Alle Beiträge von Karin Stanger

Mach mit! Jetzt aktiv werden #gegenHartz4 auf österreichisch: Schreib an die Sozial- und Arbeitsministerin! Mit Video.

Der diesjährige der ‚Tag der Arbeitslosen‘ am 30. April 2018 stand für die AUGE/UG -Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen ganz im Zeichen der drohenden Abschaffung der Notstandshilfe, was bedeuten würde das #Hartz4 in Österreich kommt.

– Bericht zur Aktion auf ORF.

– Du bist auch gegen die Abschaffung der Notstandshilfe?
Und damit #gegenHartz4 auf österreichisch?
Dann schreib einen Protestbrief an Sozial- und Arbeitsministerin – geht ganz leicht.

– Hier das Video zur Aktion!

Antrag 09 / Für eine zeitgemäße Anerkennung von Berufskrankheiten

der AUGE/UG – Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen

zur 170. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien, am 26. April 2018

Antrag mehrheitlich angenommen:
FSG, ÖAAB, GA, Persp., ARGE, GLB, Türkis, Kom., BDFA: ja
FA: für Zuweisung

Antragsbehandlung im Ausschuss Sozialversicherung und Gesundheitspolitik

Die Berufskrankheiten sind im § 177 ASVG geregelt. Anerkannt werden können ausschließlich Erkrankungen die in der Berufskrankheitenliste angeführt werden. Das sind zum einen Krankheiten, die auf die Verwendung von bestimmten Arbeitsstoffen zurückzuführen sind, zum anderen sind das Erkrankungen, die aufgrund verschiedener Tätigkeiten bzw. Arbeitsabläufe entstehen.

Im Jahr 2016 wurde nach Antragstellung in 1.155 Fällen entschieden, dass es sich um Berufskrankheiten handelt. In 98 Fällen handelte es sich dabei um eine Erkrankung mit tödlichem Verlauf. Grundsätzlich ist bei den Anerkennungen von Berufskrankheiten ein rückläufiger Trend erkennbar.

Offene Problemlagen

Der Nachweis, dass die Erkrankung im direkten Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht, kann nur dann gelingen, wenn der Dienstgeber der entsprechenden Aufzeichnungspflicht beispielsweise über eine erhöhte Lärmbelastung nachgekommen ist.

Eine weitere Schwierigkeit ist der Nachweis eines monokausalen Zusammenhangs zur beruflichen Tätigkeit. Sowohl psychische Erkrankungen als auch Muskel-Skelett Erkrankungen entwickeln sich über einen längeren Zeitraum aufgrund von verschiedenen Faktoren. Ein entsprechender Nachweis ist damit aufgrund dieser Bestimmung nicht möglich. Während in Deutschland Bandscheibenerkrankungen zumindest berücksichtigt werden können, ist das in Österreich nicht der Fall.

Das Gesetz räumt über eine Generalklausel theoretisch die Möglichkeit ein, auch andere Erkrankungen als jene in der Berufskrankheitenliste anzuerkennen. Allerdings muss aufgrund gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse festgestellt werden, „dass die Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen bei einer vom Versicherten ausgeübten Beschäftigung entstanden ist (§ 177 Abs.2 ASVG).“ Damit ist eine Anerkennung von Muskel- und Skelett Erkrankungen de facto unmöglich. 2015 und 2016 hat es aufgrund der Generalklausel keine einzige Anerkennung gegeben.

Frauen und Berufskrankheiten

Grundsätzlich gibt es deutlich weniger Anerkennungen von Berufskrankheiten bei Frauen als bei Männern. Im Jahr 2016 waren bei den anerkannten Berufserkrankungen 995 männlich, 160 weiblich. Das ist insofern nachvollziehbar, als sich das System weitgehend am klassischen männlichen Industriearbeiter orientiert. Der gesamte Pflegebereich mit seinen allgemein attestierten physischen und psychischen Herausforderungen und den damit verbundenen Folgeerscheinungen wird nicht berücksichtigt. Aber auch bei der „klassischen“ Berufserkrankung, der durch Lärm verursachten Schwerhörigkeit, sind gewisse Schieflagen erkennbar. Der Lärm in einem Kindergarten kann durchaus auf beeindruckende 87 Dezibel steigen. Eine Anerkennung von Hörschäden erfolgt hier allerdings nur in 7% der Fälle.

