Alle Beiträge von Willi Svoboda

Resolution 01 / Rechtsextreme Angriffe nicht tatenlos zu Kenntnisnehmen

 

Die Vollversammlung der Wiener Kammer für ArbeiterInnen und Angestellte verurteilt den Angriff bewaffneter Rechtsextremer auf die Räumlichkeiten des migrantischen Kulturvereins ATIGF im Ernst-Kirchweger-Haus, in denen zu diesem Zeitpunkt die Gewerkschaftsorganisation „KOMintern – Kommunistische Gewerkschaftsinitiative“ tagte. Bei dem Angriff wurde ein Mitglied des Vorstands von KOMintern schwer verletzt. Der Angriff galt dem migrantischen Kulturverein ATIGF. Gezielt wurden Mitglieder der Gewerkschaftsinitiative „KOMintern – Kommunistische Gewerkschaftsinitiative“, die auch als eigenständige Fraktion in der Wiener Kammer für ArbeiterInnen und Angestellte vertreten sind, attackiert. Die Kammern für ArbeiterInnen und Angestellte sind die gesetzliche Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen in Österreich, sie sind berufen, die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu vertreten und zu fördern. Damit sind die Kammern für ArbeiterInnen und Angestellte einer der wesentlichsten Stützpfeiler der Demokratie und des Friedens in Österreich. Ein Angriff auf eine Fraktion innerhalb der Kammern für ArbeiterInnen und Angestellte ist damit auch ein Angriff auf diese Stützpfeiler.

Resolution 02 / Wirksame Maßnahmen für Chancengleichheit in der Arbeitswelt

 

Viele ArbeitnehmerInnen werden in Österreich nach wie vor diskriminiert. Dies betrifft insbesondere Personen, die auf Grund ihrer Haufarbe, ihrer Herkunft, ihrer Religion und/oder ihres Alters Unterschiede zur Mehrheitsbevölkerung vorweisen.
Es gibt in Österreich Bevölkerungsgruppen, die faktisch keinen Zugang zur Arbeitswelt haben, wie zum Beispiel Musliminnen mit Kopftuch. Der Zugang beschränkt sich vorwiegend auf Billiglohnbereiche wie z.B. Reinigung. Unternehmen gewähren sehr oft keine Weiterqualifizierungen. Qualifizierte Musliminnen werden oft in Bewerbungsverfahren ausgeschieden, nur auf Grund ihres Äußeren.
Es ist eine Tatsache, dass Integration in den Arbeitsmarkt für den sozialen Zusammenhalt und die Förderung von Solidarität in der Gesamtgesellschaft äußerst wichtig ist. Dabei geht es auch um die Zukunft unserer multikulturellen Jugend.

1) Antidiskriminierungsrecht
Die geltende Gesetzeslage schafft Schadenersatzansprüche wenn ein Arbeitsverhältnis aufgrund von Diskriminierung nicht begründet wird. Die fatalen Auswirkungen dieser Form von Diskriminierung werden dadurch aber keineswegs beseitigt, denn die Betroffenen erlangen dadurch nicht, was sie wirklich brauchen, nämlich den angestrebten Arbeitsplatz. Insbesondere viele Frauen werden aufgrund diskriminierender Praktiken und mangelnder Nostrifizierungsverfahren in bestimmte Billiglohnbereiche (Reinigung, Küche, Wäscherei) gedrängt, in Extremfällen bleibt ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt zur Gänze verwehrt. Das kommt einem Arbeitsverbot für bestimmte Bevölkerungsteile nahe und kann nicht allein durch drohende Schadenersatzforderungen sowie mittels bewusstseinsbildender Maßnahmen überwunden werden. Es muss daher künftig eine massive Ausweitung des Diskriminierungsschutzes bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen geben.
Rechtlich stünden zur Behebung dieser Situation mehrere Instrumente zur Verfügung.
1. Erhöhung des Schadenersatzanspruches auf ein für ArbeitgeberInnen empfindliches Niveau (Jahresentgelt)
2. Ein Bonus-Malus-System: Betriebe, die diskriminierungsgefährdete Personen einstellen, erhalten einen Bonus. Unternehmen, die wenig bis kaum diskriminierungsgefährdete Personen einstellen, sollen eine Art Strafe zahlen. Das wäre vergleichbar zu den bereits bestehenden Forderungen der AK bzgl. der Einstellung älterer ArbeitnehmerInnen.
3. Die Einführung anonymisierter Bewerbungen, aus denen weder Aussehen noch Herkunft hervorgehen.
4. Die Einführung von Stellen-Ausschreibungen, die neutral im Sinne der Chancengleichheit formuliert sind.

