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Antrag 04 – Verbesserung der Rahmenbedingung von Schwerarbeit unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf den Pflegebereich

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 176. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 11. November 2021

Antrag mehrheitlich angenommen:
FSG, ÖAAB, FA, LP, FAIR, ARGE, GLB, Kom.: ja
GA: für Zuweisung

Antragsbehandlung im Ausschuss Soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Die 176. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

Die Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien fordert den Gesetzgeber auf, das Allgemeine Pensionsgesetz und die Verordnung zur Schwerarbeit zu ändern in Hinsicht der folgenden Punkte:

  • Berücksichtigung von Schwerarbeitszeiten während der gesamten Berufslaufbahn und nicht nur in den letzten 20 Jahren
  • Eine generelle Aufnahme von psychischen Belastungen in die Schwerarbeitsverordnung
  • Eine Präzisierung der Voraussetzung welche Pflegetätigkeiten als Schwerarbeit zu qualifizieren sind. Dabei ist der Gesamtkontext der Pflegetätigkeit zu berücksichtigen und nicht nur ein Parameter (Pflegegeldstufe)!
  • Klarstellung, dass schwere körperliche Tätigkeit vorliegt, wenn Frauen mindesten 21.000 und Männer mindestens 30.000 Arbeitskalorien im Kalendermonat verbraucht haben – unabhängig von der Anzahl der Arbeitstage.

In Österreich ist die Schwerarbeit per Verordnung geregelt. Diese zählt Tätigkeiten auf, die „unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden“. Dazu gehört etwa Schicht- und Wechseldienste, Nachtarbeit oder Arbeit unter Hitze und Kälte. „Schwere körperliche Arbeit“ wird für Männer mit einem Verbrauch von 2.000 und für Frauen mit einem Verbrauch von 1.400 Arbeitskalorien während „einer achtstündigen Arbeitszeit“ definiert. Auch die berufsbedingte Pflege fällt unter die Schwerarbeitsverordnung.
Voraussetzung für eine Inanspruchnahme einer Schwerarbeitspension sind 10 Jahre Schwerarbeit in den letzten 20 Jahren vor Pensionsbeginn und 45 Versicherungsjahre.
Kindererziehungszeiten werden bis zu 5 Jahre angerechnet. Mit der Anhebung des Pensionsantrittsalters ist diese Regelung ab dem Jahr 2024 auch für Frauen relevant. Bis jetzt waren Frauen von dieser Regelung aufgrund ihres früheren Pensionsantrittsalters ausgeschlossen. Laut der Liste werden Tätigkeiten als Heimhilfe, Pflegeassistenz, Physiotherapie und diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal als Schwerarbeit gewertet.

Für den Pflegebereich kommen in der Praxis drei Möglichkeiten der Schwerarbeit in Betracht:

  • Nachtdienste (zwischen 22:00 und 06:00 Uhr) verbunden mit Schicht- oder Wechseldiensten, wenn im Kalendermonat mindestens 6 Nachtdienste vorliegen
  • Schwere körperliche Arbeit, wenn bei einer achtstündigen Arbeitszeit von Männern 2.000 und von Frauen mindestens 1.4000 Arbeitskalorien verbraucht werden
  • Berufsbedingte Pflege von erkrankten oder behinderten Menschen mit besonderem Behandlungs- und Pflegebedarf, wie beispielsweise in der Hospiz- oder Palliativmedizin