Die 170. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge daher beschließen:

Die Arbeiterkammer Wien fordert eine zeitgemäße Anerkennung von Berufskrankheiten.

Dazu braucht es:

  • Eine veränderte Systemlogik. Ein monokausaler Erklärungsansatz für die Entstehung von Erkrankungen ist diagnostisch und gesellschaftspolitisch – wie die signifikante Zunahme an Invaliditätspensionen aufgrund von psychischen Erkrankungen deutlich macht – nicht mehr aktuell. Es bedarf der Eruierung der arbeitsbedingten Anteile an der Krankheitsentwicklung.
  • Eine Beweislastumkehr beim Feststellungsverfahren: Nicht der Betroffene sollte beweisen müssen, dass die Krankheit von der Arbeit kommt, sondern die/der Arbeitgeber/-in sollte beweisen müssen, dass die Krankheit eben nicht von der Arbeit kommt.
  • Eine Erweiterung der Berufskrankheitenliste, insbesonders eine partielle Berücksichtigung von psychischen Erkrankungen und Muskel- und Skeletterkrankungen
  • Rechtliche Unterstützung in Einzelfällen: 2016 hat der OGH entgegen der bisherigen Rechtspraxis entschieden, dass gegen die bescheidmäßige Anerkennung durch den Unfallversicherungsträger beim Arbeits- und Sozialgericht geklagt werden kann. Diese habe zu prüfen, ob im Einzelfall eine Krankheit ausschließlich oder überwiegend durch die Verwendung schädigender Stoffe oder Strahlen bei einer vom Versicherten ausgeübten Beschäftigung entstanden sei.
  • Eine geschlechtsspezifische Durchleuchtung von Gesundheit am Arbeitsplatz
  • Eine Erweiterung der Berufskrankheitenliste mit einem erweiterten Präventionsangebot.

Antrag 08 / Klima- und Energiestrategie (IKES) muss grundlegend überarbeitet werden!

der AUGE/UG – Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen

zur 170. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien, am 26. April 2018

Antrag mehrheitlich zugewiesen:
ÖAAB, GA, Persp., ARGE, GLB: ja
FSG, Türkis, Kom., BDFA: für Zuweisung
FA: nein

Antragsbehandlung im Ausschuss Umwelt und Energie

Im Rahmen der Weltklimakonferenz 2015 in Paris verpflichteten sich alle Staaten Maßnahmen zu setzen, um den Anstieg der Erderwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius zu halten und sogar das 1,5 Grad Celsius-Ziel anzustreben. Das EU-Klimaziel sieht bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgase (vor allem CO 2) um 40 Prozent gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 vor. Für Österreich beträgt das Einsparungsziel mindestens 36 Prozent.

Mit der kürzlich präsentierten integrierten Klima- und Energiestrategie (IKES) will die österreichische Bundesregierung dieses Mindestziel erreichen. Die Ersteinschätzungen der IKES fielen dabei allerdings recht einhellig aus: Als über weite Strecken zu vage wurde sie kritisiert, wenig ambitioniert und unkonkret gehalten, ohne klare Zuständigkeiten oder verbindliche Zeitpläne. Vor allem auch die fehlende Ausfinanzierung angeführter Maßnahmen stieß auf Kritik. Kritikpunkte sind u.a.:

  • Unzureichende qualitative Ziele betreffend Treibhausgasemissionen sowie ein verbindlicher Reduktionspfad mit konkreten Zwischenzielen. Fehlende Zielsetzungen für bestimmte Sektoren wie z.B. die Landwirtschaft oder die Abfallwirtschaft.
  • Abwendung von einem gesamtstaatlichen Energiesparziel, keine Verankerung von konkreten Energiespar- bzw. Effizienzzielen, keine Erwähnung bzw. Fortschreibung des Bundes-Energieeffizienzgesetzes (Senkung des Energieverbrauchs auf maximal 1050 Petajoule bis 2020) in der Klima- und Energiestrategie.
  • Keine sozial-ökologische Steuerreform sowie Reduktion umwelt- und klimaschädigender Subventionen. Lediglich 5,6 % des österreichischen Gesamtsteueraufkommens stammen aus Umweltsteuern (EU-Schnitt: 6,3 %). Gleichzeitig sind allerdings Arbeit und ArbeitnehmerInnen im EU-Vergleich überdurchschnittlich, Vermögen, Kapital, Energie- und Ressourcenverbrauch dagegen unterdurchschnittlich besteuert. Es besteht also dringender Handlungsbedarf nach einer sozial-ökologischen Steuerstrukturreform, die Arbeit und ArbeitnehmerInnen entlastet, Kapital und Vermögen dagegen höher besteuert und über eine Ökologisierung des Steuersystems positive Anreize zu umwelt- und klimaschonenden Verhaltens- und Produktionsweisen setzt. Gleichzeitig gilt es, die laut WIFO bis zu 4,7 Mrd. umwelt- und klimaschädigende Subventionen deutlich zu reduzieren, um umwelt- und klimaschädigendes Verhalten nicht länger zu fördern und zu belohnen.
  • Keine zusätzlichen Mittel zur Finanzierung von Maßnahmen zum Klimaschutz. Stattdessen wird in der IKES festgehalten, dass die „budgetären Obergrenzen“ des geltenden Finanzrahmens einzuhalten sind, die u.a. in den nächsten Jahren Kürzungen im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes von rund 300 Mio. Euro vorsehen.
  • In der Klima- und Energiestrategie findet sich der Passus, wonach jene „investitions- und strukturpolitische Reformen voran zu treiben“ sind, „die den Übergang zu einer kohlenstoffarmen und energieeffzienten Wirtschaft erleichtern“. Dagegen sollen „neue Investitionen in langlebige Infrastrukturvorhaben, deren Nutzung fossile Energie bedingt“ vermieden werden, da „sie der Erreichung von Klima- und Energiezielen entgegenstehen und volkswirtschaftlich kontraproduktiv sind“. Doch findet sich weder in der IKES noch im konkreten Regierungsverhalten irgendeine entsprechende Konsequenz. Weder wird regierungsseitig vom Ausbau weiterer Autobahnen Abstand genommen, noch findet sich irgendein kritisches Wort zum drohenden Bau der dritten Piste des Flughafens Schwechat.
  • Ebenfalls findet sich in der IKES ein Festhalten an Agrotreibstoffen. Große Mengen von Agrotreibstoffe sind allerdings weder regional noch ökologisch nachhaltig produzierbar. Statt Agrotreibstoffe weiter zu forcieren, sollten die Beimischung deutlich reduziert werden.

So positiv auch einzelne Punkte – wie die Erhöhung der Gebäudesanierungsrate oder die gesonderte Berücksichtigung des Verkehrssektors in der IKES mit eigenem Emissions-Ziel (Senkung um knapp ein Drittel) – sind, bleiben auch hier Maßnahmen über weite Strecken unkonkret und entweder gar nicht oder unzureichend budgetiert und gehen über Schlagworte und Überschriften nicht hinaus.

Die 170. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge daher beschließen:

Die AK Wien befindet die Klima- und Energiestrategie der österreichischen Bundesregierung insgesamt für unzureichend und fordert eine grundlegende Überarbeitung im Rahmen der Begutachtung.