2) Anpassung der arbeitsrechtlichen Grundsätze
Menschen unterscheiden sich hinsichtlich ihres Alters, ihrer sozialen und ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer physischen und/oder psychischen Fähigkeiten oder auch ihrer Religion und Weltanschauung.
Unter dem Schlagwort Diversitymanagement wird dieser Vielfalt von Unternehmen auf freiwilliger Basis vermehrt Rechnung getragen. Selbstverpflichtung zum Respekt von Vielfalt und der Einhaltung von Grund- und Menschenrechten am Arbeitsplatz allein reicht in der Arbeitswelt erfahrungsgemäß aber keineswegs aus, um Gleichstellung und Respekt für alle ArbeitnehmerInnen auf allen Ebenen zu verwirklichen.
Es muss daher ein grundlegend veränderter arbeitsrechtlicher Ansatz und die verpflichtende Einhaltung von genderdemokratischen und diversitätssensiblen Prinzipien in allen durch das Arbeitsrecht geregelten Bereichen geschaffen werden.
Dadurch wäre erreicht, dass ArbeitnehmerInnen nicht auf spezifische Schutzvorschriften verwiesen wären, sondern Ansprüche geltend gemacht werden könnten, sobald die oben genannten Grundsätze als verletzt erachtet werden müssen. Ziel muss es sein, die Arbeitswelt insgesamt menschlicher und lebenswerter zu gestalten, nicht zuletzt um das weitere Um-Sich-Greifen einer entsolidarisierten Atmosphäre am Arbeitsplatz und damit einhergehenden psychischen Erkrankungen hintan zu halten.
Für Gläubige einer anderen Religion als der christlichen gibt es verschiedenste Dienstverhinderungsgründe aus religiösen Gründen. Derzeit sind in Kollektivverträgen nur wichtige christliche Feste (z.B. Taufe des leiblichen Kindes) explizit genannt. Die Ausweitung ist innerhalb des geltenden Gesetzesrahmens möglich, denn arbeitsrechtliche Bestimmungen stellen schon heute nicht nur darauf ab, ob der/die ArbeitnehmerIn faktisch verhindert ist, sondern berücksichtigen auch die persönliche Herkunft und die damit verbundenen Sitten.

Zur Förderung der o.g. Maßnahmen sollte ein Anreiz-System der Auszeichnung von ‚Good-Practice Betrieben’ und die Einführung eines Gütesiegels für Betriebe, die innovative Wege zur Verwirklichung diversitätssensibler und genderdemokratischer Grundsätze beschreiten, geschaffen werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre die spezifische Schulung und personelle Aufstockung des Arbeitsinspektorats zur Überprüfung der Einhaltung diversitätssensibler und genderdemokratischer Grundsätze und Vorschriften im Betrieb.

Antrag 12 / Keine Beschränkung der Kostenübernahme bei Psychotherapie

 

In über 300 Studien in Deutschland, der Schweiz und den USA wurden wissenschaftliche Nachweise erbracht, dass Psychotherapie nicht nur einen beträchtlichen Nutzen für die Gesundung und Gesunderhaltung der PatientInnen sondern auch eine beträchtliche Kostenersparnis für das Gesundheitswesen bringt.
Die Ersparnis durch Psychotherapie bei Spitalsaufenthalten, Krankenständen, Ärztin/Arzt- und Medikamentenkosten sowie Arbeitslosigkeit und Invaliditätspension ist nachgewiesen und beträgt zwischen Euro 4.000,- und Euro 8.000,- im Durchschnitt.

Zahlreiche, ältere und neue Studien belegen, dass Psychotherapie auch präventiv wirkt und die Kosten im Gesundheitswesen mittel- und langfristig senkt. Insbesondere für den Bereich Angst, Depression, Burnout, Psychosomatik aber auch bei Psychosen und schweren Persönlichkeitsstörungen sind erhebliche Kosteneinsparungen durch Psychotherapie möglich, vor allem durch Reduktion der Spitalsaufenthalte, Medikamentenkosten und Krankenstände. Daher ist es nicht einzusehen, dass diese Behandlungsmethode der medizinischen nicht gleichgestellt ist.

