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Antrag 11 zur 148. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 17. Juni 2011

Das österreichische Sozialversicherungssystem bietet keine Antworten auf die sozialrechtlichen Probleme von Menschen in prekären, durch unterschiedliche Erwerbsformen und vielfache Erwerbsbrüche gekennzeichneten Erwerbsverhältnissen. Nach mehrjähriger Aktivität der Betroffenen ist es seit 1. Jänner 2011 möglich, selbständige künstlerische Tätigkeit im Sinne des KSVFG (Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz) ruhend zu stellen, um in Zeiten ohne Erwerbseinkommen die Existenz zumindest bruchstückhaft durch Leistungen des Sozialsystems absichern zu können.

In der Praxis ist dieser Schritt jedoch völlig unzureichend, da die Erwerbsbiographien von KünstlerInnen nicht allein aus unmittelbar künstlerischer Tätigkeit, sondern auch aus anderen Tätigkeit (z.B. Vorträge über ihre künstlerische Tätigkeiten, honorierte Podiumsteilnahmen, Lehrtätigkeiten,…) bestehen, die derzeit nicht ruhend gestellt werden können.

Die Vorstellung, dass Menschen in der Lage sind, ihre Existenz über eine einzige Tätigkeit zu sichern ist angesichts der Ausweitung prekärer Beschäftigungsformen absurd: KünstlerInnen, Neue Selbständige und zunehmend eine ganze Generation junger, gut ausgebildeter Menschen leben in einer Erwerbsrealität, die von unterschiedlichen, gleichzeitig laufenden, jedoch in völlig verschiedenen Rechtsformen und unter völlig unterschiedlichen Rahmenbedingungen stattfindenden Beschäftigungsformen – und Verhältnissen geprägt ist. Da es ihnen aber als Neue Selbständige mangels Gewerbeschein niemals möglich ist, die Erwerbstätigkeit formal zu unterbrechen (während die faktische Unterbrechung regelmäßige Norm ist), können sie die Leistungen des Sozialsystems, das sie mit ihren Steuern und Beiträgen finanzieren, nicht in Anspruch nehmen.

Diese Menschen müssen den Schutz finden, den sie benötigen.

Diese Problemstellung betrifft, obwohl es sich formal um Selbständige handelt, angesichts der Ausgestaltung gegenwärtig üblicher Erwerbsformen als Mischung aus formal (jedoch oft nicht praktisch) selbständigen und unselbständigen Tätigkeiten unmittelbar in der weitaus überwiegenden Mehrheit Menschen, die auch unselbständig erwerbstätig sind.

Die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:
Die Bundesarbeitskammer tritt dafür ein, die Möglichkeit der Ruhendmeldung einer selbständigen Tätigkeit für alle so genannten Neuen Selbständigen zu schaffen.

Download: AUGE11-BAK-Ruhendmeldung-Neue-Selbstaendige

Antrag 10 zur 148. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 17. Juni 2011

Die österreichische Arbeitslosenversicherung entspricht bei Weitem nicht mehr den Erfordernissen der heutigen Arbeitswelt und lässt viele Menschen mit der Bewältigung der Existenzsicherung allein. Das fängt bei der Höhe des Arbeitslosengeldes – die zweitniedrigste in der EU – an, geht über schikanöse Strafbestimmungen bis hin zu repressiven Regelungen bei der Bemessung von Leistungshöhen und Rückforderungen.

Arbeitslos zu werden bedeutet den ersten Schritt in die Armut. Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto mehr ist die Existenz bedroht. Eine Nettoersatzrate von 55% des letzten Bezugs bedeutet eine annähernde Halbierung des Einkommens. Damit kann der Lebensstandard, egal ob hoch oder niedrig nicht gehalten werden. Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld, in der Regel 20 Wochen, wird durch die Anrechnung des PartnerInnen-Einkommens das eigene Einkommen vielfach auf Null gesetzt. Hat der Partner/die Partnerin ein Einkommen über rund 1.300 Euro netto ist der Freibetrag in der Notstandshilfe aufgebraucht, die Notstandshilfe wird gestrichen.
Das Arbeitslosengeld für Frauen und die Notstandshilfe für Frauen und Männer liegt deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle. Dies ist schon seit Jahren so. Wer arbeitslos wird, muss ein Abrutschen in die Armut in Kauf nehmen.

