Antrag 17 / Nein zum Ilisu-Staudamm!

Im Rahmen des letzten Beirats der Kontrollbank am (8. März 2007) wurde eine Exportgarantie im Ausmaß von € 230 Millionen für den Bau des Ilisu Staudamms im Südosten der Türkei beschlossen (Exportgarantie für die Fa. VA-Tech Hydro/Andritz). Aus österreichischen Steuermitteln wird damit ein höchst umstrittenes Staudammprojekt ermöglicht, dass fatale soziale, politische, kulturelle und ökologische Folgen mit sich bringt. Aus diesen Gründen verabschiedete sich daher die Weltbank aus der Finanzierung des Ilisu-Studamms, weil das Projekt hinsichtlich der Sozial- und Umweltauflagen nicht den Weltbankstandards entspricht. Für die österreichische Kontrollbank scheinen folgende schwerwiegende Kritikpunkte am Projekt Ilisu-Staudamm dagegen kein Problem zu sein:

  • Der Tigris soll auf einer Länge von 130 Kilometer aufgestaut werden, sämtliche historisch einmalige Städte – insbesondere die archäologisch einmalige Stadt Hasankeyf (Höhlenwohnungen, zahlreiche kulturhistorische Denkmäler), die seit ca. 11.000 Jahren durchgehende besiedelt ist, komplett überflutet werden. Ein nicht wieder gutzumachende Zerstörung kulturhistorischen Erbes!
  • Mehr als 50.000 Menschen – überwiegend KurdInnen – sind vom Staudammbau betroffen. Durch die Überflutung ihrer Häuser und der Zerstörung von rund zweihundert Quadratkilometer Acker- und Weidefläche wird die Lebensgrundlage dieser Menschen zerstört, die Bevölkerung in die umliegenden Städte, vor allem nach Diyarbakir und Batman abgesiedelt. Den Abgesiedelten droht dabei das Schicksal der kompletten Verarmung, das diese Städte weder Infrastrukturell noch hinsichtlich ausreichender Arbeitsmöglichkeiten einen weiteren Zuzug verkraften können. Bereits jetzt sind dieses Städte aufgrund der Zerstörung von 4000 Dörfern im Zuge der militärischen Kampagnen der türkischen Armee in den letzten Jahren regelrecht explodiert, was zu einer Verslumung in den äußeren Stadtteilen geführt hat. Es ist daher kein Wunder, dass der Übersiedlungsplan bei ExpertInnen und MenschenrechtsaktivistInnen auf heftigen Widerstand stößt, da dieser weder internationalen Standards, noch nicht einmal grundlegenden Menschenrechten entspricht.
  • Aus ökologischer Sicht verursacht der Kraftwerksbau die Zerstörung einer weitgehend unberührten und intakten Flusslandschaft, die vielen seltenen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bietet, der durch die Überflutung verloren gehen würde und somit ein Aussterben dieser Tier- und Pflanzenarten befürchtet werden muss.
  • Auch die angrenzenden Staaten – Syrien und der Irak – sind massiv von den Folgen des Staudamms betroffen. Es ist zu erwarten, dass sowohl die Wassermenge, als auch die Wasserqualität des Flusses, besonders bei Trockenheit, drastisch abnehmen werden. Abkommen mit Syrien und dem Irak fehlen bislang, obwohl sie nach internationalem Recht verpflichtet sind.
  • Zusätzlich verschärft wird der Staudammbau durch eine zunehmende „Militarisierung“ des Projektes. Nach Angaben der kurdischen Nachrichtenagentur ANF plant die türkische Regierung die Entsendung von 5.000 Soldaten in den Südosten der Türkei, um den Staudammbau militärisch abzusichern. Damit scheinen in dieser politisch heiklen Region militärische Auseinandersetzungen vorprogrammiert, da die Absiedlung der Bevölkerung wohl nicht widerstandslos hingenommen werden wird.

Hunderte NGO (in Österreich etwa  Amnesty International, Global 2000, ATTAC, WWF, die Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz, die Gesellschaft für bedrohte Völker, FEYKOM u.a.)  Gewerkschaften und Betroffeneninitiativen in der Türkei und weltweit leisten daher gemeinsam mit den Bürgermeistern der betroffenen Ortschaften der Region (darunter auch der Bürgermeister von Diyarbakir) seit Jahren Widerstand gegen dieses Projekt.

Dennoch hat der – auch sozialpartnerschaftlich – zusammengesetzte Kontrollbankbeirat seine Zustimmung zur Exportkredithaftung gegeben. Während die Arbeiterkammer in einer Stellungnahmen Kritik am Staudammprojekt geäußert hat und der AK-Vertreter sich zumindest der Stimme enthalten hat, hat der ÖGB von Beginn an das Ilisu Projekt unterstützt. Auch wenn der ÖGB-Vertreter bei der entscheidenden Sitzung nicht anwesend war, hat der ÖGB-Präsident in der ÖGB-Bundesvorstandssitzung die ebenfalls am 8. März stattfand, noch einmal die Unterstützung des ÖGB für den Bau des Ilisu-Staudamms bekräftigt. Diese Haltung ist angesichts der vorliegenden Fakten unverständlich und scharf zu kritisieren.

Die Zustimmung am 8. März fand dabei unter Vorraussetzungen statt, die bei näherer Betrachtungsweise niemals die Grundlage für die Genehmigung des Exportkredites hätten bilden dürfen:

  • So wurde etwa behauptet, dass die Unterstützung des Ilisu-Projekts den Weltbankstandards entspricht. Die Ende März präsentierten 150 Auflagen sind allerdings nicht darauf ausgerichtet, das Projekt an internationale Standards anzugleichen. So soll etwa auf die laut Weltbank vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vollends verzichtet werden: Es ist einer der wesentlichsten Weltbankstandards, dass die Konsequenzen eines Projektes überprüft werden müssen, bevor es zu einer Entscheidung kommt. Genau das ist bei Ilisu allerdings nicht der Fall. Es liegen weder eine UVP, noch ein geprüfter Umsiedlungsplan, noch eine Überprüfung der Auswirkungen auf die kulturellen  und archäologischen Werte vor. Die 150 Auflagen führen dagegen nicht zu einer Verbesserung des Projektes, sondern sogar zu einer Verschlechterung: entgegen den bisherigen Vorgaben ist eine UVP bei den insgesamt 38 Umweltauflagen nicht mehr vorgesehen!
  • Auch aus völkerrechtlicher Sicht hätte eine Zustimmung nicht gegeben werden dürfen, da Abkommen bsp. mit dem Irak fehlen. Die irakische Regierung hat dem Ilisu-Staudammprojekt zu keinem Zeitpunkt zugestimmt. So wird in einem Bericht von The Corner House der Irakische Wasserminister mit folgender Aussage zitiert: „Irak hat die betroffenen Staaten offiziell durch ihre Botschaften darüber informiert, dass wir nicht umfassend über Ilisu konsultiert wurden und dass wir den Betriebsabläufen für den Damm nicht zugestimmt haben.“ Ein völkerrechtlich vorgeschriebener Interessensausgleich hat demnach nicht stattgefunden.

 

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