Aus Sicht der AK Wien müssen dabei insbesondere folgende Punkte Eingang in die IKES finden bzw. entsprechend berücksichtigt werden:

  • eine sozial-ökologische Steuerreform, die Arbeit und ArbeitnehmerInnen entlastet, Vermögen, Kapital und Ressourcen- und Umweltverbrauch dagegen stärker besteuert und so entsprechende steuerliche Anreize für umwelt- und klimaschonende Verhaltens- und Produktionsweisen setzt.
  • eine deutliche Reduktion der umwelt- und klimaschädigenden Subventionen. Frei werdende Mittel sind für Investitionen in Klima- und Umweltschutzmaßnahmen sowie für den Kampf gegen Energiearmut und für eine sozial gerechte Energiewende zu nutzen.
  • eine ausreichende finanzielle Dotierung und Konkretisierung der Maßnahmen aus der Klima- und Energiestrategie inklusive Zielvorgaben, verbindlicher Zeitpläne und Zuständigkeiten. Dies beinhaltet u.a. eine
    • Erhöhung der Sanierungsrate auf 3 Prozent jährlich und die Bereitstellung der entsprechenden budgetären Mittel von rund 300 Mio. Euro.
    • Einbeziehung des Sektors Landwirtschaft in die Klima- und Energiestrategie-
    • Ein klares Bekenntnis zum Bundesenergie-Effizienzgesetz und gesamtstaatlichen Energieeinsparzielen
    • Keine Förderung von Agrotreibstoffen
    • Konkrete Konsequenzen aus dem Anspruch, langlebige Investitionsvorhaben vermeiden zu wollen, die fossile Energie bedingen. Das bedeutet insbesondere den Verzicht auf den Ausbau bzw. Neubau von Autobahnstrecken sowie einen raschen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und umfassende Investitionen in klimaschonende sowie umweltfreundliche Verkehrsinfrastruktur.

 

Antrag 07 / Rücknahme Halbierung der Flugabgabe – mehr Engagement für eine europaweite/internationale Besteuerung von Kerosin

der AUGE/UG – Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen

zur 170. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien, am 26. April 2018

Antrag mehrheitlich zugewiesen:
ÖAAB, GA, Persp., GLB, BDFA: ja
FSG, ARGE, Türkis, Kom.: für Zuweisung
FA: nein

Antragsbehandlung im Ausschuss Finanzpolitik

Seit 1. Jänner 2018 ist die bereits im März 2017 beschlossene Halbierung der Flugabgabe in Kraft. Damit entgehen der öffentlichen Hand rund 50 Mio. Euro an Einnahmen.

Bereits bei Beschluss wurde die Halbierung der Flugabgabe insbesondere von Umweltorganisationen kritisiert. Der als besonders klimaschädigend geltende Flugverkehr ist in vielerlei Hinsicht steuerlich begünstigt. Das betrifft etwa die Steuerbefreiung von Kerosin als auch die Umsatzsteuerbefreiung von internationalen Flugtickets. Laut WIFO-Studie „Subventionen und Steuern mit Umweltrelevanz in den Bereichen Energie und Verkehr“ aus 2016 ergaben sich für den Flugverkehr jährlich aus der Nichtbesteuerung von Kerosin Steuervorteile von rund 330 Mio. Euro, aus der Umsatzsteuerbefreiung von Flugtickets von 185 Mio. Euro. Aus der steuerlichen Bevorzugung des Flugverkehrs ergab sich nicht zuletzt für das ungleich ökologischere Verkehrsmittel Bahn im Bereich des Kurzstreckenverkehrs ein deutlicher Wettbewerbsnachteil.

Mit der Einführung der Flugabgabe am 1. April 2011 wurde die steuerliche Begünstigung des Flugverkehrs verringert und zusätzliche Einnahmen für den Staat generiert. Mit der Halbierung der Flugabgabe wird dieser Effekt dagegen wieder weitgehend zunichte gemacht.

