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Resolution 01 / Ethik in der Arbeitswelt

der AUGE/UG -Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich zugewiesen:
FA, GA, Persp, FAIR, Kom.: ja
FSG, ÖAAB, ARGE, GLB, Türk-is: für Zuweisung

Antragsbehandlung im Ausschuss Arbeit und Arbeitsmarkt

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

  • Die Arbeiterkammer Wien bekennt sich zu einer Ethik der Arbeitswelt.
    Sie umfasst das Recht auf menschenwürdiges Arbeiten und setzt sich für ein an sozialen und ökologischen Kriterien orientiertes Wirtschaftssystem ein.
  • Mit den Ressourcen der AK Wien sollen Modelle einer den Menschenrechten folgenden, auf Gleichberechtigung ausgerichteten, sozialen und gesunden Arbeitswelt entwickelt werden.
  • Dabei sind Transparenz, Informations- und Wissensvermittlung wesentliche Faktoren, um menschenwürdige Arbeit zu ermöglichen.

Insbesondere wird die Arbeiterkammer Wien aufgefordert,

  • die Auswirkungen von Ökonomisierungs-, Digitalisierungs- und Deregulierungsprozessen auf Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte zu erforschen, einen breiten Diskussionsprozess über diese Themen zu initiieren und dabei gewonnene Erkenntnisse in Gesetzesinitiativen einzubringen.
  • Beratungs- und Interventionsstellen zu schaffen, die Arbeitnehmer*innen und Betriebsrät*innen zur Verfügung stehen, wenn sie mit unethischen, Menschen und Umwelt schädigenden, ausschließlich an ökonomischem Nutzen orientierten Arbeitsbedingungen konfrontiert sind, oder durch Digitalisierung und Deregulierung eine Entwertung ihrer Arbeit erfahren.
  • Zudem wird die Arbeiterkammer Wien aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Mitwirkungsrechte von Arbeitnehmer*innen und Betriebsrät*innen bei der Gestaltung von Arbeitsstrukturen und Arbeitsinhalten in den entsprechenden Gesetzen ausgeweitet werden.

Die Forderung nach einem guten Leben für alle charakterisiert seit einiger Zeit gewerkschaftliche Organisation und Vertretung von Arbeitnehmer*innen-Interessen. Auch die Internet-Startseite der AK Wien stellt dieses einprägsame Leitmotiv ins Zentrum ihrer Informationsvermittlung.

Das gute Leben für alle verlangt nach einer Ethik der Arbeitswelt: Ethik ist jene philosophische Teildisziplin, die seit der Antike die Frage nach einem guten, gelungenen Leben und den ihm zugrundeliegenden, handlungsleitenden Werten stellt. Auf Arbeit bezogen bedeutet diese Auseinandersetzung beispielsweise Produktionsprozesse kritisch zu hinterfragen und auf allen Ebenen Orientierungshilfen zu entwickeln, deren Maxime nicht weniger als das gute Leben für alle ist.

Arbeiterkammern, Gewerkschaften und NGOs haben sich daher erst vor kurzem in einer europaweiten Kampagne mit der Verantwortung der Unternehmen für menschenrechtswidrige und umweltschädigende Aktivitäten entlang ihrer Lieferketten, unabhängig davon, ob sich ihre Subunternehmen und Zulieferer in oder außerhalb der EU befinden, befasst.
Denn das gute Leben für alle ist nicht teilbar, ebenso wenig wie die Grund- und Menschenrechte, die es ermöglichen.

Doch die Frage nach ethisch guter Arbeitsorganisation stellt sich nicht nur im Zusammenhang mit der Ausbeutung von Menschen in Drittstaaten. Auch hier in Europa und Österreich sind wir immer wieder von Neuem mit ethischen Problemstellungen konfrontiert, insbesondere wenn Ökonomisierung, Digitalisierung und Deregulierung Produktion und Dienstleistung dominieren.

Ökonomisierung

Die neoliberale Wirtschaftsideologie der letzten Jahrzehnte brachte mit sich, dass sämtliche Arbeitsfelder, inklusive Soziale Arbeit, Bildung, Kultur und Gesundheitswesen durchgängig von ökonomischen Gesichtspunkten dominiert wurden. Im Vertrauen auf die Wirksamkeit betriebswirtschaftlicher Instrumente wurde ökonomisch messbare Nützlichkeit annähernd überall zum obersten Leitprinzip erhoben.

Darüber hinaus führte die Krise auf dem Arbeitsmarkt in der letzten Zeit zu einem gesteigerten Konkurrenzdruck.
Unter der Ausnutzung von Gesetzeslücken konnten große Konzerne in den letzten Monaten ihre Marktmacht ausbauen und auf Kosten der Arbeitnehmer*innen Rekordgewinne einfahren. Die Verletzung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, massiver Arbeitsdruck bis hin zu Disziplinierungsmaßnahmen und permanenter Überwachung der Arbeitsleistung bei schlechter Entlohnung wurden zu ‚normalen‘ Begleiterscheinungen. Die Interessen der Beschäftigten, eine demokratische Betriebskultur, die Mitwirkung von Belegschaftsvertretungen fielen der Profitgier großer Konzerne zum Opfer.

