Resolution 01 zur 150. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 14. Juni 2012


Die gegenständliche Mitteilung der Kommission setzt sich nicht nur mit der Neudefinition von CSR auseinander, sondern formuliert das Soziale Unternehmertum, also die sozialen Dienstleistungen als neues Handlungsfeld für den Finanzmarkt.

Zur Initiative für soziales Unternehmertum

Österreich direkt betreffend ist die „Initiative für soziales Unternehmertum“, ein neues Handlungsfeld im CSR-Bereich. Dazu soll ein „Ökosystems zur Förderung der Sozialunternehmen als Schlüsselakteure der Sozialwirtschaft und der sozialen Innovation“ geschaffen werden.

Zur grundsätzlichen Ausrichtung der Initiative

Unter Sozialunternehmen werden Unternehmen subsummiert, die „soziale und/oder ökologische Unternehmenszwecke verfolgen, Gewinne dafür reinvestieren und deren gesellschaftliche Ziele sich in ihrer internen Struktur widerspiegeln“. Dies kann sich durch die Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse ausdrücken, da sie „auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind“. In den beispielhaften Aufzählungen wird vorwiegend auf Sozialdienstleister im engeren Verständnis Bezug genommen (Gesundheitsdienstleister, Pflege, Kinderbetreuung, usw.)

Der Aktionsplan dazu sieht einen „verbesserten Zugang zum Finanzmarkt“ durch Sozialunternehmen vor, mehr Sichtbarkeit für das soziale Unternehmertum sowie ein verbessertes rechtliches Umfeld.

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen österreichischer Sozialunternehmen werden in der Folge erste Anmerkungen zu den Maßnahmenvorschlägen gemacht:

Die vorliegende Mitteilung nimmt keinerlei Rücksicht auf gemeinnützige Anbieter. Zur Erklärung: Soziale Unternehmen sind jene, die nicht vorrangig auf Gewinn ausgerichtet sind, jedoch welchen erzielen. Gemeinnützige Anbieter erzielen keinen Gewinn, sondern operieren auf Basis von Echtkostenabrechnungen. Im österreichischen System gibt es zwar soziale Unternehmen, nämlich sozialökonomische Betriebe, die per definitionem einen Eigenerwirtschaftungsanteil von 20% erbringen müssen. Das heißt jedoch nicht, dass sie über diese Mittel auch wirklich verfügen können. Liegt der Anteil höher, sinkt sofort das Fördergeld des AMS.

Sozialökonomische Betriebe (SÖBs) suchen sich ihr Klientel nicht auf dem „Markt“, sondern bekommen es vom jeweiligen AMS zugewiesen. Diese Leistungsverträge und -kontingente werden jährlich ausgehandelt, damit ist die finanzielle Situation eines SÖB zu 100% abhängig von der öffentlichen Hand bzw. den Mitteln des AMS.

Soziale Dienstleistungen, erbracht von Sozialen Unternehmen, gleichen im Auftrag der öffentlichen Hand ein Marktversagen aus. In Österreich kann dieses Ausgleichen des Marktversagens, anders als in Deutschland (gesetzliche Regelung der Subsidiarität über sogenannten Vorbehalt für freie Träger der Wohlfahrt), jederzeit auch an private gewinnorientierte Unternehmen ausgelagert werden, was in der Erwachsenenbildung im Rahmen der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen des AMS zum Teil bereits erfolgt ist. Diese Auslagerung hatte bisher finanzielle Aspekte, keine inhaltlichen.

Zu den Schlüsselmaßnahmen

  • Möchten private Investoren in langfristige gemeinnützige Entwicklungen investieren, haben sie dafür die Möglichkeit über Sozial-, Gemeinnützige und Entwicklungsbanken sowie über Public Private Partnership. Ein Feld, in dem die Anbieter oder Unternehmer entweder gar nicht oder nur zum Zweck der Reinvestierung Gewinne erzielen oder sich an diesen orientieren, ist kein Feld für den Finanzmarkt.
  • Grundsätzlich sind solche Privatisierungsbestrebungen abzulehnen. Negative Beispiele aus dem Personennahverkehr in Großbritannien oder aus dem Gesundheitswesen, hier unter anderem auch die Pflegewirtschaft in Deutschland, liegen mehr als genug vor.
  • Sowohl der ESF wie auch der EFRE hatten und haben in der laufenden Periode Finanzmittel für soziale Innovationen. Die Problematik liegt weniger in den innovativen Projekten und Unternehmen, sondern in dem Prozess zur Übernahme in die Regelfinanzierung. Soziale Unternehmen sind nicht in erster Linie wachstumsorientiert.
  • Die Vergaberichtlinien der EU ermöglichen eine Gewichtung der Vergabekriterien, in denen ausdrücklich sowohl soziale und arbeitsmarktpolitische sowie ökologische Kriterien stärker gewichtet werden können. Wenn allerdings in den einzelnen Mitgliedsstaaten der Preis mit mindestens 50% gewichtet wird, kann dieses Problem nicht auf der europäischen Ebene gelöst werden.