Gerade in den letzten zwei Jahren haben wir erlebt, wie wichtig dieser Sektor für den Umgang mit krisenhaften Situationen ist. Menschen in diesem Bereich – im überwiegenden Ausmaß sind das Frauen – hätten sich einen guten Zugang zur Schwerarbeitspension verdient!
Aber, nicht nur das Abstellen auf eine bestimmte Pflegegeldstufe, auch die Voraussetzung eines Mindestmaßes an Tagen pro Monat führt zu einer objektiv nicht nachvollziehbaren Hürde. Sinn und Zweck der Schwerarbeitsregel ist es, Menschen deren berufliches Leben durch schwere Arbeit und damit, gesundheitlich beeinträchtigende Arbeit erschwert war, einen früheren Einstieg in die Pension zu ermöglichen. Diesem liegt die Vermutung zu Grunde, dass es Beschäftigten mit erschwerten Arbeitsbedingungen, aufgrund der anstrengenden Tätigkeit nicht möglich ist bis zum Regelpensionsalter zu arbeiten.
Trotzdem zeigt die bisherige Praxis einen äußerst restriktiven Umgang bei der Anerkennung von Schwerarbeit. Ohne Änderungen ist es für Menschen im Pflegebereich de facto kaum möglich eine Schwerarbeitspension zu erhalten. Dies hat mehrere Gründe, nicht nur Teilzeitbeschäftigung, auch höherer Unterbrechungszeiten für Kindererziehung, vor allem aber das Ausscheiden aus dem Beruf im höheren Alter.
Gerade vor dem Hintergrund, dass die Schwerarbeitspension bislang nur von Männern beansprucht werden konnte, sind, damit Frauen in der Pflege ab 2024 tatsächlich in die Anspruchsvoraussetzungen hineinfallen dringend Veränderungen geboten.
Dazu braucht es gesetzliche Änderungen und eine Präzisierung der Verordnung zur Schwerarbeit:

  • Berücksichtigung von Schwerarbeitszeiten während der gesamten Berufslaufbahn und nicht nur in den letzten 20 Jahren
  • Eine generelle Aufnahme von psychischen Belastungen in die Schwerarbeitsverordnung
  • Eine Präzisierung der Voraussetzung welche Pflegetätigkeiten als Schwerarbeit zu qualifizieren sind. Dabei ist der Gesamtkontext der Pflegetätigkeit zu berücksichtigen und nicht nur ein Parameter (Pflegegeldstufe)!
  • Klarstellung, dass schwere körperliche Tätigkeit vorliegt, wenn Frauen mindesten 21.000 und Männer mindestens 30.000 Arbeitskalorien im Kalendermonat verbraucht haben – unabhängig von der Anzahl der Arbeitstage.

Antrag 03 – Pensionen – Altersarmut ist auch akademisch

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 176. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 11. November 2021

Antrag mehrheitlich zugewiesen:
FA, FAIR, GLB, Kom.: ja
FSG, GA, LP, ARGE, Türk-is: für Zuweisung
ÖAAB: nein

Antragsbehandlung im Ausschuss Soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Die 176. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

Die Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien fordert den Gesetzgeber auf, das Allgemeine Pensionsgesetz dahingehend zu ändern, sodass auch für längere, über die Schulpflicht hinausgehende Ausbildungszeiten, d.h. für Zeiten des Besuchs von mittleren und höheren Schulen sowie für die Mindeststudiendauern, auf dem Pensionskonto monatliche Beitragsgrundlagen, analog den Beitragsgrundlagen für Kindererziehungszeiten, Zivil- oder Präsenzdienstzeiten, angerechnet werden.

In unserem derzeit gültigen Pensionssystem, dessen Finanzierung im Umlageverfahren, also aus Beiträgen der Erwerbstätigen sowie aus Bundesmitteln erfolgt, sind einige Voraussetzungen entscheidend. So ist zunächst das Prinzip der Pflichtversicherung hervorzuheben, durch das alle über der Geringfügigkeitsgrenze beschäftigten Personen vom Anbeginn ihrer Erwerbstätigkeit in die Pensionsversicherung eingebunden sind.
Bestimmte Lebensphasen, in denen zumeist keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, wie z. B. während der Kindererziehungszeit, des Zivil- oder Präsenzdienstes, der Arbeitslosigkeit oder des Bezugs von Sozialleistungen, werden im Sinne eines Sozial- und Solidaritätsprinzips dennoch als Zeiten einer Teilversicherung in der Pensionsversicherung angerechnet. So wird für Kindererziehungs-, Präsenzdienst-, und Zivildienstzeiten eine fixe monatliche Beitragsgrundlage von derzeit EUR 1986,04 angerechnet.