Eine auf Profitmaximierung ausgerichtete Wirtschaftsweise wirkt zerstörend auf Umwelt und Menschenrechte und fördert Ungleichheit. Und die Zerstörung des Ökosystems durch die neoliberal gesteuerte, rein ökonomische Globalisierung der letzten Jahrzehnte ist darauf ausgerichtet, noch weit größere Krisen hervorzurufen, als wir sie gegenwärtig erleben.

Spätestens seit Ausbruch der Coronapandemie wird deutlich, dass Werte wie Kooperation, Solidarität und ein achtsamer Umgang mit den Bedürfnissen der Menschen zur Problembewältigung beitragen, während die neoliberale Ideologie der Ökonomisierung aller Lebensbereiche in der Krise versagt.

Übertragen auf die Arbeitswelt verlangt diese Erkenntnis in Betrieben und Organisationen eine Ethik der Mitbestimmung, Fairness und Kooperation. Im Sinne des guten Lebens für alle muss die Erarbeitung sinnvoller Ergebnisse ermöglicht werden. Beispiele für sinnvolle Arbeitsergebnisse aufgrund ethischer Entscheidungen in der Arbeitswelt sind die Produktion und Wiederverwertung nachhaltig funktionsfähiger Produkte, die in einer Kreislaufwirtschaft CO2-sparend genützt werden können, sowie soziale Dienstleistungen, die über kurzfristige statistische Erfolge hinaus langfristig wirksam zur Lösung sozialer Probleme beitragen.
Eine Ausweitung des Arbeitnehmer*innen-Schutzes und der Arbeitsverfassung sollte zur Verankerung dieser Werte beitragen und der Forderung nach dem guten Leben für alle die zu ihrer Durchsetzung nötigen Instrumente hinzufügen.

Digitalisierung

Der jüngste Digitalisierungsschub, ausgelöst durch die Coronapandemie, sorgt in der Arbeitswelt für veränderte Realitäten. Schneller als angenommen, stellen wir uns neuen Herausforderungen: Viele von uns arbeiten im Homeoffice, E-Mails, Chats und vielfältige Videotools wurden zu unseren wichtigsten Arbeitswerkzeugen.

Schon vor dieser Digitalisierungswelle wurden Arbeitsabläufe mittels Prozess- und Qualitäts-Management zunehmend nach dem Vorbild von Computer-Programmen entworfen und angeordnet. In weiterer Folge wurden Arbeitsabläufe strengen Standards unterworfen und die Arbeit mittels Algorithmen zugeordnet, eingeordnet und dokumentiert. Von Digitalisierungs- und Rationalisierungsexpert*innen werden Standardmodelle entwickelt und entwerten sowohl die Teamarbeit als auch die Eigenständigkeit der Menschen bei der Erarbeitung von Arbeits-Ergebnissen. Mit Auswertung und Bewertung wird, bis hin zur Umstrukturierung von Unternehmen, Digitalisierung ohne Beachtung ethischer Kriterien vorangetrieben.

Die technischen Möglichkeiten engmaschiger Kontrolle der Arbeitnehmer*innen sowie der ununterbrochenen Auswertung und Bewertung ihrer Arbeitsleistung werden durch Digitalisierung fortlaufend erweitert.
In immer kürzeren Abständen stehen Interessenvertretungen vor der Aufgabe, klare Grenzziehungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter*innen vorzunehmen.
Die spezifische Sensibilisierung und Qualifizierung von Betriebsrät*innen, die zunehmend damit befasst sind, Betriebsvereinbarungen zur Begrenzung technischer Überwachungs- und Bewertungs-Möglichkeiten zu verhandeln, wird zu einer immer dringenderen Herausforderung.
Auch hier sind ethische Fragen grundlegend und handlungsleitend: Wie kann Digitalisierung Arbeit unterstützen, wie kann verantwortungsvolle und ressourcenschonende Nutzung gefördert und fremdbestimmte Gleichschaltung der Mitarbeiter*innen verhindert werden?
Auch in diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen noch genügend Handhabe bieten, die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer*innen in einer digitalisierten Arbeitswelt zu schützen.
Handlungsleitende Werte wären dabei Transparenz und Wissensvermittlung, die den Arbeitnehmer*innen kompetente Kontrolle über ihre Arbeitsmittel und ihren Arbeitsplatz ermöglichen. Unverzichtbare Voraussetzungen sind auch hier Mitsprache und die Chance, den Einsatz von Technologien ethisch zu reflektieren, zu bewerten und mitzugestalten.