Das immer wieder vorgebrachte Argument des „Wettbewerbsnachteils“ der der österreichischen Luftverkehrswirtschaft aus der Flugabgabe entstehen würde, ist vor dem Hintergrund der Entwicklung des Passagieraufkommens nicht haltbar: so hat das Passagieraufkommen am Flughafenstandort Wien mit 24,4 Mio. Passagieren gegenüber 2016 mit einem Plus von 4,5 % deutlich zugenommen, ebenso das Passagieraufkommen der Flughafen-Wien-Gruppe (30,9 Millionen Passagiere, + 6,9 %) insgesamt. Im Vergleich dazu betrug das Passagieraufkommen 2017 am Flughafen Bratislava – der immer wieder als besonders konkurrierender Flughafenstandort herangezogen wird – mit 1,9 Mio. Passagieren weniger als 10 Prozent des gesamten Passagieraufkommens des Flughafen Wiens.

Eine Flugabgabe kann natürlich nicht eine umfassende Kerosinbesteuerung wettmachen, sie ist allerdings zumindest ein kleiner Schritt in die richtige Richtung – nämlich insbesondere für Kurzstrecken den Bahnverkehr gegenüber den Flugverkehr preislich attraktiver zu gestalten und so einen – wenn auch geringen – Lenkungseffekt zu erzielen und zumindest einen Teil des durch den Flugverkehr entstehenden Schaden an Klima und Umwelt finanziell abzugelten.

Die 170. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge daher beschließen:

Die Arbeiterkammer Wien fordert daher die Regierung und Gesetzgeber auf, die beschlossene Halbierung der Flugabgabe wieder zurückzunehmen und so die steuerliche Begünstigung des Flugverkehrs gegenüber anderen, ökologischeren Verkehrsmitteln wieder zu reduzieren.

Die österreichische Bundesregierung ist gleichzeitig aufgerufen, auf europäischer und internationaler Ebene für eine Besteuerung bislang begünstigter Treibstoffe – wie Kerosin – aktiv zu werden. Die steuerliche Begünstigung von Kerosin begünstigt den Flugverkehr gegenüber anderen, ökologischen Verkehrsmitteln und stellt somit eine Wettbewerbsverzerrung dar. Weiters ist aus Gründen des Klimaschutzes eine steuerliche Subventionierung von Kerosin gegenüber anderen Treibstoffen nicht länger haltbar.

Antrag 06 / Für einen Kurswechsel in der Familienpolitik!

der AUGE/UG – Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen

zur 170. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien, am 26. April 2018

Antrag mehrheitlich angenommen:
FSG, Persp., ARGE, GLB, Kom., BDFA: ja
GA, Türkis: für Zuweisung
ÖAAB, FA: nein

Antragsbehandlung im Ausschuss Frauen- und Familienpolitik

Familienpolitik ist ein wichtiges Instrument um Kinderarmut zu bekämpfen, mehr Chancengerechtigkeit herzustellen, Familien finanziell zu entlasten, Kinder zu fördern und die Einkommenssituation von Frauen – und damit auch von Familien – zu verbessern.

Instrumente der Familienpolitik können dabei direkte finanzielle Transfers, Sachleistungen und Steuererleichterungen sein. Hinsichtlich der Erreichung familienpolitischer Zielsetzungen wirken die jeweiligen Maßnahmen höchst unterschiedlich.

Österreich liegt hinsichtlich der Ausgaben für Familien mit rund 2,6 Prozent des BIP (2013) über dem OECD-Schnitt von 2,43 % aber unter Staaten wie Dänemark, Frankreich oder Schweden. Auffallend ist allerdings der überdurchschnittliche Anteil an finanziellen Transferleistung im Vergleich zu anderen Staaten: so liegt der Anteil finanzieller Familientransfers in Österreich mit 1,9 % des BIP deutlich vor Dänemark, Frankreich und Schweden und auch über dem EU-Schnitt. Hinsichtlich der Ausgaben für Sachleistungen – wie etwa Kinderbetreuungs- und elementare Bildungseinrichtungen – liegt Österreich allerdings unter dem EU-Schnitt und weit hinter erwähnten EU-Mitgliedsstaaten wie Dänemark, Schweden und Frankreich.

