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Antrag 09 – Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 26. November 2020

Antrag einstimmig angenommen

Antragserledigung im BAK-Vorstand

Die 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer setzt sich dafür ein, dass ‚Männer‘ – und ‚Frauen‘-Berufe systematisch miteinander verglichen werden und konkrete Empfehlungen für die gleiche, d.h. gerechte Bewertung und Bezahlung von Männer- und Frauenarbeit zu geben.

Die im Auftrag der AK erstellte Sonderauswertung des Österreichischen Arbeitsklima-Index anlässlich der COVID-Pandemie nennt als systemrelevante Berufsgruppen Einzelhandels- bedienstete, Reinigungskräfte, LehrerInnen, BerufsfahrerInnen und Lieferdienste, Pflege, – Betreuungs- und Gesundheitsberufe, ApothekerInnen, Bankangestellte, KindergartenpädagogInnen und Polizei (vgl. Schönherr, Zandonella, SORA 2020(7)).

Acht von diesen elf Berufen können als Frauenberufe bezeichnet werden, da der Anteil der Frauen bei über 80% der Beschäftigten liegt (8). In den fünf Berufsgruppen mit dem höchsten Frauenanteil liegt das durchschnittliche Einkommen unter dem österreichischen Durchschnittslohn.

Die Corona-Pandemie macht jedenfalls deutlich, dass diese Berufe systemrelevant, also gesellschaftlich unverzichtbar sind. Angesichts dieser Erkenntnis sollte sich Gleichstellungspolitik nicht darauf beschränken, Frauen eine andere Berufswahl nahezulegen, sondern gleichzeitig darauf hinarbeiten, diese und weitere Frauenberufe sowohl in Relation zu anderen Berufen, als auch absolut hinsichtlich Einkommen, Prestige und Arbeitsbedin-gungen aufzuwerten.

Dass gerade Frauen oft in unterbezahlten Berufen arbeiten, ist kein Zufall. Die ‚Devaluationsthese‘ geht davon aus, dass sich der (im Vergleich zu Männern) geringere gesellschaftliche Status von Frauen in weiten Bereichen auf die Bewertung ihrer Arbeit auswirkt. Dazu ein Beispiel aus dem Gesundheits-und Sozialbereich:

Das durchschnittliche Einkommen(9) aller österreichischen Männer betrug 2018 laut Statistik Austria monatlich € 3.197,- brutto (vgl. Statistik Austria(10)). Im Kollektivvertrag der Sozial-wirtschaft Österreich (die v.a. mehrheitlich von Frauen ausgeübte Pflege- und Betreuungs-berufe umfasst) erreichten von neun Gehaltsgruppen nur die drei höchsten, also die Gruppe 7 (das sind beispielweise Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit Sonderausbildung,
Kindergarten-und Hortpädagoginnen, Behinderten-Fachkräfte) ab dem 27. Dienstjahr, die Gruppe 8 (das sind beispielsweise Behindertenfachkräfte mit Spezial-aufgaben, Sozialarbeiterinnen oder Physiotherapeutinnen) ab dem 13. Dienstjahr und die Gruppe 9 dieses mittlere Durchschnittseinkommen aller Männer (vgl. SWÖ KV 2020).

Seit dem Jahr 2011 regelt das Gleichbehandlungsgesetz die Verpflichtung aller Unternehmen ab 150 MitarbeiterInnen, Einkommensberichte zu erstellen und mit diesem Instrument auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und damit auf Gleichstellung von Männern und Frauen im Betrieb hinzuarbeiten.

Da es sich jedoch bei der ungleichen Bewertung von Männer- und Frauenarbeit, wie oben beschrieben, offensichtlich um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen handelt, sollten Männer- und Frauenarbeit und -einkommen nicht nur auf betrieblicher Ebene, sondern branchenübergreifend analysiert und neu bewertet werden.