Deregulierung

Im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sind die UN-Mitgliedsstaaten vor Jahrzehnten übereingekommen, dass „Bildung auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und des Bewusstseins ihrer Würde gerichtet sein und (…) es allen Menschen1 ermöglichen muss, eine nützliche Rolle in einer freien Gesellschaft zu spielen“.2
Als wesentlicher Teil der Gesellschaft sollte die Arbeitswelt von diesem Menschenrecht auf Bildung und deren sinnvolle Anwendung nicht ausgenommen sein.

Deregulierungsprozesse in öffentlichen und privaten Unternehmen und Institutionen haben jedoch dazu geführt, dass Arbeitnehmer*innen unter dem Schlagwort ‚Flexibilität‘ aufgefordert werden, Tätigkeiten durchzuführen, für die sie nicht qualifiziert sind, bzw. ihre Qualifikation, ihr Wissen und ihre Erfahrung zugunsten betriebswirtschaftlicher Kostenreduktions-Pläne zurückzustellen. So werden beispielsweise im Sozialbereich Beratungen und Hausbesuche zunehmend nicht mehr von ausgebildeten Sozialarbeiter*innen, sondern von administrativen und anders qualifizierten Mitarbeiter*innen durchgeführt. Damit vergleichbar, wird im Pflegebereich die Arbeit „am Krankenbett“, also die direkte Pflege von Menschen, an die Mitarbeiter*innen-Gruppen mit der kürzesten Ausbildung delegiert, während qualifizierte Krankenpflege zunehmend in ‚Management‘ und medizinischer Assistenz verortet wird.

Die ständige Flexibilitäts-Anforderung mag Personalentwicklungsmaßnahmen nach sich ziehen, also vordergründig bildungsfördernd erscheinen, entwertet aber auch Ausbildung, Erfahrung und die Fähigkeit zu selbstverantwortlichem, qualifiziertem Handeln: Beliebig einsetzbare ‚flexible Mitläufer*innen treten an die Stelle kreativer, zur Reflexion fähiger Fachkräfte.

Selbstverständlich spielt auch hier Digitalisierung eine wesentliche Rolle: Die Dokumentation der Leistungen der Arbeitnehmer*innen wird zwar für den Modulbau ‚unterstützender‘ Software verwendet, führt aber allzu oft dazu, dass Arbeitnehmer*innen mit einer technischen Ausstattung konfrontiert sind, die ihre Leistungen zerstückelt und in kleine Arbeitspakete aufteilt, die auch ohne spezielle Ausbildung durchgeführt werden können.
Das macht die automatisierte Arbeit monoton und bis hin zur Dequalifizierung der Durchführenden unkreativ. Auf jeden Fall ist sie für die Dienstgeber-Seite kontrollierbar.
In Stellen-Ausschreibungen finden sich neue, vorwiegend englischsprachige Berufsbezeichnungen. Veränderte Berufsbezeichnungen verschleiern oftmals Stellen mit schlechterer Bezahlung, was erst bei näherer Analyse als getarntes Lohndumping erkennbar wird.

Ein weiterer Deregulierungsprozess betrifft den Arbeitsort: Unternehmer*innen haben in der Coronakrise festgestellt, dass sich durch Homeoffice Kosten für Büroraum und -ausstattung ebenso wie Betriebskosten einsparen lassen. Arbeitnehmer*innen stellen ihren privaten Wohnraum als außerbetriebliche Arbeitsstätte zur Verfügung und nehmen eine Steigerung des privaten Energieaufwandes und das Risiko ungeklärter Haftungs- und Versicherungsfragen in Kauf.
Für die Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen ergibt sich daraus ein beträchtlicher Handlungs- und Regelungsbedarf. Aktuell werden in zahlreichen Unternehmen und Organisationen Betriebsvereinbarungen zum Thema ‚Homeoffice‘ verhandelt.
Eine stärkere betriebs- und branchenübergreifende Kooperation wäre bei der Bewältigung dieser Aufgabe zweifellos hilfreich.
Dass Homeoffice von vielen Arbeitnehmer*innen als positiv erlebt wird, weil die Arbeitsorganisation weniger als fremdbestimmt, Hierarchie weniger als einengend und Kooperation als weniger konfliktreich erlebt wird, sollte weitere Hinweise auf eine notwendige Ethik der Arbeitswelt geben.

Die Deregulierung der Arbeit führte außerdem zu einer rasanten Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse. Die Coronakrise führt nun deutlich vor Augen, wie schnell Prekarisierung und Scheinselbständigkeit in die Armut führen können. Ein Beispiel dafür ist die fehlende Absicherung vieler Kulturarbeiter*innen während der pandemiebedingten Lock-Downs.