Die von Dührssen und Jorswieck 1965 (!) veröffentlichte Studie über die Kosten-Nutzen Bewertung psychoanalytischer Behandlung war historisch gesehen ein wichtiges fachliches Argument für die Einführung der analytischen Psychotherapie als Kassenleistung. Diese Studie zeigte, dass Menschen nach im Durchschnitt 100 Sitzungen in ihren Krankenstandstagen deutlich unter den Durchschnitt der allgemeinen Bevölkerung absanken.

Jürgen Margaf (2009) zeigt in seinem Buch „Kosten und Nutzen der Psychotherapie“ eine detaillierte Auswertung aller Originalarbeiten der letzten 10 Jahre zu Kosten und Nutzen ambulanter Psychotherapie. Insgesamt konnten 54 Studien mit 13.000 PatientInnen aus den wichtigsten Indikationsbereichen identifiziert werden. Dabei wurden in 95% der einschlägigen Studien eine bedeutsame Kostenreduktion durch Psychotherapie festgestellt, in 86% der entsprechenden Studien zeigte sich zudem eine Netto-Einsparung (positives Kosten-Nutzen-Verhältnis). Dieser Effekt wird in der Regel bereits nach ein bis zwei Jahren erreicht und beruht vor allem auf zeitlich stabilen Kostenreduktionen bei den stationären Leistungen und Arbeitsausfallkosten. In 76% der diesbezüglichen Studien war Psychotherapie gegenüber medikamentösen Strategien überlegen bzw. erbrachte einen signifikanten Zusatznutzen. Psychotherapie ist demnach nicht nur wirksamer, sondern auch billiger als keine Therapie. Während die Rückfallraten der medikamentösen Therapie bei Depressionen oder Angststörungen bereits nach kurzer Zeit bei 60-80 liegen, betragen diese Werte bei kognitiver Verhaltenstherapie maximal 20-30%. Bei schweren Phobien oder Panikstörungen sind die Rückfallraten der Verhaltenstherapie noch deutlich niedriger.
Gesundheit ist für die meisten Menschen das höchste Gut. Im Zusammenhang mit medizinischen und insbesondere potenziell lebensrettenden Maßnahmen werden daher in der Regel Mehrkosten a priori nicht ausgeschlossen, sondern es wird z.B. mit Akzeptanzkurven für Kosten und Nutzen operiert. Es gibt keinen Grund, die Behandlung psychischer Krankheiten an anderen Standards zu messen. Auch hier dürfen nicht nur Einsparungen als Kriterium dienen, sondern es müssen ebenso Wirksamkeit, Qualität und Solidarität (keine Sonderbehandlung der psychisch Kranken bzgl. Kosteneffektivität) angemessen berücksichtigt werden. Dazu sei nur das Beispiel der mehr als doppelten Lebenserwartungs-Steigerung bei gleichzeitig höherer Lebensqualität durch Psychotherapie bei metastasierenden Brustkrebspatientinnen angeführt (Spiegel-Studien).
Studienbeispiele:
Burnand et al. (2002) zeigte eine Überlegenheit einer kombinierten Behandlung mit Psychotherapie und Antidepressiva gegenüber einer reinen Therapie mit Medikamenten hinsichtlich Symptombesserung, Remissionsraten und psychosozialer Anpassung; in dieser Studie führte die Kombinationstherapie auch zu signifikant weniger krankheitsbedingten Fehltagen.
Wiborg und Dahl (1996) war in einem follow-up nach 9 Monaten die psychodynamische Therapie in Kombination mit Clomipramin (Antidepressiva) im Hinblick auf die Remissionsraten von PatientInnen mit Panikstörungen wirksamer als Clomipramin allein.
Bateman & Fonagy (1999; 2001; 2003) konnten nachweisen, dass die Behandlung von PatientInnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen durch (teilstationäre) psychoanalytisch begründete Psychotherapie der üblichen Standardbehandlung signifikant überlegen ist. Die deutliche Überlegenheit erwies sich selbst fünf Jahre nach Behandlungsende als stabil (Bateman & Fonagy 2008). In einer weiteren Studie belegten Bateman & Fonagy (2009), dass auch rein ambulant durchgeführte psychoanalytisch begründete Psychotherapie im Vergleich mit einer intensiven strukturierten klinischen Versorgung eine signifikante Überlegenheit bei der Behandlung von PatientInnen mit Borderline-PS aufweist.  
Bachar et al. (1999) erwies, dass die psychoanalytisch begründete Psychotherapie sowohl im Vergleich mit kognitiver Verhaltenstherapie (KGT) als auch mit Ernährungsberatung signifikant überlegen in der Behandlung von Patientinnen mit Bulimia nervosa und Anorexia nervosa ist. Während die allgemeine Symptombelastung sich in beiden Psychotherapieformen verbesserte, erwies sich eine Überlegenheit psychoanalytisch begründeter Psychotherapie in den Einstellungen zu Essen und Gewicht sowie im Selbstkonzept. Am Behandlungsende erfüllten nur noch 36% der Patientinnen mit psychoanalytisch begründeter Psychotherapie die Störungskriterien, im Vergleich zu 83% der KVT-Patientinnen und 86% der Patientinnen mit Ernährungsberatung. Psychoanalytisch begründete Psychotherapie zeigte also im in Hinblick auf die klinische Signifikanz eine deutliche Überlegenheit im Vergleich zu den Alternativbehandlungen.

