohl historisch betrachtet als auch aktuell von zentraler Bedeutung. Alle wesentlichen Errungenschaften der modernen, grundrechtsbasierten Demokratie – insbesondere auch arbeits- und sozialrechtliche der Gewerkschaften – sind Ergebnisse bewusster öffentlicher Meinungsäußerungen, öffentlichen Engagements, breiter Mobilisierungen und Manifestationen.

Mit Entsetzen stellen die AntragstellerInnen fest, dass die seitens des Innenministers vorgeschobenen Argumente für die Änderung des Versammlungsrechts bereits ohne Gesetzesänderung umgesetzt waren, während die nunmehr in Verhandlung befindliche Gesetzesinitiative vor allem die Einschränkung des Versammlungsrechts in Österreich lebender Menschen unabhängig ihrer Staatsbürgerschaft zum Ziel hat.

Bereits jetzt – vor Veränderung des Versammlungsrechts – ist es möglich, Versammlungen zu untersagen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwider läuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet. Diese Voraussetzungen sind etwa durch religiös-fundamentalistische PolitikerInnen, die die Abschaffung der Demokratie sowie die Errichtung einer Diktatur fordern und erhebliches Konfliktpotential in die österreichische Gesellschaft tragen, mit Sicherheit erfüllt.

Neu geschaffen werden somit nicht Regelungen zum Schutz vor VertreterInnen repressiver Regimes, sondern Regelung zur Beschränkung der freien Meinungsäußerungen hier lebender Menschen.

Als besonders schwerwiegende Einschränkungen sind zu betrachten:

Die Ausdehnung der Anmeldefrist von 24 auf 48 Stunden

Mit dieser Ausweitung wird die rechtskonforme Möglichkeit, rasch auf bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen reagieren zu können, abgeschafft. So etwa wäre es nach Inkrafttreten dieser Bestimmung unmöglich gewesen, infolge der Anschläge von Paris innerhalb von kaum mehr als einem Tag eine Solidaritätskundgebung vor der französischen Botschaft abzuhalten. Auch wenn die Judikatur des VfGH auch spontane Demonstrationen ausdrücklich schützt, so können diese angesichts der Rechtsfolgen für OrganisatorInnen derartiger Kundgebungen rechtskonform nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen zu Stande kommen. Die vorgeschlagene Regelung be- und verhindert somit nicht allein öffentliche Meinungsäußerung, sondern schafft auch die Basis für unnötige gesellschaftliche Konfrontation, als es die Möglichkeiten (und bisweilen auch die Verpflichtung) der Behörde ausweitet, gegen freie Meinungsäußerung und dieser dienenden Versammlungen vorzugehen.

Die Schaffung einer Verbotszone im Umfeld von Kundgebungen

Mit der Schaffung von Verbotszonen eröffnet die Behörde sich selbst und politischen Gruppen einerseits die Möglichkeit, unerwünschte Manifestationen aktiv zu verhindern (indem etwa eine Kundgebung am selben Ort wie eine geplante andere Kundgebung angemeldet wird) und behindert andererseits öffentliche Meinungsäußerung, indem die Möglichkeit, gegen eine bestimmte Position Stellung zu beziehen, räumlich in einen Bereich verschoben wird, der vom Adressaten der öffentlichen Meinungsäußerung nicht mehr wahrgenommen werden kann. Damit wird jedoch das Wesen der freien Meinungsäußerung – die Rezeption durch die angesprochenen – verunmöglicht.

Der vorliegende Gesetzesentwurf erweckt den Eindruck, dass freie Meinungsäußerung und öffentliche Kundgebungen Auslöser gesellschaftlicher Konflikte seien. Richtig ist jedoch das Gegenteil: wer öffentliche und freie Meinungsäußerung sowie Versammlungsfreiheit beschränkt, schafft gesellschaftliche Konflikte.

Besonders absurd wird das Bestreben des Innenministers angesichts der Tatsache, dass im Fall des Inkrafttretens dieses Gesetzes auch Veranstaltungen, an denen etwa der Papst oder der Generalsekretär des Roten Kreuzes das Wort ergreifen wollen, den verschärften Regelungen unterliegen.

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