Die Pensionshöhe ist von der Einkommenshöhe (begrenzt durch eine Höchstbeitragsgrundlage) und von der Dauer der erworbenen Versicherungsmonate abhängig. Eine lange Berufstätigkeit, beginnend bereits mit den Lehrjahren, ist in einem erwerbszentrierten Pensionssystem demnach eine gute Basis für eine Pension, die in finanzieller Hinsicht einen sorgenfreien Lebensabend ermöglicht.
Wie ist jedoch die Situation für Personen mit längeren Ausbildungszeiten?
Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten werden in der Pensionsversicherung – sowohl bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen als auch für die Pensionsberechnung – bekanntlich nur dann berücksichtigt, wenn für diese im Rahmen einer freiwilligen Versicherung Beiträge entrichtet werden. 2021 kostet der Nachkauf für einen Monat Bildung EUR 1.265,40. Für ein Schuljahr werden demnach EUR 15.184,8 bezahlt und für drei nachgekaufte Schuljahre EUR 45.554,4. Sechs Jahre Universität belaufen sich auf EUR 91.108,8, in Summe ergeben sich dann für neun Jahre Bildungszeit EUR 136.663,2.

Es ist somit nicht notwendig zu betonen, dass der Nachkauf von Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten nur für eine einkommensstarke Gruppe erschwinglich ist. Dieser Logik liegt die Prämisse zugrunde, dass Personen mit längeren Ausbildungszeiten entsprechend hohe Einkommen beziehen, die den Nachkauf von Ausbildungszeiten ermöglichen. Dass diese Annahme jedoch nur mehr auf einen eingeschränkten Personenkreis zutrifft, ist die traurige Realität. Denn viele Akademiker*innen, auch in wissenschaftlichen Arbeitsbereichen, haben prekäre Arbeitsverträge, verdienen entsprechend wenig und können sich demnach den Nachkauf der Ausbildungszeiten nicht leisten. In diesem Pensionssystem sind somit all jene extrem benachteiligt, die nach der Vollendung des 15. Lebensjahres nicht erwerbstätig sind, sondern eine mittlere oder höhere Schule und danach eine Universität besuchen, und in ihrem späteren Berufsleben nicht die ursprünglich vorausgesetzten hohen Gehälter beziehen. Denn lange Ausbildungszeiten und danach folgende oft schlecht bezahlte Jobs oder sogar prekäre Arbeitsverhältnisse sind die besten Voraussetzungen für niedrige Pensionen bzw. Altersarmut. Ist es da nicht notwendig umzudenken und sich einzugestehen, dass die Klischeevorstellung von hochdotierten Akademiker*innen nur mehr eingeschränkt den Tatsachen entspricht und daher Maßnahmen notwendig sind, durch die das Solidaritätsprinzip in unserem Pensionssystem auch für diese Gruppe Anwendung findet?

Eine Erweiterung des Bezugsrechts auf Beitragsgrundlagen – analog den monatlichen Beitragsgrundlagen für die Kindererziehungs-, Zivil- und Präsenzdienstzeit – auch für die Zeiten der mittleren und höheren Schulbildung sowie für die Mindeststudiendauer, würde somit nicht nur einen gerechten Ausgleich schaffen, sondern auch Erhöhungen der Pensionen für Personen mit längeren Ausbildungszeiten mit sich bringen. So würden die Beitragsgrundlagen – ausgehend von EUR 1986,04 pro Monat (mal 12) im Jahr 2021 – z.  B. für vier Jahre Ausbildungszeit eine Erhöhung der Pension um EUR 121,20 pro Monat ergeben.

Antrag 02 Gewalt und Aggression in Pflege – und Gesundheitseinrichtungen

der AUGE/UG – Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 176. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 11. November 2021

Antrag mehrheitlich zugewiesen:
ÖAAB, FA, FAIR, GLB, Kom.: ja
FSG, GA, LP, ARGE, Türk-is: für Zuweisung

Antragsbehandlung im Ausschuss Soziale Sicherheit und gesellschaftlicher Zusammenhalt

Die 176. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

Die Vollversammlung der AK Wien spricht sich dafür aus, die Beschäftigten in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen dadurch zu unterstützen, dass das Thema Aggression und Gewalt in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen (inklusive häusliche Pflege) und damit die Systematik der Problemelage, zu einem Schwerpunkt für die Arbeit der AK erklärt wird.