Die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer fordert die Bundesregierung daher zu folgenden Maßnahmen zur Existenzsicherung in der Arbeitslosenversicherung auf:
Signifikante Erhöhung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung auf zumindest den EU-Durchschnitt von 70% bei gleichzeitiger Einführung eines Mindestsockels in Höhe der Bedarfsorientierten Mindestsicherung
Verlängerung des Arbeitslosengeldbezugs auf zumindest 39 Wochen
Streichung der Anrechnung des PartnerInnen-Einkommens in der Notstandshilfe
Automatische Valorisierung der Notstandshilfe entlang der Inflationsrate
Bei befristeten Arbeitsverträgen von höchstens 12 Monaten müssen die ersten 32 Tage in Bezug auf die Anwartschaften doppelt gelten
Mehr Durchlässigkeit bei den Anwartschaften für Menschen, die unselbständig und selbständig beschäftigt sind
Verkürzung der Anwartschaftszeiten zur Erlangung eines Versicherungsanspruchs, sodass auch Menschen in Berufsfeldern, die von prekären Beschäftigungsformen und befristeten Arbeitsverhältnissen geprägt sind, sozial abgesichert sind;
Bundesweite berufsspezifische Beratung von arbeitslosen KünstlerInnen: Mittelfristig sind zumindest FachreferentInnen in allen Bundesländern vorzusehen. Die KünstlerInnenbetreuung des AMS muss für erwerbslose KünstlerInnen zeitlich unbegrenzt offen bleiben: zumindest zielführende Ausnahmeregelungen zum Weiterverbleib in der Beratungs- und Betreuungseinrichtung (BBE) Team 4 KünstlerInnenservice.
Neuregelung der Rückforderungen des AMS aufgrund des Überschreitens der Zuverdienstgrenzen. Es darf nur jener Betrag zurückgefordert werden, um den die Zuverdienstgrenze überschritten wurde
Freiwilligkeit in der Vermittlung von Transitarbeitsplätzen, Arbeitstrainigs, Bewerbungstrainigs mit aufsuchender Betreuung, keine Sanktionen beim Ablehnen von aus Sicht der Betroffenen nicht zielführenden Maßnahmen
Sanktionen dürfen nicht auf Grund der alleinigen Aussage eines potentiellen Dienstgebers ausgesprochen werden
Auskünfte des AMS müssen rechtsverbindlich sein, Betroffenen haben den Anspruch auf kompetente Beratung
Zugang zum Arbeitsmarkt für alle, die legal in Österreich leben
Erhöhung des Datenschutzes: Begrenzung der gesammelten Daten und strikte Regelung des Weitergabe von AMS-Daten an Dritte; AuftragnehmerInnen des AMS dürfen personenbezogenen Daten weder sammeln, weitergeben oder sonstwie verwerten.

Die Organe der Arbeiterkammer Wien werden im Rahmen ihres Auftrages und ihrer Funktionen im AMS ihren Einfluss nutzen, um diese Forderungen durchzusetzen.

Download: AUGE10-BAK_Massnahmenpaket-AMS

Antrag 9 zur 148. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 17. Juni 2011

Nach wie vor ist die soziale Absicherung von Kunst- und Kulturschaffenden in Österreich unbefriedigend.

Daher schliesst sich die Bundesarbeitskammer den Forderungen des Kulturrat Österreich nach Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Absicherung von Kunst- und Kulturschaffenden an und fordert folgende Änderungen im Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz:

Aufhebung der Option, bereits geleistete Zuschüsse des Künstlersozialversicherungsfonds bei Nicht-Erreichen der Mindesteinkommensgrenze zurückzufordern.
Streichung der Mindesteinkommensgrenze aus künstlerischer Tätigkeit als Anspruchsvoraussetzung für einen Zuschuss aus dem Künstlersozialversicherungsfonds
Ausweitung der grundsätzlich Bezugsberechtigten auf Kunst-, Kultur- und Medienschaffende.
Streichung der z.T. nach fragwürdigen Kriterien bewerteten „künstlerischen Befähigung“ als Anspruchsbegründung. Voraussetzung für eine Förderung der sozialen Absicherung darf nicht eine von außen postulierte Qualität sein, sondern die berufspezifische Arbeitsituation von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden.
Ausweitung des EinzahlerInnenkreises in den Künstlersozialversicherungsfonds auf alle regelmäßigen AuftraggeberInnen von Kunst-, Kultur- und Medien schaffenden sowie auf kommerzielle InfrastrukturanbieterInnen zum „Konsum“ von Kunst, Kultur und Medien (Änderungen im „Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz“ und „Kunstförderungsbeitragsgesetz“ notwendig).
Ausweitung des Zuschusses auf alle Zweige der Pflichtversicherung (Unfall-, Kranken- und Pensionsversicherung sowie Vorsorgebeitrag und ggf. freiwillige Arbeitslosenversicherung) .
Ersatzlose Streichung der Pensionsklausel §17 (7)!
Angleichung der oberen Einkommensgrenze (maximale Gesamteinkünfte) an die Höchstbemessungsgrundlage.
Festlegung der Höhe des Zuschusses auf einen Fixbetrag für jene KünstlerInnen, deren Einkommen unter der halben Höchstbemessungsgrundlage liegt: Dieser Fixbetrag soll 50% der Versicherungsbeiträge ausmachen, die sich rechnerisch aus einem Einkommen in der Höhe der halben Höchstbeitragsgrundlage ergeben.
Festlegung der Höhe des Zuschusses auf 50% der Beitragsleistung für jene Künstler/innen, deren Einkommen über der halben Höchstbemessungsgrundlage liegt.

