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Antrag 11 – Erweiterung und gendergerechte Gestaltung der Liste der Berufskrankheiten

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 2. Dezember 2021

Wurde zusammen mit Antrag 11 der AUGE/UG und Antrag 10 der FSG zum gemeinsamen Antrag 01 – einstimmig angenommen

Die 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer fordert die Bundesregierung auf, die auch im Regierungsprogramm vereinbarte “Modernisierung der Berufskrankheitenliste“ sofort in Angriff zu nehmen und:

  • die Liste der Berufskrankheiten zu aktualisieren und erweitern und etwa den Hautkrebs durch solarbedingte UV-Exposition, Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates und das Karpaltunnelsyndrom sofort als BK anzuerkennen,
  • die Liste der Berufskrankheiten nach gendergerechten Aspekten zu gestalten,
  • den im § 177 ASVG verankerten Unterlassungszwang bei Hautkrankheiten zu streichen,
  • die Einschränkungen von Geltungs- oder Tätigkeitsbereichen in der Liste der Berufskrankheiten zu streichen und
  • die Prävention im Bereich berufsbedingter Erkrankungen und Berufskrankheiten deutlich auszubauen.

Die Liste der Berufskrankheiten (BK) in Österreich umfasst derzeit 53 Positionen, während etwa Deutschlands Liste 83 Positionen aufweist. Die nach anderen Kriterien gestaltete Europäische Liste der Berufskrankheiten ist noch umfangreicher, obwohl sie 2003 zum letzten Mal aktualisiert wurde. Schon allein dieser Vergleich belegt, dass im österreichischen Berufskrankheitenrecht, das im Anhang zu § 177 des ASVG geregelt ist, dringender Handlungs- bzw. Anpassungsbedarf gegeben ist. So ist etwa der berufsbedingte Hautkrebs durch solarbedingte UV-Exposition seit seiner Aufnahme in die deutsche BK-Liste im Jahr 2015 mittlerweile zu einer der am häufigsten gemeldeten Berufskrankheiten geworden.

Eine weitere Notwendigkeit zur deutlichen Anpassung und Erweiterung der Liste der Berufskrankheiten bzw. des § 177 ASVG ergibt sich aus dem Umstand, dass die Statistik der anerkannten Berufskrankheiten mittlerweile nur mehr rund 10 Prozent Frauen ausweist, während der Anteil der Männer bei annähernd 90 Prozent liegt. Diese Unterschiede sind nicht bloß in einem höheren Gefährdungsrisiko von männerdominierten Berufen und Berufszweigen begründet, sondern auch in der wissenschaftlich nachgewiesenen Vernachlässigung von frauenspezifischen Faktoren. So sind Grenzwerte, Gefährdungsrisken und Krankheitsbilder nach wie vor am männlichen Erwachsenen orientiert.

Bei der Anerkennung von Hautkrankheiten etwa, bei denen der Anteil von Frauen (als einzige BK!) sehr hoch ist, verlangt das ASVG in seinem § 177 (19 zweiter Satz, dass sie nur dann als Berufskrankheiten anerkannt werden, „wenn und solange sie zur Aufgabe schädigender Tätigkeiten zwingen“. Diese Bestimmung führt in vielen Fällen dazu, dass Erkrankungen nicht gemeldet werden. In Deutschland wurde diese als „Unterlassungszwang“ oder „Aufgabezwang“ benannte Einschränkung mit Beginn des Jahres 2021 aufgehoben.

Auch Einschränkungen auf bestimmte Tätigkeitsbereiche (etwa bei den Infektions-krankheiten) benachteiligen Frauen bzw. von Frauen dominierte Berufe im besonderen Maße.

Durch den Arbeitsplatz bedingte psychische Erkrankungen werden selbst dann nicht als Berufskrankheiten anerkannt, wenn sie von organischen Störungen oder Erkrankungen begleitet werden (wie etwa häufig beim Burn-Out-Syndrom).

Antrag 10 – Steuerreform verbessern!

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 2. Dezember 2021

Antrag mehrheitlich zugewiesen
FSG, ÖAAB: Zuweisumg
FA: ?