Es ist davon auszugehen, dass die in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegene Aggressions- und Gewaltbereitschaft in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen durch die Pandemie nicht ab-, sondern eher zugenommen hat.

Die Arbeiterkammer hat in der Vergangenheit die verbale und physische Aggression, die sich gegen Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen richtete, immer wieder zum Gegenstand von Aufklärung und Beratung gemacht, aber auch Forderungen an die Arbeitgeberseite formuliert, der im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht und des ArbeitnehmerInnenschutzes besondere Verantwortung zukommt.

Gemeinsamer Antrag Nr. 1 / Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten erhöhen

der Fraktion sozialdemokratischer GewerkschafterInnen,
der AUGE/UG – Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen,
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich angenommen:
FSG, ÖAAB, FA, GA, Persp, ARGE, GLB, Türk-is, Kom.: ja
FAIR: für Zuweisung

Antragsbehandlung im Ausschuss Konsumentenschutz und Konsumentenpolitik

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

Die AK Wien fordert von der Bundesregierung:

  • Je nach Produktgruppe Ausweitung der Gewährleistungsfrist über das derzeitige Maß hinaus sowie die Erhöhung der Beweislastumkehr auf 2 Jahre
  • Verpflichtende Herstellergarantie als Anreiz für Hersteller, ihre Produkte von vornherein haltbarer zu gestalten
  • Transparente und leicht verständliche KonsumentInneninformation zu Haltbarkeit und Reparierbarkeit
  • Nationale Umsetzung einer Reparatur-Ampel nach dem Modell Frankreich
  • Bessere Rahmenbedingungen für Reparaturen insbesondere:
    • Reparaturen sollen technisch möglich, einfach durchführbar (zB Akkuaustausch, Verbot von Spezialwerkzeugen) sowie leistbar und attraktiv sein (zB durch zur Verfügung stellen von Ersatzgeräten),
    • Unternehmen müssen verpflichtet werden, Softwareupdates über einen bestimmten, angemessenen Zeitraum zu gewährleisten,
    • Förderung unabhängiger (sozialwirtschaftlicher) Reparaturbetriebe
  • Standardisierung und Normung von Produkten forcieren:
    Universelle Schnittstellen von wichtigen Modulen (zB Ersatzteile, aber auch Ladekabel oder einzelne Komponenten) sollen anbieterunabhängig sein
  • Modularität bei Produkten forcieren/fördern:
    Durch den modularen Aufbau können einzelne Komponenten adaptiert und auf den neuesten technischen Stand gebracht werden, ohne das komplette Gerät zu erneuern
  • Massive Verstärkung der Marktüberwachung v.a. in Bezug auf Einhaltung der Ökodesign-Richtlinie
  • Förderung alternativer und innovativer Geschäftsmodelle (zB Produkt-Leasing)
  • Werbung und Marketing muss ökologisch und sozial verträglich sein (zB verantwortlicher Umgang mit Ressourcen, dh längere Nutzung von Produkten)