Zuletzt rückte die Familienpolitik in Österreich im Zusammenhang mit der Einführung des „Familienbonus“ wieder in den Fokus der öffentlichen Debatte. Mit dem „Familienbonus“ sollen Familien die Einkommensteuer zahlen im Ausmaß von bis zu Euro 1.500 je Kind und Jahr entlastet werden.

Nimmt Österreich bei finanziellen Transfers an Familien auch einen Spitzenplatz in Europa ein, so ist die positive Wirkung derselben hinsichtlich der Bekämpfung von Kinderarmut und der Verbesserung der Einkommenssituation von Frauen tatsächlich hinterfragenswert.

2015 waren laut Eurostat 26,5 % der Kinder und Jugendlichen unter 17Jahren in der EU armuts- und sozial ausgrenzungsgefährdet. In Österreich lag der Anteil mit 22,3 % zwar unter dem EU-Schnitt. Allerdings lagen Staaten wie Schweden (14,5 %), Dänemark (15,7 %), Finnland (14,2 %) und die Niederlanden (17,2 %) deutlich niedriger. Alle diese Länder geben deutlich mehr als Österreich für Kinderbetreuung aus umgekehrt allerdings weniger für finanzielle Familienleistungen. Schweden gab z.B. 2011 2,4 % des BIP für Kinderbetreuung aus, Finnland 1,65 %, Dänemark gar 2,4 %, die Niederlande immerhin 0,89 %. Der Anteil Österreichs an Kinderbetreuungseinrichtungen lag dagegen bei 0,65 % des BIP.

Lag Österreich hinsichtlich der Kinderbetreuungseinrichtungen 1980 noch auf Platz 6 innerhalb der OECD, fiel es bis 2008 auf Platz 25 zurück, um bis 2011 wieder auch Platz 13 aufzurücken. Die Versorgungslücken sind allerdings insbesondere im ländlichen Raum, bei den Unter-3-Jährigen und bei ganztägig und ganzjährig geöffneten Kinderbetreuungs- und elementaren Bildungseinrichtungen groß. Der Mangel an entsprechenden Betreuungseinrichtungen ist ein wesentlicher Grund für den im EU-Schnitt einzigartig hohen Teilzeitanteil von Frauen (EU-28 Schnitt: 31,9 %, Österreich: 47,1 %, Platz 2 in der EU hinter den Niederlanden, Zahlen für 2016). Quellen: Eurostat, OECD

Dass die Erwerbsbeteiligung von Frauen signifikante Auswirkungen auf die Haushaltseinkommen und damit die Armutsgefährdung der Haushaltsmitglieder hat und entsprechend die Erhöhung der Erwerbsquote/beteiligung eine der wirkungsvollsten Maßnahmen zur Verhinderung von Kinderarmut ist, belegen nicht zuletzt die Zahlen aus dem aktuellen Sozialbericht (2015-2016): Demnach sinkt die Armutsgefährdungsquote in Alleinerzieherinnenhaushalten bei Erwerbstätigkeit der Mutter von 50 auf 25 %, in Mehrpersonenhaushalten mit mindestens drei Kindern von 38 auf 14 %.

Wenn eine hohe Frauenerwerbsquote und -erwerbsbeteiligung das offensichtlich wirkungsvollste Mittel zur Bekämpfung von Kinder- und Familienarmut ist, dann sollte eine moderne, fortschrittliche Familienpolitik insbesondere zum Ziel haben, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Frauen eine möglichst hohe Erwerbsbeteiligung ermöglichen. Dazu sind offensichtlich nichtmonetäre Familienleistungen – wie ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuungs- und elementaren Bildungseinrichtungen – besser geeignet als monetäre vergleicht man die Ergebnisse innerhalb der EU und OECD-Staaten.