Kenntnis, Beachtung und Überprüfung der Umsetzung europäischer und internationaler Vereinbarungen zum Schutz von Arbeitnehmer*innenrechten sollte wesentlich zur Ethik der Arbeitswelt beitragen. Die Europäische Säule Sozialer Rechte verlangt beispielsweise in Kapitel 2, Absatz 5, dass „Beschäftigungsverhältnisse, die zu prekären Arbeitsbedingungen führen, (…) unterbunden (werden), unter anderem durch das Verbot des Missbrauchs atypischer Verträge.“3

Das gute Leben für alle erfordert eine Ethik der Arbeitswelt, die sicherstellt, dass Menschen ihre Kenntnisse, ihre Berufs- und Lebenserfahrung, ihre Qualifikationen und Problemlösungskompetenzen in sinnvolle Arbeitsprozesse einbringen können, und dafür Wertschätzung erfahren – sowohl in materieller Hinsicht, als auch in Form von ernst gemeinter Anerkennung und Einbeziehung in Entscheidungsprozesse.
Die sozialstaatliche Absicherung muss allen zugutekommen und muss der Tatsache, dass immer mehr Menschen durch Sozialversicherungssysteme unzureichend geschützt sind, durch entsprechende gesetzliche Maßnahmen entgegenwirken. Hier geht es um den ethischen Wert der sozialen Inklusion aller als Voraussetzung für ein gutes Leben.

Schlussbemerkung

In diesem Text war bisher undifferenziert von ‚Arbeitnehmer*innen‘ bzw. ‚Menschen‘ oder ‚allen‘ die Rede. Es ist jedoch erforderlich, alle Maßnahmen, auch die Verbesserung gesetzlicher und organisatorischer Rahmenbedingungen für eine Ethik der Arbeitswelt immer auf ihre Auswirkung auf Frauen und Männer und deren Gleichstellung zu prüfen. Darüber hinaus bleibt Frauen-Förderung auch in ethischer Hinsicht, vor allem im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit eine Notwendigkeit. So lange Frauen benachteiligt werden, bleibt das gute Leben für alle theoretisch und illusionär.

  1. Im Originaltext: „jedermann“.
  2. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Staatsvertrag), Artikel 13, 1 https://www.ris.bka.gv.at/ Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte – Bundesrecht konsolidiert, aufgerufen am 17.3.2021.

  3. Europäische Union: Die europäische Säule sozialer Rechte in 20 Grundsätzen, Kapitel II: Faire Arbeitsbedingungen, 5. Sichere und anpassungsfähige Beschäftigung. https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/economy-works-people/jobs-growth, aufgerufen am 17.3.2021.

Antrag 11 / Kein Aushebeln des § 101 Arbeitsverfassungsgesetz „verschlechternde Versetzungen“

der AUGE/UG -Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich zugewiesen:
ÖAAB, FA, GA, Persp, FAIR, ARGE, GLB, Türk-is, Kom.: ja
FSG: für Zuweisung

Antragsbehandlung im Ausschuss Arbeit und Arbeitsmarkt

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

Die Arbeiterkammer Wien setzt sich dafür ein, diese Praxis der Aushebelung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bei Versetzungen durch geeignete rechtliche aber auch politische Maßnahmen zu unterbinden.

In den letzten Jahren ist immer öfter ein Aushebeln der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bei Versetzungen durch die Arbeitgeber*innen, insbesondere im Dienstleistungsbereich, festzustellen. § 101 ArbVG stellt fest: „Ist mit der Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden, so bedarf sie zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates.“

Stimmt der Betriebsrat einer Entgeltreduktion nicht zu, wird oft seitens der Arbeitgeber*innen dem/der betroffenen Arbeitnehmer/in angedroht, eine Änderungskündigung zu noch schlechteren Bedingungen durchzusetzen, als bei der zuvor angedrohten verschlechternden Versetzung vorgesehen war. Dadurch wird die Schutzbestimmung des § 101 ausgehebelt.

Die wenigsten Arbeitnehmer*innen sind danach bereit, diese offensichtliche Benachteiligung vor Gericht zu bekämpfen. Zudem dürfte die Judikatur nicht gerade arbeitnehmer*innen-freundlich sein. Die Arbeits- und Sozialgerichte dürften in der Regel, im Falle der Ablehnung des Betriebsrates zur verschlechternden Versetzung, eine Gehaltsreduktion von 15 bis 20 Prozent als akzeptabel betrachten und eine Klage des/der Arbeitnehmer*in abweisen. Insofern muss der/die betroffene Arbeitnehmer*in in jedem Fall eine Gehaltsreduktion akzeptieren, wenn sie/er den Job nicht verlieren möchte.