Als Methode bietet sich der so genannte ‚Paarvergleich zur Gleichwertigkeit‘ an, bei dem anhand bestimmter Kriterien (Voraussetzungen, Anforderungen, Belastungen…) Berufe in ihren einzelnen Merkmalen detailliert miteinander vergleichen werden. Erprobte Kriterien-kataloge finden sich beispielsweise in der Studie zum „Comparable Worth“-Index als Instrument zur Analyse des Gender Pay Gap von Sarah Lillemeier(11) oder im Entgelt-gleichheits-Check der deutschen Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

(7) Daniel Schönherr / Martina Zandonella: Sonderauswertung des Österreichischen Arbeitsklima Index Bedingungen und Berufsprestige von Beschäftigten In systemrelevanten Berufen in Österreich, SORA Institut im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, Wien, April 2020
(8) Ab 70% Männer bzw. Frauenanteil in einer Berufsgruppe kann lt. Toolbox Einkommensberichte (BM für Gesundheit und Frauen, ÖGB Frauen, Arbeiterkammer und der Gleichbehandlungsanwaltschaft 2016) von Männer- bzw. Frauenarbeit gesprochen werden
(9) von Teilzeit und nicht-ganzjähriger Beschäftigung bereinigt
(10) www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/personeneinkommen/jaehrliche_personen_einkommen/index.html
, aufgerufen am 16.10.2020
(11) Working Paper WSI 205,Hans Böckler Stiftung

Antrag 08 – Studieren ohne Hürden

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 26. November 2020

Antrag einstimmig angenommen

Antragserledigung im BAK-Vorstand

Die 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer setzt sich für ein Studieren ohne Hürden und ohne Zugangsbeschränkungen ein. Studieren soll für alle gut möglich sein – auch für Studierende, die Betreuungspflichten haben, Menschen mit Behinderung oder Studierende, die lohnarbeiten (müssen).

Die Bundesarbeitskammer fordert daher die Bundesregierung und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf,

  • den Alltag von Studierenden nicht durch eine weitere Verschärfung, wie dem Nachweisen von einer willkürlich gesetzten ECTS-Anzahl, zu erschweren.
  • die Studieneingangsphase als echte Orientierungsphase zu gestalten und Studierende nicht durch weitere Hürden darin am Zugang zur Universität hindern.
  • eine Anpassung der Studien vorzunehmen, damit diese mehr den Bedürfnissen von erwerbstätigen Studierenden entsprechen.

Mit der Novelle des Universitätsgesetzes (UG) plant die Regierung eine Verschärfung der Studienbedingungen: Laut dieser müssen Studierende künftig eine willkürlich gesetzte ECTS-Punkteanzahl nachweisen, ansonsten erlischt die Zulassung zur Universität.

Massive Belastung für Studierende

Das Wissenschaftsministerium will hier einen Weg der massiven Verschärfungen für Studierende gehen. Diese treffen vor allem Studierende die Betreuungspflichten haben, Studierende mit Behinderungen oder Krankheiten. Zudem trifft es die Mehrzahl der Studierenden, die arbeiten müssen um sich das Studium finanzieren zu können. Studentinnen und Studenten, die länger als die Regelstudienzeit plus zwei Semester studieren sind jetzt schon benachteiligt – sie müssen Studiengebühren bezahlen.

Jetzt soll es gerade für diese Studierende nochmal eine Verschärfung geben: Denn wie lange jemand studiert, hängt damit zusammen, wie seine finanzielle Situation aussieht, wie die Studierendensozialerhebung zeigt. Die Erwerbstätigkeit bei Studierenden ist im Vergleich zur letzten Erhebung von 2015 weiter von 61% auf 65% gestiegen. Das durchschnittliche Erwerbsausmaß ist dabei von 19,9 Stunden auf 20,5 Stunden pro Woche angewachsen. Das Hauptmotiv studentischer Erwerbstätigkeit ist weiterhin die finanzielle Notwendigkeit.

Vor allem Studierende, die bereits vor Studienbeginn erwerbstätig waren und einen verzögerten Hochschulzugang aufweisen, sind aus diesem Grund erwerbstätig (84 %). Auch die Bildungs-herkunft spielt eine wichtige Rolle: Studierende, deren Eltern keine Matura aufweisen, sind häufiger und in einem höheren Ausmaß erwerbstätig (Eltern mit Pflichtschule 71%, ohne Matura 70%, mit Studium 61%).

Der jetzt eingeforderte Punktenachweis zu einem bestimmten Datum belastet Studierende die einer Lohnarbeit nachgehen massiv. Es braucht flexible Studienpläne und Unterstützung für Studierende keine weiteren Hürden.

Zivilgesellschaftliches und politische Engagement wird erschwert

Viele Studierende gehen während ihres Studiums einem zivilgesellschaftlichen oder politischen Engagement nach. Das Engagement in NGOs, Rettung, Feuerwehr, Vereinen oder der ÖH – Österreichischen Hochschüler_innenschaft ist für viele persönlich wie beruflich wichtig und kann durch diese Hürden des Studiums erschwert werden.