KonsumentInnen sind noch immer mit frühzeitigem Verschleiß bei Konsumgütern konfrontiert und Reparaturen sind oft aus vielen Gründen schwer oder nicht möglich. Oft gehen die beiden Probleme Hand in Hand. Eines der größten Schwachstellen sind bspw Akkus in elektronischen Geräten – diese verlieren sehr schnell an Leistungsfähigkeit, wodurch die Nutzung des Geräts schnell an Reiz verliert oder überhaupt nur mehr eingeschränkt möglich ist. Durch die Kombination mit der Tatsache, dass viele Geräte (zB Smartphones oder Notebooks) verschweißt sind und dadurch kein Tausch der Akkus möglich ist – werden die Geräte frühzeitig ersetzt, obwohl diese mit einfachen Mitteln noch lange genutzt werden könnten. Weitere Hürden hinsichtlich Reparatur stellen sich: Ersatzteile sind oft teuer oder nicht mehr verfügbar, zum Öffnen der Geräte werden spezielle Werkzeuge benötigt, KonsumentInnen verlieren Anspruch auf Gewährleistung beim eigenständigen Öffnen, ein neues Gerät ist in Relation zur Reparatur (preislich) attraktiver, oft gibt es während der Reparatur kein Ersatzgerät, unabhängige Reparaturbetriebe haben keinen Zugang (zB zu Software), Händler/Hersteller bieten keine Reparaturen an, KonsumentInnen müssen lange Wartezeiten in Kauf nehmen usw.). Auch die verstärkte Zunahme von sogenannten „smarten Produkten“ führt dazu, dass Haushaltsgeräte kürzer halten – mangelnde Softwareupdates sowie verstärkte Anfälligkeit der Produkte aufgrund der Elektronik, führen zu Funktionsunfähigkeit. Nicht zuletzt sind auch begleitende Marketingmaßnahmen der Unternehmen dafür verantwortlich, dass KonsumentInnen sich mit neuen Konsumgütern identifizieren und emotional beeinflusst werden.

Viele dieser Praktiken liegen in der Verantwortung der Hersteller/Designer/Händler und müssen mit weiteren gesetzlichen Maßnahmen unterbunden werden, freiwillige Maßnahmen greifen nicht. Auf EU-Ebene bietet hier die Kreislaufwirtschaftsstrategie (veröffentlicht im Frühjahr 2020) Ansätze, diesbezüglich werden in den kommenden Monaten Vorschläge erwartet. Auf nationaler Ebene wird dies zum ersten Mal im aktuellen Regierungsprogramm thematisiert. Konkrete Maßnahmen dazu fehlen aber weitgehend noch (einzige Ausnahme: Mehrwertsteuersenkung auf bestimmte Reparaturen) – ein Handeln ist jedoch aufgrund der Klimakrise aber auch aufgrund der Pandemie rasch notwendig.

Der direkte Nachweis, ob die Obsoleszenz eines Produktes, in dessen Entwicklung und Produktion bewusst eingebaut oder eingeplant wurde, ist allerdings oft schwer zu führen. Die von ExpertInnen z.B. vom deutschen Öko-Institut in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Verbraucherforschung und nachhaltigen Konsum (vunk) der Hochschule Pforzheim als Handlungsempfehlungen für die deutsche Politik herausgegebenen Forderungen sind an die Entwicklung und Durchsetzung von Messnormen und Standards für den industriellen Sektor gebunden und nicht ohne weitere intensive Vorarbeiten umsetzbar. Bis zum Erreichen und zum Greifen solcher Maßnahmen wäre es ergänzend möglich und auch sinnvoll, bereits jetzt den KonsumentInnen mehr Entscheidungsgrundlagen für ihre Kaufentscheidungen von bereits produzierten und erhältlichen Artikel in die Hand zu geben.

Daher sollte man sich am Beispiel Frankreich orientieren, das sich seit Beginn dieses Jahres für eine Kennzeichnung zur Reparierbarkeit in Form eines Ampelsystems entschieden hat. Dieses Ampelmodell wäre eine leicht eingängige Maßnahme, um feststellen zu können, ob der ausgesuchte Artikel länger verwendbar und damit ressourcenschonender ist. Auch könnte so bei Preisvergleichen von den KonsumentInnen mit eingeplant werden, ob und wann eine Neuanschaffung einberechnet werden muss. Zwar ist eine Grundlage zu einer möglichen Produktverordnung auch auf EU Ebene in Vorbereitung, doch könnte ein nationales Unterstützen der französischen Initiative den politischen Druck innerhalb der EU erhöhen und zu einer Beschleunigung der Maßnahmen führen, was im Lichte der drängenden Klimakrise ein durchaus erfreulicher Nebeneffekt wäre.