Antragsbehandlung im Vorstand

Die 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer fordert den Gesetzgeber auf, die aktuelle Steuerreform dahingehend zu optimieren bzw. zu verbessern, dass

  • der CO2-Preis höher ist und bis 2025 auf mind. auf 150 Euro pro Tonne CO2 steigt.
  • der Familienbonus überarbeitet wird, sozial treffsicherer gestaltet wird und nicht hauptsächlich Männern und Besserverdienenden zu Gute kommt.
  • Steuerprivilegien, welche die Nutzung von fossilen Energieträgern subventionieren, abgeschafft werden, die Umverteilung der neuen Steuern vorwiegend nach sozialen Kriterien erfolgt, Energiearmut verhindert und nicht in erster Linie Besserverdienende und Unternehmen zu Gute kommt.

Eine ökosoziale Steuerreform wurde von der aktuellen Bundesregierung als wichtiger Meilenstein und großer Wurf angekündigt. Von diesem Prestigeprojekt ist aber wenig übriggeblieben, wie wir auch in unserer Presseaussendung kritisiert haben. Die vorgelegte Reform bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
Im nun adaptierten Steuersystem wird zwar ein Hebel für eine ökologische Transformation geschaffen, für einen ernsthaften Kurswechsel bleibt dieser allerdings viel zu schwach. Mit einem CO2-Preis von € 30,- pro Tonne und im Endausbau € 55,- ist kein Lenkungseffekt zu erwarten. Dieser zögerliche Einstieg wird sich rächen. Die akute Bedrohung durch den Klimawandel würde einen weitaus ambitionierteren Ansatz notwendig machen. Wenn durch eine Steuerreform ein Lenkungseffekt erzielt werden soll, dann braucht es laut einhelliger Meinung der Wissenschafter*innen einen Preis von mindestens € 100,- pro Tonne CO2.
Es ist auch inakzeptabel, dass mit Regelungen wie dem Dieselprivileg und der Pendlerpauschale weiterhin klimaschädliches Verhalten in Milliardenhöhe gefördert wird. Es braucht endlich eine Abkehr von fossilen Brennstoffen und deren Subventionierung, damit wir die Pariser Klimaziele erreichen und unseren Planeten lebenswert erhalten.

Klimabonus wenig treffsicher
Der Klimabonus ist nur wenig treffsicher gestaltet. Nicht nur die regionale Unter-scheidung in der Höhe, sondern auch die Nichtberücksichtigung von individuellen Belastungen bzw. sozialen Kriterien sind unverständlich. So bleibt die Gefahr von Energiearmut, etwa im Zusammenhang mit nicht finanzierbaren Heizkosten im Winter, unberücksichtigt.

Familienbonus: Besserverdienende bevorzugt
Die Erhöhung des Familienbonus und die Senkung der mittleren Tarifstufen bei der Einkommenssteuer nutzen vor allem Besserverdienenden. Etwa 40 % der Menschen in Österreich zahlen Mehrwert-, aber keine Einkommensteuer. Ihre Einkommen sind aufgrund von geringen Löhnen oder Teilzeitbeschäftigung so gering, dass sie keine Einkommensteuer zahlen. Das schlägt sich beim Familienbonus nieder, den nur jene voll beziehen, die entsprechend Einkommensteuer bezahlen. Die Erhöhung für Alleinerziehende auf € 400,- ist zwar wichtig, kann aber aufgrund von wenigen Anspruchsberechtigten nicht als allgemeine Entlastung für Geringverdienende herhalten.

Massive Geschenke für die Wirtschaft
Die großen Gewinner der Steuerreform sind die Unternehmen, die Steuersenkungen von € 1 bis 1,5 Mrd. ohne Gegenleistung erhalten. Dabei sind unsere Steuern Bau-steine für ein gutes Zusammenleben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gerade die Corona-Krise brachte für viele zusätzliche finanzielle Lasten. Es wäre nur gerecht, wenn jene, die am meisten haben, auch mehr zur Steuerreform beitragen. Die stufenweise Senkung der Körperschaftsteuer kostet die Allgemeinheit rund € 800 Millionen, davon profitieren hauptsächlich große Konzerne. Dabei sind die Ein-nahmen dringend notwendig für Investitionen in Pflege und Gesundheit, Green Jobs, Ausbau der Kindergärten, Existenzsicherung für Arbeitslose, Bildung und öffentlichen Verkehr.