Exmatrikulieren – Unis könnten die Zulassung der Studierenden einfacher löschen

Die Novelle soll demnächst in Begutachtung gehen. Studierende sollen einen willkürlichen Punktenachweis von 16 ECTS pro Studienjahr erbringen müssen. Ansonsten erlischt dieZulassung und eine Exmatrikulation liegt vor. Laut den derzeitigen Plänen gilt diese Regelung, bis Studierende insgesamt 100 ECTS-Punkte erreicht haben. Die Studienpläne sind so konzipiert, dass mit 60 absolvierten ECTS pro Studienjahr das jeweilige Studium in Mindeststudienzeit
abgeschlossen wird. Ausnahme: Im ersten Studienjahr reicht auch die Absolvierung der Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP). Stichtag für das Erreichen der nötigen Studienleistungen für das am 1. Oktober beginnende Studienjahr soll jeweils der 30. September des nächsten Jahres sein. Universitäten könnten die Zulassung der Studierenden dann einfach löschen lassen. Dies kann bedeuten, dass Studierende plötzlich Studienbeihilfe oder Familienbeihilfe verlieren.

Mehrere Fächer studieren wird massiv erschwert

Diese Regelung soll nicht pro Studentin oder Student gelten, sondern pro Studium. Wer mehrere Studien belegt, muss also in allen die nötige Mindestleistung erbringen – sonst erlischt die Zulassung. Dies würde bedeuten, dass Studierende, die sich zB. für drei Fächer interessieren, das 3-fache an ECTS-Punkten nachweisen müssen. Das Studium wird somit unflexibel, ganz zu schweigen davon, dass die Interdisziplinärität damit auf der Stecke bleibt.

Verschärfung der STEOP – Studieneingangsphase

Zudem soll es eine weitere Verschärfung bei der sogenannten Cooling-off-Phase in der STEOP geben: Wird die STEOP nicht geschafft, kann dasselbe Studium nicht mehr belegt werden. Bisher konnte nach einem Scheitern in der STEOP zwei Semester gewartet und anschließend das gleiche Studium erneut belegt werden. Universitäten können mit Knock-Out-Prüfungen – also Prüfungen, die kaum jemand schafft – die Anzahl der Studierenden begrenzen. Damit nimmt man vielen Studierenden die Chance, das zu studieren, was sie wollen.

Die Planungen der UG-Novelle laufen offensichtlich ohne die Betroffenen ab. Ansonsten würde das Ministerium wissen, dass die wenig aktiveren Studierenden die Universität nicht belasten. Diese Maßnahmen werden an den Problemen der Universität nichts ändern, im Gegenteil.

Antrag 07 – Verbandsmusterfeststellungsklagegesetz

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 26. November 2020

Antrag einstimmig angenommen

Antragserledigung im BAK-Vorstand

Die 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer fordert die österreichische Bundesregierung auf, dem Nationalrat so rasch wie möglich ein Verbandsmusterfeststellungsklagegesetz zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen.

Die herkömmlichen Möglichkeiten des österreichischen Zivilprozessrechts reichen zur Bewältigung von Massenverfahren nicht aus. Ein Verbandsmusterfeststellungsklagegesetz sollte sich daher an den folgenden Erkenntnissen und Richtlinien orientieren:

Verbandsklagen nach KSchG und UWG (2) sind ein Mittel der präventiven Marktkontrolle, dienen aber nicht der Durchsetzung individueller Ansprüche.

Verbandsmusterklagen, bei denen nach Abtretung eines Anspruchs an Verbände wie den VKI oder die BAK ein erleichterter Zugang zum OGH besteht (3),  leisten iS einer strategic litigation einen wichtigen Beitrag zur Rechtsentwicklung und Rechtssicherheit, sind aber für Massenschäden nicht geeignet: Urteilen kommt selbst bei identer Sach- und Rechtslage keine Bindungswirkung für andere Fälle zu. Die ökonomisch sinnvolle Lösung, Sach- oder Rechtsfragen musterhaft in einem Testprozess klären zu lassen, hängt vielmehr von der Kooperationsbereitschaft des Prozessgegners ab. Gibt er keinen Verjährungsverzicht ab, können nicht eingeklagte Ansprüche zwischenzeitig verjähren. In den Jahren seit 2000 (mit Beginn des Führens von Sammelklagen nach österreichischem Recht) gab es keinen Massenschaden, bei dem der/die Beklagte sich auf einen entsprechenden Verjährungs-verzicht eingelassen hätte.