Die ArbeiternehmerInnen in Sozialunternehmen sind zwar oft motivierter, weil sie in ihrer Arbeit einen Sinn sehen, aber sowohl die Arbeitsbedingungen wie auch die Bezahlung ist eine Herausforderung für ArbeitnehmerInnen. Dass die Arbeitsweise und die Arbeitsbedingungen in der Pflege sehr umstritten sind, zeigt nicht zuletzt ein aktuelles EUGH-Urteil, wonach eine Arbeitnehmerin in einem Pflegebetrieb ihren Arbeitgeber wegen schlechter Arbeitsweisen in der Pflege geklagt hat. Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass sie Recht hat und gute Arbeitsbedingungen in der Pflege ein höheres Gemeinwohlinteresse haben.[1] Es ist daher eine wichtige Herausforderung, gute menschengerechte Arbeitsbedingungen und Unternehmensstrukturen in Sozialunternehmen zu fördern.

Soziale Genossenschaften, wie zB Selbsthilfe-Genossenschaften für Langzeitarbeitslose oder ähnliches, sind in Österreich schwer umzusetzen. Denn die Genossenschaften müssen ihre Mitglieder fördern und eine Gewinnerzielung ist unabdingbar. In Österreich ist es bisher noch nicht gelungen, eine soziale Genossenschaft außerhalb des Wohnbaus aufzubauen.

Allerdings gibt es eine Reihe von Initiativen, die gemeinwohlorientierte Unternehmen fördern und entsprechende Instrumente entwickeln. Beispiele dafür sind das Konzept der Gemeinwohlökonomie[2], sustainable und social enterpreneurship[3] und Solidarökonomie[4].

In diesem Bereich ist vor allem nationalstaatlich in Österreich großer Nachholbedarf in Bezug auf Förderinstrumente.

Zu den Auswirkungen:

Finanzinvestitionen in den Bereich der sozialen Unternehmen bzw. der sozialen Dienstleistungen führen einerseits zur beherrschenden Stellungen von Großunternehmen. Andere Anbieter, die ihren gesamten Gewinn reinvestieren, sind als Finanzanlage uninteressant.

Für Versicherungen kann dieser Bereich lukrativ werden, in dem Versicherungen in soziale Dienstleistungen investieren und diese als Versicherungsprodukte verkaufen. Dies würde zu einem Zweiklassensystem führen, eine ausgebaute Versorgung, für jene, die es sich leisten können und eine Grundversorgung für Menschen mit niedrigem Einkommen.

Soziale Dienstleistungen müssen allen unabhängig von ihrem Einkommen in gleicher Qualität und mit dem gleichen Zugang zu Verfügung stehen.

Die 150. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer lehnt die Öffnung des Bereichs der sozialen Dienstleistungen für den Finanzmarkt entschieden ab. Sie fordert die österreichischen VertreterInnen auf europäischer Ebene auf, entschieden gegen weitere Vorstöße der Kommission in diese Richtung aufzutreten.

Abzulehnen ist die Grundidee dieses Papieres, auf den Bereich der sozialen Unternehmen mit Rezepten des Finanzmarktes zu reagieren. Leistungen, die Marktversagen ausgleichen, dem Markt zuzuführen, erinnert an einen Schildbürgerstreich. Vielmehr sollte dieser Bereich solidarisch und demokratisch organisiert werden.

 

 

 



[2]    http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/ Im Rahmen dieser Initiative wurde ein Instrument zur Messung der Gemeinwohlorientierung von Unternehmen entwickelt, das auf Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung und Transparenz basiert.

[3]    Seit einigen Jahren findet neben dem CSR-Tag jährlich auch ein sogenannter „Social Business Day“ weltweit sowie in Österreich statt http://www.grameencreativelab.com/events/worldwide-social-business-day.html, http://www.socialbusinessday.org/

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