Antrag 09 – Zuverdienstmöglichkeit für Arbeitslose erhalten!

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 2. Dezember 2021

Antrag mehrheitlich abgelehnt
ÖAAB: Zuweisumg
FSG, FA: nein

Die 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

Die Bundesarbeitskammer fordert den Gesetzgeber auf, Arbeitslosengeld- bzw. Notstandshilfebezieher*innen weiterhin zu ermöglichen, bis zur Geringfügig-keitsgrenze einer Beschäftigung nachzugehen. Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose sollen weder abgeschafft noch eingeschränkt werden.

Das Arbeitslosengeld beträgt in Österreich grundsätzlich 55 Prozent der Netto-ersatzrate. Bei dieser niedrigen Nettoersatzrate ist eine geringfügige Beschäftigung für viele Menschen in der Arbeitslosigkeit oft die einzige Möglichkeit, nicht in Armut zu geraten. Solange Arbeitslosengeld und Notstandshilfe nicht angehoben werden, wäre eine Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeit bei Arbeitslosigkeit eine Armuts-falle. Sie löst keine Probleme, sondern schafft zusätzliche soziale Härten. Ohne die Möglichkeit geringfügiger Beschäftigung ginge vielen Betroffenen ihr letztes Stand-bein im Arbeitsmarkt auch noch verloren, zudem kommen so viele Menschen wieder in Beschäftigung.

Antrag 08 – Unterstützung für Volksbegehren: Arbeitslosengeld rauf!

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 2. Dezember 2021

Antrag mehrheitlich abgelehnt
FSG, ÖAAB, FA: nein

Die 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

  • Die Bundesarbeitskammer unterstützt das Volksbegehren „Arbeitslosengeld Rauf!“ und fordert zum Unterschreiben auf.
  • Die Bundesarbeitskammer und unterstützt das Volkbegehren mit einer eignen Kampagne.

Wir haben bekanntlich die Forderung Arbeitslosengeld rauf auf 80 % der Nettoersatzrate, finden aber das Volksbegehren sehr unterstützenswert.

Die Forderungen:
​ 1. Armut und Existenzangst bekämpfen!
​ 2. Schutz vor Lohndumping und Niedriglöhnen!
​ 3. Soziale Lage von Frauen verbessern!
​ 4. Wirtschaftliche Nachfrage stärken!
​ 5. Dauerhaft statt degressiv!
​ 6. Zumutbarkeits-bestimmungen entschärfen, Rechtsstellung von Arbeitslosen verbessern!
​ 7. Versicherungsleistung stärken – Altersarmut vorbeugen!
​ 8. Jede*r wird gebraucht – niemand ist überflüssig!

Armut und Existenzangst bekämpfen
Österreich hat mit einer Nettoersatzrate von 55% ein sehr niedriges Arbeitslosengeld; der OECD-Mittelwert liegt bei rund 70%. Arbeitslosigkeit führt daher rasch in die Armut. Insbesondere Frauen sind aufgrund der hohen Teilzeitrate und oftmals geringerer Löhne davon betroffen. Laut einer AK-Umfrage können acht von zehn Arbeitslosen von der Arbeitslosenunterstützung nicht leben. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld bzw. die durchschnittliche Notstandshilfe liegen deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle von € 1.286,- pro Monat (2018): Im Durchschnitt hatten Männer damals im Falle von Arbeitslosigkeit € 1.040,- zur Verfügung; Frauen € 870,- Euro. Insbesondere Langzeitarbeitslose sind von Existenznot betroffen. Und die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist dramatisch gestiegen: Sie ist im letzten Jahrzehnt in Österreich um mehr als das Elf-Fache in die Höhe geschnellt. Frauen, Jugendliche und ältere Personen sind besonders gefährdet. Aber auch unter Personen im Haupterwerbsalter (zwischen 25 und 45 Jahren) stieg die Langzeitarbeitslosigkeit vehement an.