Die als Behelfslösung vom VKI zusammen mit Rechtsanwalt Dr. Alexander Klauser und dem deutschen Prozessfinanzierer FORIS AG entwickelte „Sammelklage österreichischer Prägung“ basiert darauf, dass sich ein Verband oder eine natürliche Person die Ansprüche der Geschädigten zum Inkasso abtreten lässt und sie dann gebündelt in einer Klage geltend macht. Einwendungen der/des Beklagten gegen die „Zulässigkeit“ der Sammelklage – zur Verzögerung des Verfahrens über die Verjährungsfrist (Schadenersatz: 3 Jahre) für nicht geklagte Ansprüche hinaus -, führen in der Praxis allerdings zu zeit- und kostenaufwändigen Zwischenstreitigkeiten. Bei hohen Streitwerten kann ein Ausjudizieren durch die Instanzen zu einer für die verlierende Partei
potenziell existenzbedrohenden Kostenexplosion führen.

Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten scheidet die Sammelklage von vornherein aus, weil durch die Zession sowohl an einen Verband (4) , als auch an eine natürliche Person (5) der Verbrauchergerichtsstand verloren geht. Aktuell zeigt sich dies gerade im Zusammenhang mit dem Abgas- bzw. Dieselskandal
https://de.wikipedia.org/wiki/Abgasskandal. Eine Sammelklage etwa gegen VW ist mit der „Sammelklage österreichischer Prägung“ in Österreich (!) schlicht nicht möglich. Bei diesem Abgasskandal, von dem mittlerweile nicht nur VW betroffen ist, geht es nicht nur um die Wertminderung durch absichtliche Manipulationen bei den Verbrauchs- und Schadstoffwerten, sondern auch um die dadurch verursachten Verstöße gegen den Gesundheits- und Klimaschutz.

Konsequenz ist, dass Kläger*innen vermehrt ins Ausland ausweichen (6) . Umgekehrt führt das Fehlen geeigneter Instrumente in Österreich zum forum shopping und dazu, dass österreichische Unternehmen zunehmend in Großverfahren im Ausland hineingezogen werden. Damit gehen auch negative Auswirkungen auf den heimischen Justizstandort einher.

Vorteile der Verbandsmusterfeststellungsklage und des Vergleiches in solchen
Verfahren wären hingegen:

Der Zugang zur Justiz wird verbessert. Geschädigte scheuen oft wegen des
Prozesskostenrisikos, der mangelnden Erfahrung im Umgang mit dem Gericht oder wegen zu geringer Schadenshöhe den Gang zu Gericht. Die Folgen: Beklagte Unternehmen versuchen musterhafte Entscheidungen durch Verfahrensverzögerungen möglichst bis zu einer Verjährung von nicht eingeklagten Ansprüchen hinauszuzögern. Das bedeutet eine Belastung für Kläger*innen, Gerichte und letztlich für die beklagte Partei selbst, die Rück-
stellungen bilden muss und sich häufig einer Negativ-Berichterstattung gegenübersieht.

Erhöhte Verfahrensökonomie: Die Entscheidung über viele gebündelte Fälle erfolgt durch eine*n Richter*in, ggf ist nur ein*e Sachverständige*r notwendig, und es ergeht ein Urteil. Dies führt zu einer Ersparnis bei Verfahrenskosten für die Parteien und zu einer Ressourcen-einsparung bei Gericht, da nur ein*e Richter*in und nicht mehrere Richter*innen mit ein- und derselben Causa beschäftigt sind – und damit letztlich auch zu einer Ersparnis für die Steuerzahlenden.

Die Verbandsmusterfeststellungsklage kann nur von Verbänden gemäß § 29 Abs. 1 KSchG, von ausländischen Verbänden und von ad hoc gegründeten gemeinnützigen Stiftungen geführt werden. Das stellt die Seriosität dieses Instrumentes sicher und führt dazu, dass die sich auf dem europäischen Markt ausbreitenden „amerikanischen Verhältnisse“ in Grenzen gehalten werden.

