Die österreichische Bundesregierung und der Gesetzgeber wird im Sinne eines zielgerichteten und effizienten Mitteleinsatzes aufgefordert, Mittel aus dem FLAF zur Finanzierung von Sach- bzw. Dienstleistungen – insbesondere bedarfsgerechten, flächendeckenden Kinderbetreuungseinrichtungen – frei zu machen. In einem ersten Schritt sind 6 % des FLAF-Budgets für diesen Zweck nachhhaltig und fortlaufend umzuwidmen. Mit diesen Geldern wäre eine erste Schließung der Bedarfslücke sichergestellt und ausreichend finanziert.
Mittelfristig gilt es, noch mehr Mittel aus dem FLAF freizumachen, um ein kostenloses Angebot an Kinderbetreuungsplätzen sicherzustellen. Kinderbetreuungseinrichtungen – Kindergärten, Kinderkrippen, Nachmittagsbetreuung in den Schulen etc. – sind nicht nur Betreuungs-, sondern auch wesentliche Bildungseinrichtungen. In diesem Sinne erscheint es nicht schlüssig, dass der Schulbesuch – richtigerweise – kostenlos, der Besuch einer Kinderbetreuungseinrichtung allerdings mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Auch hier gilt es, soziale Barrieren abzubauen.
In Österreich herrscht nach wie vor ein eklatanter Mangel an bedarfsgerechten Kinderbetreuungsplätzen (Öffnungsdauer mindestens 40 Stunden/Woche, durchschnittlich tägliche Öffnungsdauer 8 Stunden, Kindergärten an vier Tagen zumindest bis 17 Uhr, an einem Tag zumindest bis 13 Uhr). Die Arbeiterkammer geht von einer Bedarfslücke von 90.000 Kinderbetreuungsplätzen aus (50.000 fehlende, 40.000 nicht zufriedenstellende), die zu schaffen oder zu adaptieren wären, um eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen.
Vor allem für die Altersgruppen der Unter-3-jährigen und der 6 – 9-Jährigen sind insgesamt viel zu wenig Plätze vorhanden. Selbst im relativ gut ausgebauten Bereich der Kindergärten (3 – 5-Jährige) sind die Öffnungszeiten oft nur schlecht mit Berufstätigkeit vereinbar.
Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass Österreich hinsichtlich seiner Familienpolitik – etwa im Vergleich mit skandinavischen Ländern – als besonders konservatives Land gilt. Familienpolitische Leistungen in Österreich erfolgen größtenteils in Form finanzieller Transfers, weniger in Sachleistungen, finanziert aus dem Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). Dieser ist 2007 mit rund 5,5 Mrd. Euro, 2008 mit rund 5,6 Mrd. Euro dotiert. Überwiegend werden daraus Familienbeihilfen und das Kinderbetreuungsgeld finanziert, 2006 wurden „Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie“- dahinter verbergen sich begrenzte Förderungen für Pilotprojekte in der Kinderbetreuung – gerade einmal mit 800.000 Euro, das sind 0,015 % des FLAF ausgewiesen (Gesamtvolumen FLAF 2006: ca. 5,3 Mrd Euro).
Auch wenn finanzielle Leistungen aus dem FLAF gerade bei NiedrigeinkommensbezieherInnen einen wesentlichen Beitrag zum Haushaltseinkommen leisten und damit auch armutsmindernd wirken können, belegt die Statistik doch recht eindeutig, dass Familientransfers nur bedingt armutsvermeidend wirken:
126.000 Buben und 147.000 Mädchen lebten 2004 in Haushalten mit einem Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle. Kinder haben eine überdurchschnittliche Armutsgefährdung von 15 % (Armutsgefährdung insgesamt: 13 %)
Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren machen über ein Viertel aller Armutsgefährdeten in Österreich aus (26 %).
Rund 113.000 Kinder und Jugendliche waren 2004 manifest arm.
Mehr als ein Drittel (36 %) der armutsgefährdeten Kinder lebt in Haushalten mit drei und mehr Kindern. Alleinerziehende Haushalte haben ein Armutsrisiko von 24 %.
Und: Die Erwerbstätigkeit von Müttern und Frauen ist ein wichtiger Schutz vor Armut: das Armutsrisiko steigt bei Nichterwerbstätigkeit der Frauen überdurchschnittlich. Dies betrifft insbesondere Haushalte mit Kindern. Bei nicht erwerbstätigen AlleinerzieherInnen ist jede zweite Person in diesen Haushalten (47 %) armutsgefährdet. (Quelle: Statistik Austria, Arumutsgefährdung und Armutslagen von Kindern)
Wenn die Erwerbstätigkeit von Müttern und Frauen ein wichtiger Schutz vor Armut ist, Familientransfers dagegen – wie eindrucksvoll belegt – nur wenig geeignet sind, Kinder- und Familienarmut zu verhindern, muss es zu einer Umorientierung in der Familienpolitik und damit auch der Ausgaben für Familien kommen. Wie skandinavische Modelle zeigen, spielt dabei vor allem ein ausreichend vorhandenes, bedarfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen eine zentrale Rolle. Sie ermöglichen den erziehenden Elternteilen nicht nur einer entsprechende Erwerbsarbeit nachzugehen, sondern sind neben Betreuungs- auch Bildungseinrichtungen, die Chancengleichheit für alle Kinder unabhängig ihrer sozialen Herkunft sicherstellen können.
Es ist nicht einzusehen, warum Mittel aus dem FLAF – zu 86 % von den ArbeitnehmerInnen finanziert – beinahe ausschließlich der Finanzierung von Familientransfers dienen (und zwar für alle), nicht jedoch der Finanzierung von Sachleistungen, die insbesondere ArbeitnehmerInnen – vor allem Frauen – mit Kindern, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollen, und den Kindern selbst zugute kommen würden. Der Mittelaufwand der für Familienförderung aufgebracht wird, steht angesichts der mageren Ergebnisse – sowohl was die Vermeidung von Kinderarmut, als auch die Förderung der Erwerbstätigkeit von Müttern betrifft – in keinem Verhältnis. Die Daten belegen eine ausgesprochen ineffiziente Verwendung der Mittel.
Ein flächendeckender, bedarfsgerechter Ausbau von 90.000 Kinderbetreuungsplätzen, der geschätzten 25.000 Frauen, denen derzeit entsprechende Kinderbetreuungsplätze verwehrt bleiben, es verunmöglicht, einer Beschäftigung nachzukommen, würde – nach AK-Berechnungen – im ersten Jahr (Schließung der Lücke) rund 288 Millionen Euro kosten, in den Folgejahren 240 Millionen Euro. Das sind knapp unter 6 % des Gesamtbudgets des FLAF.