Diese Erstmaßnahmen sind umso leichter und rascher umzusetzen, als sämtliche Änderungen ausschließlich das „Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz“ und das „Kunstförderungsbeitragsgesetz“ betreffen. Ein Eingriff in die Sozialversicherungsgesetze ist zur Umsetzung der Sofortmaßnahmen nicht notwendig.

Auch wenn alle genannten Sofortmaßnahmen umgesetzt sind, ist damit lediglich ein kleiner Schritt getan. Die Forderung nach einer weiteren Verbesserung der sozialen Absicherung von Kunst- und Kulturschaffenden bleibt auch danach bestehen. Ziel muss die Schaffung einer sozialen Absicherung sein, die die prekäre Arbeitssituation – nicht nur ! – von Kunst- und Kulturschaffenden anerkennt.

Download: AUGE09-BAK-KSVF

Antrag 7 zur 148. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 17. Juni 2011

Da die Begründung einer Eingetragenen PartnerInnenschaft erst seit dem 01.01.2010 möglich ist, kann es zu der Situation kommen, dass die überlebende eingetragene Partnerin bzw. der überlebende eingetragene Partner keinen oder bloß Anspruch auf eine befristete Hinterbliebenenpension gemäß den Bestimmungen der Witwen- bzw. Witwerpension bekommt, da es für sie bzw. für ihn faktisch unmöglich war und ist, die jeweilige Mindestdauer der Eingetragenen PartnerInnenschaft für eine unbefristete Hinterbliebenenpension zu erreichen.

Dies obwohl oftmals zwischen den Partnerinnen bzw. Partnern über viele Jahre hinweg ein tatsächliches eheähnliches Verhältnis gelebt wurde und eine Verrechtlichung der Partnerschaft nur an der mangelnden gesetzlichen Möglichkeit scheiterte, die Partnerschaft eintragen zu lassen. Daher ist eine Regelung zu schaffen, anhand derer es der überlebenden eingetragenen Partnerin bzw. dem überlebenden eingetragenen Partner ermöglicht wird, das Bestehen einer faktischen, der Eingetragenen PartnerInnenschaft ähnlichen Lebensgemeinschaft vor Inkrafttreten des EPG glaubhaft zu machen.
Da dies in der Praxis nur sehr wenige PartnerInnenschaften betreffen kann, sind die Kosten dieser Regel vernachlässigbar gering.

Die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer Wien möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer tritt für die Schaffung von Übergangsbestimmung im ASVG ein, mit der es überlebenden eingetragenen PartnerInnen nach dem Tod ihrer PartnerInnen ermöglicht wird, das Bestehen einer faktischen der Eingetragenen PartnerInnenschaft ähnlichen Lebensgemeinschaft vor Schaffung der Möglichkeit einer gesetzlichen, Eingetragenen Partnerschaft glaubhaft zu machen.

Download: AUGE07-BAK-WitwenpensionEP

Antrag 6 zur 148. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 17. Juni 2011

Mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wird zum ersten Mal eine Behörde damit beauftragt, Unterentlohnung festzustellen und zu verfolgen. Das ist ein positiver Schritt.
Dennoch ist das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz mit zahlreichen Mängeln behaftet:

Unter Strafe gestellt ist nur die Unterentlohnung betreffend den Grundlohn. Das hat zur Folge, dass Unternehmen straffrei Löhne um zustehende Zuschläge verkürzen dürfen. In einigen, besonders von Lohndumping betroffenen Sektoren bleibt damit eine Unterentlohnung von bis zu 50% des zustehenden Entgelts straffrei (z.B. in der Baubranche).

Auf Grund des Fehlens einer Möglichkeit der Verbandsklage ist es für betroffene ArbeitnehmerInnen nur unter Gefährdung ihres Arbeitsplatzes möglich, das ihnen zustehende Entgelt auf dem Rechtsweg einzufordern.

Unter Verweis auf die Gewerbeordnung sind Unternehmen mit Sitz in Österreich von der Rechtsfolge der Untersagung der Erbringung einer Dienstleistung bei wiederholten besonders schweren Fällen von Unterentlohnung ausgenommen. Die Gewerbeordnung findet aber bei einer Vielzahl von Sektoren, in denen Lohndumping anzutreffen ist, keine Anwendung. Darüber hinaus ist sie ein stumpfes Instrument: In der Praxis findet ein Entzug der Gewerbeberechtigung etwa wegen Umgehung sozialrechtlicher oder sozialversicherungsrechtlicher Normen nicht statt. Die Bestimmung ist somit auch EU-rechtswidrig und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits bei der ersten Anfechtung aufgehoben werden. Sie ist daher EU-konform auszugestalten und auf alle Unternehmen bzw. Dienstleistungen auszuweiten.

Im Übrigen können AuftraggeberInnen nach dem Bundesvergabegesetz keine Kenntnis von einem Eintrag in die Strafevidenz nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz erlangen und somit die betroffenen Unternehmen nicht, wie im Bundesvergabegesetz verlangt, von öffentlichen Vergabeverfahren ausschließen.

Download: AUGE06-BAK-LSDBG