Die Hemmung der Verjährung für alle Betroffenen und die Möglichkeit im Verfahren einen „opt out“-Vergleich abzuschließen, fördern den Anreiz für eine*n Beklagte*n, rasch (und nicht erst nach drei Jahren Prozessverzögerung) Vergleichsverhandlungen zu führen.

Das Prozesskostenrisiko trägt der Verband oder die Stiftung und wird idR über Prozessfinanzierer abgedeckt. Diesen gegenüber haben Verbände oder Stiftungen mehr Verhandlungsmacht als das bei Einzelkläger*innen der Fall wäre.

Auch kleinere Schäden (Bagatell- und Streuschäden) können ökonomisch sinnvoll eingeklagt werden, etwa rechtswidrig verrechnete Mahnspesen.

Marktbereinigung: Vorteil für gesetzeskonforme Unternehmen, da sich rechtswidriges Verhalten weniger lohnt; wettbewerbswidrigen Geschäftspraktiken wird präventiv gegengesteuert.

Reform des kollektiven Rechtsschutzes

Um zu verhindern, dass Geschädigte leer ausgehen und sich rechtswidriges Verhalten lohnt, weil Unrechtsgewinne behalten werden können, bedarf es einer Reform, die eine zügige und kostenökonomische Abwicklung von Massenschadensfällen ermöglicht.

Diese liegt nicht zuletzt auch im Interesse der österreichischen UnternehmerInnen. Sie sollen als Mitbewerber vor den „schwarzen Schafen“ und deren wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen effektiv geschützt werden. Auf der anderen Seite soll bei Massenschäden auch für den Schädiger eine endgültige Bereinigung mit kalkulierbarem Kosten- und Zeitaufwand möglich sein.

(2) Gegen unzulässige Klauseln oder Geschäftspraktiken, §§ 28, 28a KSchG, § 14 UWG.
(3) § 502 Abs 5 Z 3 ZPO.
(4) EuGH vom 19.1.1993, C-89/91, Shearson Lehman Hutton.
(5) EuGH vom 25.1.2018, C-498/16, Schrems gegen facebook
(6) Der VKI unterstützte Klagen von geschädigten Frauen iS Brustimplantate in Frankreich, von Geschädigten „ge-
schlossener Fonds“ in Deutschland und iS VW in den Niederlanden.

Grundlage für Beratung und Diskussion (abgesehen von den Fristen und Teilen der Begründung) sollten die Initiativanträge sein, die in den letzten Jahren von den Abgeordneten Steinhauser, Aslan, Willi & Brunner 2015
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_01365/fnameorig_472796.html bzw. Jarolim & Lueger 2017
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_02296/index.shtml bzw. Kolba und Noll in der letzten Gesetzgebungsperiode
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00082/index.shtml in den Nationalrat eingebracht haben.

Antrag 06 – Bessere Absicherung und Eingrenzung von „fallweiser Beschäftigung“

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 26. November 2020

Antrag einstimmig angenommen

Antragserledigung im BAK-Vorstand

Die 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer fordert den Gesetzgeber auf, die „tageweise Beschäftigung“ derar zu definieren, dass die Umgehung von durchgängigen Dienstverhältnissen unterbunden wird bzw. die volle soziale Absicherung nach sich zieht und die Beschäftigung als Erwerbstätigkeit anerkannt wird. Mehrere fallweise Beschäftigungen beim selben Arbeitgeber sollen nicht als mehrere, sondern als ein einziges Dienstverhältnis gewertet werden.

Fallweise Beschäftigte sind Personen, die in unregelmäßiger Folge tageweise bei dem/der selben Dienstgeber*in beschäftigt werden. Die jeweilige Beschäftigung muss für eine kürzere Zeit als eine Woche vereinbart sein. Das heißt, wenn wiederkehrend bei dem/der selben Dienstgeber*in einzelne Tage gearbeitet werden, diese aber am Stück nicht länger als eine Woche dauern und
keine Regelmäßigkeit der Tage gegeben ist, können Arbeit-nehmer*innen als „fallweise Beschäftigte“ bei der Sozialversicherung angemeldet werden.

Somit müssen diese Beschäftigten nicht durchgängig versichert werden, sondern unterliegen immer nur der Versicherungspflicht für die einzelnen Tage. Die derartig Versicherten arbeiten teilweise an mehreren Tagen pro Woche, zumindest jedoch an mehreren Tagen im Monat. Der Unterschied zur normalen Teilzeitbeschäftigung wird damit begründet, dass der Bedarf an der Arbeitskraft nicht absehbar ist und somit keine Regelmäßigkeit vorliegen kann.

