Antrag 03 – Pensionen – Altersarmut ist auch akademisch

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige Gewerkschafterinnen
zur 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 02.Dezember 2021

Antrag mehrheitlich zugewiesen:
FSG: für Zuweisung
ÖAAB, FA: nein

Antragsbearbeitung im Vorstand

Die 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer fordert den Gesetzgeber auf, das Allgemeine
Pensionsgesetz dahingehend zu ändern, sodass auch für längere, über die
Schulpflicht hinausgehende Ausbildungszeiten, d.h. für Zeiten des Besuchs
von mittleren und höheren Schulen sowie für die Mindeststudiendauern, auf
dem Pensionskonto monatliche Beitragsgrundlagen, analog den Beitragsgrundlagen für Kindererziehungszeiten, Zivil- oder Präsenzdienstzeiten, angerechnet werden.

In unserem derzeit gültigen Pensionssystem, dessen Finanzierung im
Umlageverfahren, also aus Beiträgen der Erwerbstätigen sowie aus Bundesmitteln erfolgt, sind einige Voraussetzungen entscheidend. So ist zunächst das Prinzip der Pflichtversicherung hervorzuheben, durch das alle über der Geringfügigkeitsgrenze beschäftigten Personen vom Anbeginn ihrer Erwerbstätigkeit in die Pensionsversicherung eingebunden sind.

Bestimmte Lebensphasen, in denen zumeist keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, wie z. B. während der Kindererziehungszeit, des Zivil- oder Präsenzdienstes, der Arbeitslosigkeit oder des Bezugs von Sozialleistungen, werden im Sinne eines Sozial- und Solidaritätsprinzips dennoch als Zeiten einer Teilversicherung in der Pensionsversicherung angerechnet. So wird für Kindererziehungs-, Präsenzdienst-, und Zivildienstzeiten eine fixe monatliche Beitragsgrundlage von derzeit EUR 1986,04 angerechnet.

Die Pensionshöhe ist von der Einkommenshöhe (begrenzt durch eine
Höchstbeitragsgrundlage) und von der Dauer der erworbenen Versicherungsmonate abhängig. Eine lange Berufstätigkeit, beginnend bereits mit den Lehrjahren, ist in einem erwerbszentrierten Pensionssystem demnach eine gute Basis für eine Pension, die in finanzieller Hinsicht einen sorgenfreien Lebensabend ermöglicht.

Wie ist jedoch die Situation für Personen mit längeren Ausbildungszeiten?

Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten werden in der Pensionsversicherung-
sowohl bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen als auch für die
Pensionsberechnung – bekanntlich nur dann berücksichtigt, wenn für diese im
Rahmen einer freiwilligen Versicherung Beiträge entrichtet werden. 2021 kostet der Nachkauf für einen Monat Bildung EUR 1.265,40. Für ein Schuljahr werden demnachEUR 15.184,8 bezahlt und für drei nachgekaufte Schuljahre EUR 45.554,4. Sechs Jahre Universität belaufen sich auf EUR 91.108,8, in Summe ergeben sich dann für neun Jahre Bildungszeit EUR 136.663,2.

Es ist somit nicht notwendig zu betonen, dass der Nachkauf von Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten nur für eine einkommensstarke Gruppe erschwinglich ist. Dieser Logik liegt die Prämisse zugrunde, dass Personen mit längeren Ausbildungszeiten entsprechend hohe Einkommen beziehen, die den Nachkauf von Ausbildungszeiten ermöglichen. Dass diese Annahme jedoch nur mehr auf einen eingeschränkten Personenkreis zutrifft, ist die traurige Realität. Denn viele Akademiker*innen, auch in wissenschaftlichen Arbeitsbereichen, haben prekäre Arbeitsverträge, verdienen entsprechend wenig und können sich demnach den Nachkauf der Ausbildungszeiten nicht leisten. In diesem Pensionssystem sind somit all jene extrem benachteiligt, die nach der Vollendung des 15. Lebensjahres nicht erwerbstätig sind, sondern eine mittlere oder höhere Schule und danach eine Universität besuchen, und in ihrem späteren Berufsleben nicht die ursprünglich vorausgesetzten hohen Gehälter beziehen. Denn lange Ausbildungszeiten und danach folgende oft schlecht bezahlte Jobs oder sogar prekäre Arbeitsverhältnisse sind die besten Voraussetzungen für niedrige Pensionen bzw. Altersarmut. Ist es da nicht notwendig umzudenken und sich einzugestehen, dass die Klischeevorstellung von hochdotierten Akademiker*innen nur mehr eingeschränkt den Tatsachen entspricht und daher Maßnahmen notwendig sind, durch die das Solidaritätsprinzip in unserem Pensionssystem auch für diese Gruppe Anwendung findet?

Eine Erweiterung des Bezugsrechts auf Beitragsgrundlagen – analog den
monatlichen Beitragsgrundlagen für die Kindererziehungs-, Zivil- und
Präsenzdienstzeit – auch für die Zeiten der mittleren und höheren Schulbildung
sowie für die Mindeststudiendauer, würde somit nicht nur einen gerechten Ausgleich schaffen, sondern auch Erhöhungen der Pensionen für Personen mit längeren Ausbildungszeiten mit sich bringen. So würden die Beitragsgrundlagen – ausgehend von EUR 1986,04 pro Monat (mal 12) im Jahr 2021-z. B. für vier Jahre Ausbildungszeit eine Erhöhung der Pension um EUR 121,20 pro Monat ergeben.