Schutz vor Lohndumping und Niedriglöhnen!
Ein höheres Arbeitslosengeld, ein besserer Schutz des sozialen Status von Arbeits-losen und eine Entschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen verbessern die Verhandlungssituation der Arbeitslosen bei der Arbeitssuche, indem sie die Menschen davor bewahrt, zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes unfaire Arbeits- und Lohnbedingungen akzeptieren zu müssen. Ein höheres Arbeitslosengeld beeinflusst damit positiv die Lohnbildung, weil es den mittleren Lebensstandard mitdefiniert, der in kollektiven Lohnverhandlungen mindestens erreicht werden muss. Der legitime Anspruch auf ein gut bezahltes und gut reguliertes Arbeitsverhältnis würde in der Arbeitslosenversicherung stärker verankert. Umgekehrt gilt: Je höher die Arbeitslosigkeit, je niedriger die Arbeitslosenunterstützung und je schlechter die Rechtsstellung von Arbeitslosen, desto stärker wird der Druck auf die Löhne und Gehälter, desto leichter können Kollektivverträge ausgehöhlt werden. Ein weiteres Anwachsen des Niedriglohnsektors wie in Deutschland muss verhindert werden.

Soziale Lage von Frauen verbessern
Die Löhne und Gehälter von Frauen liegen immer noch deutlich unter denen von Männern. Zum einen, da diese aufgrund von Pflege- und Betreuungsarbeit vielfach Teilzeit erwerbstätig sind. Zum anderen, da Branchen, in denen mehr Frauen arbeiten oftmals einen geringen Mindestlohn aufweisen. Entsprechend niedrig ist auch das Arbeitslosengeld von Frauen und später die Pensionen. Frauen sind daher besonders armutsgefährdet. Die Anhebung des Arbeitslosengeldes und damit der Kampf gegen Niedriglöhne sind ein wichtiger Beitrag, um die prekäre soziale Lage vieler Frauen zu verbessern. Weitere Maßnahmen sind darüber hinaus notwendig, z. B.: qualitativ hochwertige Kinderbetreuung auch im Falle von Arbeitslosigkeit, mit Kinderbetreuungspflichten vereinbare Anfahrtszeiten, stärkerer Einbezug von Betreuungsarbeit und Pflege in die Sozialversicherung.

Wirtschaftliche Nachfrage stärken!
Ein höheres Arbeitslosengeld vermeidet nicht nur Armut, sondern bedeutet auch mehr Konsummöglichkeiten. Dies verbessert die Auftragslage von Unternehmen, schafft weitere Jobs und trägt somit positiv zur Krisenbewältigung bei. Im Jahr 2020 waren über eine Million Menschen in Österreich von Arbeitslosigkeit betroffen. Im Jahresdurchschnitt lag die Arbeitslosigkeit bei über 466.000 Menschen. Laut wissenschaftlichen Studien könnte eine Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70% zusätzlich 6.000 bis 10.000 Arbeitsplätze schaffen. Durch niedriges Arbeitslosengeld und Lohndumping werden zwar einige Reiche reicher, aber sicher nicht die Wirtschaft krisenfester.

Dauerhaft statt degressiv
Wir sind für eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes, ein degressives Modell, das das Arbeitslosengeld mit der Länge der Arbeitslosigkeit immer weiter absenkt, lehnen wir ab. Denn damit würden jene unter die Räder kommen, die schwerer am Arbeitsmarkt Fuß fassen können: Ältere Arbeitslose, Frauen (mit und ohne Betreuungspflichten), Menschen mit geringerer Ausbildung, Menschen mit Beeinträchtigungen und Krankheiten.
Damit trägt ein degressives Arbeitslosengeld dazu bei, dass soziale Ungleichheiten und Ausgrenzung verschärft werden. Das Verarmungsrisiko steigt mit jedem Monat Arbeitslosigkeit an. Die Armutsgefährdung ist nach einem Jahr Arbeitslosigkeit bereits mehr als doppelt so hoch wie im ersten halben Jahr. Es kann nicht sein, dass die Versicherungsleistung immer weniger wird, je mehr die Existenznot der Menschen zunimmt.