Antrag 11 / Geschlechtergerecht formulierte Anträge

 

Die zur Zeit (wieder einmal) geführte Diskussion über geschlechtergerechtes Formulieren erfordert von öffentlichen Institutionen wie der Arbeiterkammer ein klares Bekenntnis und eine Selbstverpflichtung zu einem geschlechtergerechten Sprachgebrauch.

In den offiziellen Aussendungen der Arbeiterkammer hat dies bereits seinen Niederschlag gefunden.

Sprache ist und schafft Realität – die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer agiert im Interesse und für die Anliegen von Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern und muss dieser Realität auch Rechnung tragen, in dem sie ausschließlich geschlechtergerecht formulierte Anträge akzeptiert.

Antrag 10 / Zugang zu Pflegegeld nicht erschweren!

 

Mit einer derzeit (bis zum 4.11.) in Begutachtung befindlichen Gesetzesänderung will die Bundesregierung den Zugang zu den Pflegegeldstufen 1 und 2 deutlich erschweren. Die in den Erläuterungen zum Ministerialentwurf formulierte Begründung ist dabei an Absurdität kaum zu überbieten: „Durch die demografische Entwicklung und die steigende Lebenserwartung nimmt die Zahl der Menschen mit Pflegebedarf kontinuierlich zu. Aktuell haben 454.843 Personen (Stand August 2014) einen Anspruch auf Pflegegeld, was etwa 5,3 % der österreichischen Bevölkerung entspricht. Im Jahr 2012 wurde 61.840 und im Jahr 2013 insgesamt 67.485 Menschen ein Pflegegeld neu zuerkannt; im selben Zeitraum erfolgten 66.033 und 73.589 Erhöhungen des Pflegegeldes. Auch in den nächsten Jahren ist mit einer stetigen Zunahme der Anzahl der pflegebedürftigen Menschen zu rechnen.“
So weit der Befund zur Frage der Entwicklung der Pflegebedürftigkeit in den kommenden Jahren, dem an Klarheit – immer mehr Menschen werden pflegebedürftig werden – nichts hinzuzufügen ist. Interessant ist jedoch die Schlussfolgerung der Bundesregierung: „Als budgetbegleitende Maßnahme ist vorgesehen, die Zugangskriterien in den Pflegegeldstufen 1 und 2 dahingehend zu ändern, dass jenen Personen, die ab 1. Jänner 2015 einen Antrag auf Gewährung oder Erhöhung des Pflegegeldes stellen, bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen künftig ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 bei einem durchschnittlichen monatlichen Pflegebedarf von mehr als 65 Stunden und ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 bei einem durchschnittlichen monatlichen Pflegebedarf von mehr als 95 Stunden gewährt werden soll.“

Anders formuliert: Weil immer mehr Menschen pflegebedürftig werden, kürzen wir die Leistungen für diese Menschen. Dabei zahlen nicht nur jene Menschen drauf, denen das Pflegegeld gekürzt wird, sondern in der Konsequenz auch jene, die die Pflegeleistungen erbringen.