Maßnahmen wie etwa der Kinderbonus stellen daher weniger einen Beitrag zu einer Verbesserung der sozialen und finanziellen Situation aller Familien und Familienmitglieder dar, sondern stellen vielmehr eine Maßnahme zur Verringerung der Einkommensteuerzahlung insbesondere für einkommensstarke Eltern mit Kindern dar. Wie wenig es sich um eine „familienpolitische“ Maßnahme zur Verringerung von Kinder- bzw. Familienarmut handelt zeigt alleine, dass weder das Prinzip „jedes Kind ist gleich viel wert“ gilt, noch dass der „Familienbonus“ jenen Familien besonders zugute kommt, die ein nur geringes Einkommen beziehen. Beim Familienbonus handelt es sich dabei nicht nur um eine Maßnahme, die aus verteilungspolitischen Gründen hinterfragenswert ist: Die veranschlagten Kosten zwischen 1,5 und 1,8 Mrd. Euro hätten investiert in Kinderbetreuung, elementare Bildungseinrichtungen und in die Aufwertung von Bildungsberufen zehntausende zusätzliche Betreuungsplätze und entsprechend zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse im elementaren Bildungsbereich geschaffen, nachhaltig die Erwerbschancen und -karrieren von Frauen sowie Bildungs- und Entwicklungschancen tausender Kinder verbessert.

Die 170. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge daher beschließen:

Die Arbeiterkammer Wien fordert eine Neuausrichtung der Familienpolitik die insbesondere die Bekämpfung von Kinderarmut, die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, die gerechtere Verteilung von Familien- und Hausarbeit sowie eine Erhöhung der Chancengerechtigkeit zum Ziel haben. U.a. folgende Prinzipien sind dabei besonders zu berücksichtigen:

  • Sachleistungen ist gegenüber Geldleistungen der Vorzug zu geben, wie etwa …

… dem flächendeckenden Ausbau bedarfsgerechter, kostenloser, ganztägig und ganzjährig geöffneter Kinderbetreuungs- und elementarer Bildungseinrichtungen, insbesondere auch für unter-3-Jährige Kinder, verbunden mit einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung.

… dem flächendeckenden, bedarfsgerechten Ausbau ganztägiger Schulformen.

… dem flächendeckenden, bedarfsgerechten Ausbau sozialer Infrastruktur und Dienste wie etwa Pflege- und Betreuungseinrichtungen zur Entlastung pflegender Angehöriger.

  • Geldleistungen an Familien sind so zu gestalten, dass dem Prinzip „jedes Kind ist gleich viel wert“ Rechnung getragen wird. Transferleistungen ist aus verteilungspolitischen Gründen dabei grundsätzlich der Vorzug gegenüber Steuerentlastungen zu geben, da diese einkommensstärkeren Gruppen im Verhältnis zu einkommensschwächeren ungleich stärker zugute kommen.
  • Gesetzliche Arbeitszeitregelungen sind so zu gestalten, dass sie eine gerechtere innerfamiliäre Verteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Haus- bzw. Familienarbeit erlauben. Dies beinhaltet einerseits sowohl eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung als auch rechtliche Möglichkeiten, individuell, an spezifische Lebenslagen (z.B. Pflege und Betreuung) gebundene Arbeitszeiten bzw. berufliche Auszeiten wählen zu können.
  • Jedenfalls abzulehnen sind erleichterte Möglichkeiten, tägliche und wöchentliche Arbeitszeiten auf 12 bzw. 60 Stunden ausweiten zu können, da diese einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie der gerechteren Verteilung von Arbeit zwischen beiden Elternteilen zuwider laufen.