Zumutbarkeitsbestimmungen entschärfen, Rechtsstellung von Arbeitslosen verbessern!
Arbeitslose müssen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und bestimmte rechtliche Vorgaben (z.B. Arbeitswilligkeit, Einhaltung von Kontrollmeldetermine) erfüllen, um das Arbeitslosengeld beziehen zu können. In den letzten Jahrzehnten sind die rechtlichen Vorgaben verschärft worden, insbesondere wurde die Ablehnung von Schulungsmaßnahmen mit jenen von echten Jobangeboten gleichgestellt, eine Zunahme an Bezugssperren des Arbeitslosengeldes war die Konsequenz.
Das AMS verständigt die bezugsberechtigte Person von der Einstellung, stellt aber einen Bescheid nur über Verlangen aus. Insbesondere bei einem Entzug wegen der angeblichen Arbeitsunwilligkeit wäre es wünschenswert, wenn das AMS sofort einen begründeten Bescheid ausstellen würde. Ein mehrwöchiger Entzug des Arbeitslosen-geldes bzw. der Notstandshilfe bringt die Betroffenen in existenzielle Schwierigkeiten und höhlt den Versicherungsschutz der Arbeitnehmer*innen zunehmend aus. Schulungen und die Beschäftigung in sozialökonomischen Betrieben sollten nicht auf Zwang beruhen. Die Zumutbarkeitsbestimmungen regeln über den Entgeltschutz auch, welchen Lohn und welche Arbeiten Arbeitslose bei Zuweisung akzeptieren müssen. Eine Entschärfung der Zumutbarkeitskriterien verhindert mithin Lohndrückerei.

Versicherungsleistung stärken – Altersarmut vorbeugen!
Verschiedentlich wird eingewendet: Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes würde nur die Länderbudgets entlasten. Viele Arbeitslose bekommen ein derartig geringes Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe, dass sie gezwungen sind, um Aufstockung durch die Mindestsicherung – in NÖ und OÖ bereits Sozialhilfe – anzusuchen. Das übersieht aber, dass sich das Arbeitslosengeld/die Notstandshilfe in vielem von der Sozialhilfe unterscheidet. Das eine ist eine Versicherungsleistung, auf die ein Rechts-anspruch erworben wurde.
Der Bezug von Mindestsicherung/Sozialhilfe unterliegt sehr viel restriktiveren Bestimmungen (z. B. Einberechnung des Haushaltseinkommens, Ausschluss selbst bei geringem Vermögen). Im Unterschied zur Mindestsicherung/Sozialhilfe werden beim Bezug von Arbeitslosengeld/Notstandshilfe Pensionsversicherungszeiten und Gutschriften auf dem Pensionskonto erworben, die von der Höhe von Arbeitslosen-geld bzw. Notstandshilfe abhängen. Eine höhere Arbeitslosenunterstützung beugt damit auch der Altersarmut vor. Daher besonders wichtig: Die Möglichkeit der Beantragung/Verlängerung einer Notstandshilfe muss erhalten bleiben.

Jede*r wird gebraucht – niemand ist überflüssig!
Oft hören wir: Wenn das Arbeitslosengeld erhöht wird, werden die Leute gar nicht mehr arbeiten wollen. Studien zeigen hingegen, dass vor allem Beschränkungen im Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen und weitere Hürden (z.B. aufgrund von Krankheit und Alter), dazu führen, dass Arbeits-suchende dem Arbeitsmarkt nicht sofort zur Verfügung stehen. Das gewichtigste Argument ist jedoch das Missverhältnis von Arbeitslosen und offenen Stellen: Im Jahr 2020 kamen auf eine offene Stelle mehr als sieben Arbeitslose. Im Jänner 2021 stellten sich sogar neun Arbeitslose um eine offene Stelle an. Das heißt, acht von neun können nicht arbeiten, so sehr sie auch wollen.
Es liegt nicht an den Arbeitslosen, dass sie arbeitslos sind, sondern an den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, dass viele gesellschaftlich notwendige Arbeiten unerledigt bleiben, während gleichzeitig viele Menschen aus dem Arbeitsprozess rausgedrängt werden und durch Privatisierung und Budget-kürzungen Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor vernichtet wurden. Es gibt kein dauerhaftes Modell der Wohlfahrtssteigerung, in dem nicht alle Menschen an dieser Steigerung beteiligt werden. Niemand darf zurückgelassen werden! Jede/r wird gebraucht, niemand ist überflüssig! Die Forderungen dieses Volksbegehrens fördern und erfordern daher eine umfassende Politik, die niemanden zurücklässt, zum Beispiel:

  • Beteiligung der Arbeitenden an den Produktivitätsgewinnen durch entsprechende Lohnerhöhungen in den Kollektivverträgen, insbesondere starke Anhebung der Mindestlöhne, um Niedriglohnsektoren zu verhindern
  • Einführung einer armutsfesten Mindestsicherung
  • Reform der Arbeitslosenversicherung, z.B. stärkere Einbeziehung von Pflegearbeit in die Sozialversicherung; Verbesserung der Erwerbslosen-versicherungsmöglichkeit für prekär Beschäftigte und Selbstständige, insbesondere EPUs und Personen die mit Dienstleistungsschecks ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, um Notsituationen überbrücken und ein stabileres Einkommen sichern zu können;
  • Vollbeschäftigungspolitik z. B. durch eine ökosoziale Investitionsoffensive, Arbeitszeitverkürzung, Ausweitung der aktiven Arbeitsmarktpolitik.

Wir finden Bundesarbeitskammer muss mutige Wege gehen und soll das Volksbegehren Arbeitslosengeld Rauf! offensiv unterstützen.

Antrag 07 – Femizide stoppen!

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer am 2. Dezember 2021

Antrag mehrheitlich abgelehnt
ÖAAB: Zuweisung
FSG, FA: nein

Die 171. Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer möge beschließen:

  • Die Bundesarbeitskammer fordert die Stadtregierung in Wien auf das Projekt SToP – Stadtteile gegen Partnergewalt finanziell zu unterstützen und in allen Stadtteilen umzusetzen.
  • Die Bundesarbeitskammer strebt eine Kooperation mit STOP an und bietet zudem Schulungsangebot für BetriebsrätInnen zu sexueller Belästigung und Gewalt gegen Frauen an.

Seit Anfang des Jahres sind in Österreich 22 Frauen durch männliche Gewalt gestorben. Im europäischen Vergleich stehen wir an der traurigen Spitze, was Gewalt an Frauen angeht.
Am 21.10.2021, verzeichnete Österreich den 22. Frauenmord im Land. Bereits im Mai wurde von der Regierung ein Maßnahmenpaket für mehr Gewaltprävention und gegen Gewalt an Frauen geschnürt. Fast 25 Millionen Euro wurden dafür in Aussicht gestellt. Damals ging es gerade um den 9. Frauenmord, inzwischen sind wir bei der traurigen Nummer 22. Und das Jahr ist noch nicht vorbei. Dass das Maßnahmen-paket greift, ist noch nicht zu erkennen.
Sieht man sich die Zahlen der letzten Jahre an, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass noch weitere dazu kommen könnten. Im Jahr 2020 waren es 31, im Jahr 2018 als trauriger Rekord sogar 41. Damit ist Österreich an der Spitze der Länder im EU-Vergleich: Bei uns werden mehr Frauen als Männer ermordet. Täter sind dabei häufig Familienmitglieder, Partner, Ehemänner oder Ex-Partner.

Projekt StoP in Wien
Das Projekt StoP hat sich zum Ziel gesetzt, Gewaltbetroffene und soziale Netzwerke in Stadtteilen so zu stärken, dass Partnergewalt nicht mehr erduldet, verschwiegen, ignoriert oder toleriert wird.

Partnergewalt ist kein neues, aber immer noch ein sehr unsichtbares Thema. Jede 4. Frau in Deutschland erlebt laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2004 in einer Partnerschaft Gewalt. Jeder dritten Frau begegnet psychische Gewalt, wie zum Beispiel die extreme Kontrolle des Freizeitverhaltens durch den Partner. Fast jede siebte Frau wird Opfer sexueller Gewalt. Aber: Scham oder fehlende Informationen hindern Betroffene darüber zu sprechen, sich Hilfe zu holen oder die Polizei anzurufen. Wenn hier die aufmerksame und informierte Nachbarschaft Hilfe anbietet, wenn das Thema Partnergewalt öffentlich angesprochen wird, dann kann Gesundheit und Leben gerettet werden. Darum braucht es auch StoP in ganz Wien und nicht nur in wenigen Stadtteilen.