Bei diesem Aushebeln handelt es sich geradezu um ein Paradebeispiel von struktureller Macht der Arbeitgeber*innen im österreichischen Rechtssystem. Der Zynismus dieser Arbeitgeber*innen wird noch weiter auf die Spitze getrieben, wenn sich die schon positive Ertragslage der betroffenen Unternehmen weiter erhöht haben und gleichzeitig Gehaltsreduktionen bei den Arbeitnehmer*innen durchgesetzt werden.

Antrag 10 / Gegen die Förderung von Lärm-, Verkehrs-, Feinstaub- und Klimabelastung – gegen die Stadtstraße und den Lobautunnel

der AUGE/UG -Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich abgelehnt:
GA, GLB, Kom.: ja
Persp, FAIR, Türk-is: für Zuweisung
FSG, ÖAAB, FA, ARGE: nein

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

  • Die Arbeiterkammer Wien bekennt sich zur Klimahauptstadt Wien und fordert die Stadt Wien auf, umgehend die Pläne für die sogenannte „Stadtstraße“ und den Lobautunnel fallen zu lassen.
  • Die Arbeiterkammer Wien setzt sich im Namen der Arbeiternehmer*innen und Anrainer*innen gegen weitere Lärm-, Verkehr- und Feinstaubbelastung in Wien ein und stellt sich gegen den Bau der sogenannten „Stadtstraße“ und den Lobautunnel.
  • Die Arbeiterkammer Wien erarbeitet ein Konzept, wie man 460 Millionen für eine Joboffensive nutzen kann, die nachhaltige Jobs fördert, die die Mobilitätswende zum Ziel hat und das Klima schützt.

Mitte April wurden im Mobilitätsausschuss des Gemeinderates der Stadt Wien die Mittel für die Stadtstraße, eine Verbindung zwischen dem Stadtentwicklungsgebiet Aspern und der Südosttangente, bewilligt. Damit hat die Stadtregierung ganze 460 Mio. € für den Bau der vierspurigen, autobahnähnlichen “Stadtstraße” in Aspern freigegeben. Neben vielen Stadtbewohner*innen, Anrainer*innen und Umwelt-NGOs meldeten sich auch viele Expert*innen und Wissenschafter*innen aus den Bereichen Verkehrs-, Klima- und Politikwissenschaften zu Wort.

Großteil der Wiener*innen ist umweltschonend mobil
60% der Wiener*innen fahren selten oder nie mit dem Auto. Das belegen Zahlen der Statistik Austria (Mikrozensus 2019). Wenn diese Menschen zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind, steht ihnen aber nur ein Drittel der Verkehrsflächen in Wien zur Verfügung. Bislang gibt es keine angekündigten Maßnahmen, dieses Ungleichgewicht zu beseitigen.
52,3% der Wiener*innen über 15 Jahren lenken höchstens einmal pro Monat ein Auto. Das sind über 820.000 Menschen, die im Alltag umweltschonend mobil sind: zu Fuß, mit dem Rad und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Hinzu kommen noch jene unter 15 Jahren, die kein Auto lenken dürfen. Das sind insgesamt 1,1 Millionen Menschen, deren Bedürfnisse hier ignoriert werden. 93,2% legen mehrmals pro Woche Wege zu Fuß zurück, 21,8% fahren täglich oder mehrmals wöchentlich mit dem Rad.

Leider bleiben auch Maßnahmen zur Stärkung der aktiven Fortbewegungsmittel trotz Budgeterhöhung aus. Die Stadtregierung stoppt laufende Umgestaltungen. Bereits akkordierte Projekte, wie die Praterstraße und die Reinprechtsdorfer Straße, wurden abgebrochen und vielen Bezirken werden Mittel zur Verkehrsberuhigung vorenthalten. Übrig bleibt ein Festhalten am autozentrierten Status Quo und kosmetische Begrünungsmaßnahmen. Die Zahlen der Statistik Austria belegen, dass mit dieser Politik an 60% der Wiener*innen vorbeiregiert wird.

Begrünung alleine reicht nicht, um die CO2-Emissionen zu reduzieren
Im Wahlkampf warb man noch mit großen Ankündigungen zum Radwege-Ausbau und im Koalitionsabkommen bekennt sich Rot-Pink zu einer fairen Neuverteilung des öffentlichen Raums. Man wolle Wien zur Klimamusterstadt machen. Bisher handelt es sich dabei nur um leere Worthülsen, zu denen keine konkreten Maßnahmen angekündigt wurden. Begrünung allein reicht nicht aus, um die CO2-Emissionen im Verkehr zu reduzieren.