Geschaffen wurde diese Variante, um DienstgeberInnen die Möglichkeit zu geben, absolute Spitzen abzudecken. Tatsächlich wird sie oft eingesetzt, um neben der Stammbelegschaft auf billiges Personal zurück greifen zu können. Wöchentlich immer wieder kehrende Spitzen widersprechen aber dem eigentlichen Zweck der „fallweisen Beschäftigung“: Dieser liegt genau darin, dass der Arbeitsanfall nicht vorhersehbar ist. Nur so ist die eindeutige Schlechterstellung im Vergleich zu vollversicherten Beschäftigten zu rechtfertigen.

In der Realität sichern sich jedoch viele DienstgeberInnen damit billige Arbeitskräfte, um einen wiederkehrenden Mehrbedarf an Arbeitskräften abzudecken: sei es bei der Müllabfuhr, bei Straßenkehrarbeiten oder bei den Nachtschichten in Druckereien usw. Dabei ist es unerheblich, wie lange die einzelnen fallweisen Beschäftigungen aneinandergereiht werden. In der Praxis
zeigen sich Beispiele von jahrelanger fallweiser Beschäftigung zu einem/einer DienstgeberIn mit zehn bis 30 Arbeitstagen pro Monat.

Auch Gemeinden greifen oftmals auf das Instrument der fallweisen Beschäftigung zurück. Für die auf diese Weise Beschäftigten bedeutet dies jedoch, trotz eines regelmäßigen Einkommens und regelmäßiger Tätigkeit nie zu sozialer Absicherung zu kommen.

Die so beschäftigten Menschen arbeiten unter extrem prekären Verhältnissen. Nicht nur, dass sie auch nach vielen Jahren der Tätigkeit bei einem Dienstgeber jedes Mal wieder keinen Anspruch darauf haben, am nächsten Tag beschäftigt zu werden, kommen für sie keine Kündigungsfristen zur Anwendung, kein Urlaubsanspruch, Krankengeld, in weiterer Folge entsteht kein Anspruch auf
Arbeitslosengeld, ggf. Mindestsicherung und vieles mehr.

Darüber hinaus gibt es auch noch andere negative Konsequenzen: Beispielsweise dürfen drittstaatsangehörige Studierende 20 Wochenstunden neben dem Studium arbeiten. Es kommt immer wieder vor, dass der/die Arbeitgeber*in seiner/ihrer Pflicht nicht nachkommt, dafür eine Beschäftigungsbewilligung einzuholen. Damit liegt in der Folge ein Verstoß gegen das AuslBG durch den/die Beschäftigten vor. Gesetzlich ist es möglich, bei einmaligem Verstoß eine neue Beschäftigungsbewilligung zu erhalten – wohl aus der Überlegung heraus, dass Beschäftigte in diese Falle tappen können.

Bei einer fallweisen Beschäftigung jedoch liegen die wiederkehrenden Verstöße gegen das AuslBG schon nach zwei bis drei Tagen vor, da jede Beschäftigung für sich gewertet wird. Ab dem zweiten Verstoß wird so lange keine Beschäftigungsbewilligung für den/die Beschäftigte*n erteilt, bis in einem zwölf-Monats-Zeitraum maximal eine unerlaubte Beschäftigung vorliegt.

Bei fallweiser Beschäftigung bedeutet das: Zwei fallweise Beschäftigungen von zwei bis drei Tagen können zu einer zwölf-monatigen Sperre führen. Damit ist die „halbkorrekte“ Vorgehensweise, in der zumindest die sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben eingehalten werden, stärker sanktioniert als eine vollkommen unangemeldete Tätigkeit.

Wollen fallweise beschäftigte EU BürgerInnen, die bei mehr als dreimonatigem Aufenthalt notwendige Anmeldebescheinigung beantragen, können sie dies nicht unter der Kategorie Erwerbstätigkeit, sondern nur unter den Kategorien Familienangehörigkeit oder sonstiger Aufenthalt. Nicht nur, dass sie damit viel umfangreichere Nachweise über Unterhalt und Krankenversicherung erbringen müssen, erhalten sie nie die Berechtigung zum Dauer-aufenthalt, weil die Zeiten der tageweisen Beschäftigung für den Erwerb der notwendigen fünf Jahre
Erwerbstätigkeit nicht zusammengerechnet werden.