Lag die Voraussetzung für den Erhalt eines Pflegegelds der Stufe eins bis 2011 bei 50 Stunden Pflegebedarf im Monat, so soll sie nach Wunsch der Bundesregierung ab 1.1.2015 bei 65 Stunden und damit nur mehr knapp unter jenen 75 Stunden an Pflegebedarf, die bis 2011 den Zugang zur Pflegegeldstufe 2 eröffneten. Mit dem vorliegenden Ministerialentwurf wird also die Pflegestufe eins faktisch abgeschafft.

Besonders befremdlich an der beabsichtigten Gesetzesveränderung ist auch der Verweis der erläuternden Bemerkungen auf die geringe Inanspruchnahme von Sozialen Diensten durch BezieherInnen der Pflegegeldstufen eins und zwei: „Zusätzlich zu der großen Anzahl der Neuzuerkennungen und Erhöhungen des Pflegegeldes werden insbesondere in den unteren Pflegegeldstufen weniger oft professionelle Dienste in Anspruch genommen. Eine Sonderauswertung aus der Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege ergab, dass im Zeitraum Jänner bis inklusive Mai 2014 in der Stufe 1 nur 12,98 % und in der Stufe 2 nur 19,68 % der PflegegeldbezieherInnen einen professionellen Dienst in Anspruch nahmen.
Einmal abgesehen davon, dass die Verwendung des Komparativ „weniger oft“ in einem unvollständigen Satz ohne Vergleichszahl in geradezu polemischer Art und Weise das Vorliegen einer förderungswürdigen Problemlage pauschal in Abrede stellt, fällt auf, dass die von der Bundesregierung vorgeschlagene Maßnahme in keiner Weise auch nur irgendwie geeignet ist, den angeführten Sachverhalt zu verändern: Die Inanspruchnahme qualitätsgesicherter und professioneller Dienstleistungen wird nicht steigen, weil die Bundesregierung  das Pflegegeld reduziert.

Die mit dem Ministerialentwurf vorgeschlagene Maßnahme steht somit auch im direkten Widerspruch zum Arbeitsprogramm der Bundesregierung Faymann II, in dem es heißt:
„Es gilt, den Betroffenen die Sicherheit zu geben, dass für die individuelle Pflegebedürftigkeit unabhängig von der sozialen Situation eine gute Pflege und Betreuung geboten werden. Die Wahlfreiheit des Pflegesettings, von der häuslichen Pflege durch Angehörige und professionelle Dienste, über betreute Wohnformen bis hin zu Pflegeheimen, muss bedarfsgerecht abgestufte Pflege- und Betreuungsangebote beinhalten. Der Verbleib in der gewohnten Umgebung ist bestmöglich zu fördern, um den Anteil der nicht-stationär betreuten PflegegeldbezieherInnen weiterhin über 80 % zu halten.“

Und weiter: „Der Pflegefonds setzt Schwerpunkte zum flächendeckenden Ausbau von mobilen Diensten und der Tagesbetreuung sowie Maßnahmen zur Beratung und Entlastung pflegender Angehöriger;“ (beide Zitat aus: Regierungsprogramm Faymann II, Wien 2013, 52)

Die von der Bundesregierung angestrebte Erschwerung des Zugangs zum Pflegegeld zielt weder auf eine Verbesserung der Situation der Betroffenen (ob zu Pflegende oder Pflegende) ab noch setzt sie in irgendeiner Form Anreize zur Inanspruchnahme professioneller Dienste. Unter dem Strich bleibt nichts übrig als eine Bestrafung der Menschen mit Pflegebedarf. Sie werden für die Wirtschaftskrise, die daraus folgenden niedrigeren Steuereinnahmen und damit dem Budgetdruck innerhalb des Sozialressorts bestraft.

Besonders befremdlich ist, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass die tatsächliche Pflegearbeit stillschweigend von Angehörigen der pflegebedürftigen Menschen erbracht wird, nachdem der Pflegebedarf ja nicht abgeschafft wird durch die Erschwerung des Zuganges zum Pflegegeld.