Massive Kritik an sogenannter „Stadtstraße“ und Lobautunnel von Expert*innen
Allein schon die Bezeichnung als „Stadtstraße“ sei irreführend, sagt Hermann Knoflacher, emeritierter Professor am Institut für Verkehrswissenschaften (TU Wien). Tatsächlich handle es sich um „eine vom lebenden Organismus der Stadt weitestgehend getrennte vierspurige Fahrbahn“, wie er in einer Stellungnahme des Wissenschaftsnetzwerkes Diskurs ausführte. Schon in den 1970er-Jahren sei bei der geplanten Gürtelautobahn versucht worden, mit dem Begriff „Hochleistungsstraße“ die Bevölkerung zu „täuschen“. Nach deren Widerstand habe die sozialdemokratische Regierung 1972 das Vorhaben gestoppt. Laut Knoflacher „eine kluge und weitblickende Entscheidung für die Stadt Wien“.
Knoflacher übte in der jüngeren Vergangenheit auch immer wieder Kritik am geplanten Lobautunnel und plädiert stattdessen für eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung, den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und Maßnahmen für den Rad- und Fußgängerverkehr.
Auch Barbara Laa, Verkehrswissenschafterin an der TU Wien, sagt: „Es ist erschreckend, dass Politiker immer noch mit dem Versprechen der Verkehrsentlastung solche kontraproduktiven Megaprojekte forcieren. In der Fachwelt ist das Phänomen des ‚induzierten Verkehrs‘ längst bekannt: Mehr Straßen führen zu mehr Autoverkehr.“

Klimaziele werden gefährdet!
Die Auswirkungen der sogenannten “Stadtstraße“ auf das Klima wären verheerend. Helga Kromp-Kolb, emeritierte Professorin am Institut für Meteorologie und Klimatologie (Boku), verwies darauf, dass die übergeordnete Verkehrsplanung in Wien vor Festlegung der jetzt gültigen Klimaziele erfolgt sei. „Bevor weitere Beschlüsse zur Umsetzung dieses Verkehrsplanes getroffen werden, sollte das gesamte Konzept auf seine Verträglichkeit mit den Klimazielen überprüft werden.“ Für Laa ist es verantwortungslos, „dass mitten in der globalen Klimakrise diese immensen Summen für den Bau von neuen Schnellstraßen in Wien – teilweise sogar in Naturschutzgebieten -aufgebracht werden sollen. Der Bau würde über Jahrzehnte hinweg zu einem höheren CO2-Ausstoß führen.
Politikwissenschaftler Mathias Krams von der Universität Wien ist davon überzeugt, dass die Stadtstraße nicht geeignet sei, um die in den Entwicklungsstrategien enthaltenen Ziele der Reduktion der Pkw-Pendlerinnen- und Pendler, der Verschiebung des Modalsplits und der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Vielmehr stehe sie diesen diametral dagegen.
Er mahnt: „Um die Ziele in den Stadtentwicklungsstrategien zu erreichen, muss stetiges Verkehrswachstum hinterfragt und diesem mit einem umfassenden nachhaltigen Mobilitätsmanagement entgegengewirkt werden – das Projekt der ‚Stadtstraße‘ Aspern setzt hier genau die falschen Anreize. Der Wiener Gemeinderat erweist sich damit auf dem Weg zur ‚Klimamusterstadt‘ einen schwer revidierbaren Bärendienst.

Das „Großprojekt aus Alt-Betonzeit“, wie Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS den Lobautunnel nennt, schade Natur und Wirtschaft, führe zu mehr statt zu weniger Verkehr und konterkariere das Klimaziel, Österreich bis 2040 CO2-neutral zu machen.

FWU, Bürger*inneninitiativen, VIRUS sowie der WWF fordern daher einen Planungsstopp und ein alternatives Paket für den öffentlichen Verkehr. Die Arbeiterkammer Wien schliesst sich an und ist bereit, an einem alternativen Plan mitzuarbeiten. Denn eines ist klar: Ein Konzept von 460 Millionen für eine Joboffensive, das nachhaltige Jobs fördert, die Mobilitätswende zum Ziel hat und das Klima schützt bringt der Stadt Wien und ihren Arbeitnehmer*innen langfristig viel mehr, als eine weitere zubetonierte Lärm-, Verkehrs-, Feinstaub- und Klimabelastung.

Antrag 09 / Diskriminierungsfreie Blutspende im Arbeitsumfeld ermöglichen

der AUGE/UG -Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich angenommen:
FSG, FA, GLB, Kom.: ja
ÖAAB, GA, Persp, Türk-is: für Zuweisung
FAIR, ARGE: nein

Antragsbehandlung im Ausschuss Soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

Die Arbeiterkammer Wien fordert den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz auf, die Blutspenderverordnung so zu formulieren, dass sie auf diskriminierungsfreie Weise das Ziel der Sicherheit von Blutspenden erreicht.
Der Ausschluss von Personen zur Blutspende ist sachlich nicht gerechtfertigt, unverhältnismäßig und diskriminierend.
Daher ist die Verordnung ist dahingehend zu ändern, dass der pauschale Ausschluss von Personengruppen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität unterbunden wird.