Das heißt, Arbeitnehmer*innen, die sowieso einem größtmöglichem Maß an Flexibilität ausgesetzt sind, indem sie immer nur kurzfristig erfahren, wann und wie sie arbeiten können, werden darüber hinaus auch noch bestraft.

In einer Arbeitswelt, in der Tätigkeiten immer flexibler werden, es die Möglichkeit von Leiharbeit gibt, Teilzeitbeschäftigung gängig ist, gibt es keine Rechtfertigung für eine Regelung mit derart weitreichenden Folgen für die Beschäftigten. Da die Rechtsdurchsetzung für die Betroffenen oft nur schwer bzw. gar nicht möglich ist, muss von gesetzgeberischer Seite dafür Sorge getragen werden, dass nicht rechtskonforme Anwendungen unterbunden bzw. die Konsequenzen abgefedert werden.

Antrag 05 – Community Nursing

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 26. November 2020

Antrag mehrheitlich zugewiesen

Antragserledigung im BAK-Vorstand

Die 169. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer setzt sich dafür ein, dass die Arbeiterkammern die Pflegereform durch ein Monitoring begleitet und unterstützen wird, mit dem Ziel besserer Arbeitsbedingungen für die beteiligten Berufsgruppen. Darüber hinaus setzt sich die Bundesarbeitskammer dafür ein, dass Community Nursing nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch in Wien umgesetzt wird.

Laut Definition der WHO handelt es sich bei Community (Health) Nursing um eine Form von Unterstützung für Menschen mit Pflegebedarf, welche die „Kompetenzen der Pflege, des öffentlichen Gesundheitswesens und der (…) Sozialen Arbeit verbindet, und Gesundheits-förderung, verbesserte – auch soziale – Umwelt-Bedingungen und Rehabilitation bei Krankheit und Behinderung anbietet. (vgl. World Health Organization (2017). Enhancing the role of community health nursing for universal health coverage. (1 )

Das österreichische Gesundheitsministerium hat einen österreichweiten, breit angelegten Konsultationsprozess eingeleitet, um im Rahmen einer umfassenden Pflegereform die Einführung von Community Nursing in Österreich vorzubereiten. Im Zuge dieser Reform sollen auch problematische Aspekte aktueller Pflegesituationen, wie Überlastung von Angehörigen, unklare Arbeitsverhältnisse in der 24 Stundenpflege, unzureichende personelle Besetzung vieler Pflegeinrichtungen, Zersplitterung und fließbandartige
Durchführung mobiler Pflege-leistungen etc. behoben werden.

Das Vorhaben, Pflege künftig unter Einbeziehung der Gemeinschaft, also im Rahmen von ‚Communities‘ neu zu organisieren, gibt Anlass zur Hoffnung auf verbesserte Arbeitsbedingungen für die beteiligten Pflege-, Sozial- und Gesundheitsberufe und wird daher aus ArbeitnehmerInnensicht begrüßt.
Insbesondere sollte diese neue Form, Menschen mit Pflegebedarf und deren Angehörige professionell zu unterstützen, dazu führen, dass Pflegepersonen und SozialarbeiterInnen

  • mehr Mitsprachemöglichkeiten wahrnehmen,
  • eigenständige fachliche Entscheidungen treffen,
  • in Teams mit flachen Hierarchien arbeiten,
  • Zeitdruck abbauen,
  • die Arbeit auf Basis professioneller Beziehungen durchführen,
  • in der Gemeinde Ansehen und Wertschätzung genießen,
  • und ihre beruflichen und persönlichen Kompetenzen optimal einbringen können.

In Verbindung mit einer deutlich angehobenen Bezahlung und fair geregelten Arbeitszeiten sollten diese Merkmale dazu beitragen, dass Personen in Pflege- und Sozialberufen bleiben, und die Arbeitszufriedenheit der genannten Berufsgruppen deutlich steigt. Angesichts der aktuell äußerst schwierigen Situation der Hauskrankenpflege in Wien, wäre es zu wünschen, dass die oben skizzierte Pflegereform nicht nur in den Bundesländern, sondern auch in Wien auf Bezirks-, Stadteil- oder ‚Grätzel‘-Ebene umgesetzt wird.

(1) https://apps.who.int/iris/handle/10665/255047, aufgerufen am 1.9.2020, eigene Übersetzung