Die Unterstützung von Blutspenden im Arbeitsumfeld gehört für einige Betriebe zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung – Blutspenden können Leben retten. Viele Unternehmen stellen Hilfsorganisationen wie bspw. dem Österreichischen Roten Kreuz regelmäßig Räumlichkeiten zur Durchführung von Blutspendeaktionen zur Verfügung und laden ihre Mitarbeiter*innen zur Blutspende ein.

Bei der Spenderauswahl wenden die Mitarbeiter*innen bspw. des Österreichischen Roten Kreuzes die Verordnung der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend den Gesundheitsschutz von Spendern und die Qualitätssicherung von Blut und Blutbestandteilen (Blutspenderverordnung – BSV) StF: BGBl. II Nr. 100/1999 an. Die Umsetzung dieser Vorgaben durch den standardisierten Anamnesebogen widerspricht allerdings in ihrem Umgang mit sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten dem Ziel, den Arbeitnehmer*innen ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu ermöglichen.

Gemäß der Verordnung werden Personengruppen, deren Sexualverhalten ein deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten birgt, für 12 Monate nach dem letzten Sexualverkehr von der Blutspende zurückgestellt. Diese Regelung wird insbesondere auf alle Männer angewandt, die Sexualverkehr mit Männern haben („MSM“), und führt zu ihrem pauschalen Ausschluss von Blutspenden. Generell ausgeschlossen werden, wie Berichte aus Selbstvertretungsgruppen zeigen, auch transidente Personen – rein aufgrund ihrer Geschlechtsidentität.

Die im Jahr 2019 novellierte Regelung bedeutet einen deutlichen Fortschritt gegenüber dem bis dahin praktizierten lebenslangen Ausschluss von MSM vom Blutspenden. Die kürzlich angekündigte Verkürzung der Ausschlusszeit von 12 auf vier Monate ist zu begrüßen, dennoch bleibt diese Regelung weiterhin diskriminierend gegenüber unseren homo- und bisexuellen, sowie transidenten Kolleg*innen:

• Durch den generellen Ausschluss von Männern, die sexuellen Kontakte mit Männern
haben, steht nicht das individuelle Risikoverhalten der spendenden Person im Zentrum, sondern der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe.

• Transidente Personen werden in Österreich nicht durch den Fragebogen ausgeschlossen, sondern, wie von NGOs aufgedeckt wurde, durch eine interne Praxis des Roten Kreuzes: Der Ausschluss geschieht nicht auf Basis von möglichen Hormontherapien (die in Frage kommenden Hormone führen laut Medikamentenliste des Roten Kreuzes nicht zu einem Ausschluss) oder möglichen Operationen (für alle Personen, die sich größeren Eingriffen unterzogen haben, gilt ein genereller Ausschluss von 4 Wochen bzw. 4 Monaten, je nach Art der Operation). Stattdessen erfolgt der Ausschluss rein aufgrund der Geschlechtsidentität.

Die Blutspenderverordnung widerspricht weiterhin weitgehend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs („EuGH“). In seiner Entscheidung vom 29. April 2015 (C-528/13) urteilte er, dass der generelle Ausschluss von MSM von der Blutspende nur dann mit dem Verbot der sexuellen Diskriminierung sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei, wenn es keine weniger belastenden Methoden gibt, um ein hohes Gesundheitsniveau der Empfänger der Blutspende sicherzustellen.

Die pauschalen Ausschlussregelungen für homo- und bisexuelle Männer, sowie transidenter Personen ist vor diesem Hintergrund nach Expert*innen-Meinung medizinisch und rechtlich unverhältnismäßig und führt zu Diskriminierungen, die vermieden werden können. Es stehen vielmehr andere Möglichkeiten zur Verfügung, die zum Schutz der Gesundheit und Blutsicherheit besser geeignet sind, aber für die betroffenen Personengruppen weniger diskriminierend wirken:

Die gezielte Befragung aller Spender*innen nach ihrem individuellen Risikoverhalten ist in Kombination mit der Untersuchung jeder Blutprobe der beste Weg, um die Blutsicherheit zu gewährleisten. Wir fordern daher eine Ergänzung der Blutspenderverordnung um ein klares, nachvollziehbares Verbot von Diskriminierung gegen einzelne Personengruppen.
Regelungen anderer Länder mit ebenfalls hohen Gesundheitsstandards zeigen, dass das höchste Gebot der Sicherheit auch ohne eine pauschale Rückstellung von MSM von 12 Monaten erreicht werden kann: Länder wie Ungarn, Großbritannien und Brasilien haben diese Forderung angesichts der Corona-Pandemie in den letzten Monaten umgesetzt. Bulgarien, Italien, Lettland, Polen, Portugal oder Spanien beurteilen die Eignung als Blutspender*in nach dem persönlichen Risikoverhalten, nicht nach dem Geschlecht der Sexualpartner*innen. Die Entwicklungen in diesen Ländern folgten klaren Entscheidungen gegen Stigmatisierung und für Inklusion.

Im Gegensatz dazu entsprechen die Annahmen, die sich in der Blutspenderverordnung widerspiegeln und ihre Konsequenzen für homo- und bisexuelle Männer (MSM), sowie transidente Personen nicht den Maßstäben für ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld.
Deshalb haben sich einige österreichischer Unternehmen entweder bereits dazu entschieden, die Blutspendenaktionen bis zu einer Novellierung vorerst auszusetzen, oder denken konkret darüber nach. Denn Unternehmen / Arbeitgeber*innen sind auch gesetzlich dazu verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen ihre Mitarbeiter*innen vor Diskriminierung während ihrer Arbeitszeit und in Räumlichkeiten des Unternehmens zu schützen – unabhängig davon, durch wen die Diskriminierung erfolgt.

Der pauschale, unverhältnismäßige und damit diskriminierende Ausschluss von Personengruppen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität beim Blutspenden im Unternehmen ist inakzeptabel.

Die Beschäftigten von Unternehmen, in denen Blutspendeaktionen durchgeführt werden, sollen Blutspenden abgeben können, ohne dass sie dabei in unverhältnismäßiger, diskriminierender Weise ausgeschlossen werden.

Antrag 08 / Einheitliche österreichweite Personalplanung und Personalstandards für die Bereiche Gesundheit, Pflege und Soziales

der AUGE/UG -Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich abgelehnt:
FA, GA, Persp, ARGE, GLB, Türk-is, Kom.: ja
ÖAAB: für Zuweisung
FSG, FAIR: nein

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

  • Die Arbeiterkammer Wien fordert von der Bundesregierung und den zuständigen Einrichtungen, dass Personalbedarfsberechnungen und Personalschlüssel, sowohl qualitativ (also fachlich) wie quantitativ (Stunden und Anzahl der Beschäftigten), von allen Einrichtungen im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich offengelegt und nachvollziehbar gemacht werden müssen.
  • Es braucht Empfehlungen, z.B. des Sozialministeriums und/oder Expert*innen-Gremien, z.B. aus Berufsverbänden, die diese Pläne einsehen, überprüfen und bewerten. Die daraus abgeleiteten Empfehlungen sind umzusetzen. Abweichungen nach unten zwischen den Einrichtungen und Bundesländern sind zu thematisieren und öffentlich zu machen.

Das Wissen um die unterschiedlichen Krankheitsbilder, genauso wie das Wissen um die erforderliche spezifische und fachgerechte Behandlung, Unterstützung und Pflege wächst ständig. Dies hat zur Herausbildung von verschiedenen Berufen und auch Spezialisierungen in den Berufen geführt.
Nur, wenn Menschen die Behandlung, Unterstützung und Betreuung im richtigen Ausmaß, und zwar fachlich und quantitativ bekommen, die ihren Symptomen entspricht, wird ihnen bestmöglich geholfen. Ebenso nützt die richtige fachliche Qualifikation nichts, wenn zu wenige Stunden mit den betroffenen Menschen gearbeitet wird.
Das bedeutet, dass es klare Richtlinien geben soll, welche fachliche Qualifikation in welchem Ausmaß bei verschiedenen Krankheitsbildern den Menschen zur Verfügung stehen sollte.

Zu wenige Stunden an Patient*in, zu wenig Personal und/oder falsche bis zu wenig fachliche Qualifikation
Diese drei Kriterien verursachen Schaden, sowohl für die Beschäftigten wie auch bei den Patient*innen. Falsche oder zu wenig Qualifikation am/an der Patient*in verursacht Überforderung und Burn Out, genauso wie zu wenig Personal. Mitarbeiter*innen fallen aus dem Beruf oder werden selbst krank. Der Schaden und das unnötige Leid der Patient*innen aufgrund zu wenig und nicht fachgerechter Pflege und Betreuung ist gegeben.

Leider sind diese drei Faktoren in den Einrichtungen quer durch alle Bundesländer eher die Regel als die Ausnahme. Oftmals werden Zeiten zu eng getaktet, es wird versucht, so viele Patient*innen wie möglich von einer Arbeitskraft in so kurzer Zeit wie möglich versorgen zu lassen. Immer wieder werden falsche Qualifikationen oder Menschen mit keinen Qualifikationen zur „Betreuung“ herangezogen, um Kosten zu sparen. Vielfach werden Personalpläne nach dem Rechenstift erstellt und nicht nach den Möglichkeiten des Personals und den Bedürfnissen der Patient*innen. Wenn man nachfragt, wie die Personalschlüssel berechnet werden, bekommt man keine Antwort oder aber Konzepte, die am Bedarf der Klient*innen und den Erfordernissen des Personals zur fachgerechten Unterstützung vorbeigehen.