Im Hinblick auf die aktuelle Situation der Pandemie sind viele Menschen arbeitslos oder in Kurzarbeit und verfügen über weniger finanzielle Ressourcen. Daher ist gerade auch für diese Gruppen wichtig, dass Produkte nicht frühzeitig verschleißen, da ein Geräteneukauf eine massive finanzielle Mehrbelastung bedeutet. Aber auch hinsichtlich der Klimakrise ist es wesentlich, Ressourcen zu schonen und durch längere Nutzung CO2 zu sparen. Das European Environmental Bureau stellte fest, dass durch eine um ein Jahr verlängerte Nutzung aller in der EU vorhandenen Waschmaschinen, Notebooks, Staubsaugern und Smartphones, 4 Millionen Tonnen CO2 jährlich gespart werden könnte – was umgerechnet 2 Millionen Autos (für ein Jahr) weniger auf den Straßen bedeuten würde.

Um hier einen wirklichen Effekt im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft zu erreichen, müssen viele Maßnahmen in Kombination gesetzt werden. Oberste Priorität hat die Haltbarkeit von Produkten: Produkte dürfen nicht vorzeitig verschleißen. Die Erhöhung der Möglichkeit der Reparierbarkeit von Produkten, aber auch die Erhöhung der durchgeführten Reparaturen in der Gesellschaft sowie Maßnahmen zur Wiederverwendung (Re-Use) können auch sehr positive Effekte auf den Arbeitsmarkt haben, indem neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Resolution 02 / Für den Erhalt des Werkes und aller Arbeitsplätze bei MAN in Steyr

der AUGE/UG -Alternative, Grüne und Unabhängige GewerkschafterInnen
zur 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien am 5. Mai 2021

Antrag mehrheitlich zugewiesen:
FA, Persp, GLB, Türk-is, Kom.: ja
FSG, ÖAAB, GA, FAIR, ARGE: für Zuweisung

Antragsbehandlung im Ausschuss Wirtschafts- und Finanzpolitik

Die 175. Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien möge beschließen:

  • Die Arbeiterkammer Wien unterstützt die Beschäftigten in ihrem Bestreben nach einem Erhalt des MAN Produktionsstandortes in Steyr und aller seiner/ihrer Beschäftigten. Sie unterstützt alle Bemühungen der Beschäftigten, das Werk mit staatlicher Unterstützung und der des Landes Oberösterreich zu übernehmen und als selbstverwalteten Betrieb weiterzuführen.
  • Die Arbeiterkammer Wien setzt sich für einen sozial-ökologischen Strukturwandel ein. Daher unterstützt sie auch die Belegschaften und Betriebsräte, wie auch die Arbeitnehmer*innen und Betriebsräte bei MAN, beim Umstieg zu einer sozial-ökologische Produktion.

Im Herbst letzten Jahres wurde bekannt, dass die neue Führung des MAN Konzerns in München insgesamt 9.500 Mitarbeiter*innen in Deutschland und Österreich kündigen wolle. Der Konzern beabsichtige eine Kostenreduktion und mittelfristig eine Verbesserung des Ergebnisses von 1,9 Milliarden Euro. Von dieser Maßnahme wäre auch das einzige Werk des MAN-Konzerns in Österreich in Steyr betroffen. Ihm würde die Schließung drohen womit rund 2.400 Arbeitsplätze wegfallen würden.

MAN Truck & Bus Österreich GesmbH ist eine Tochtergesellschaft der MAN SE, München, die wiederum eine Tochtergesellschaft (zu 94,36%) des börsennotierten Traton SE Konzerns. Traton SE ist über eine Finanzbeteiligungsgesellschaft mehrheitlich im Besitz des Volkswagen Konzerns.

Traton SE produziert mit seinen Marken Scandia, MAN, Volkswagen Caminhoes e Omnibus und RIO Nutzfahrzeuge und Busse. Der Konzern beschäftigte Ende 2020 82.600 Mitarbeiter*innen in 29 Produktionsstandorten in 17 Ländern. Mitte 2018 wurde der Konzern von Volkswagen Truck & Bus in Traton umbenannt.

Vor einigen Jahren verhandelte der MAN Betriebsrat eine Standortgarantie bis zum Jahre 2030. Diese wurde letztes Jahr vom MAN Vorstand gekündigt. Die Standortgarantie ist ein mächtiges Instrument in den Händen des Betriebsrates, jedoch wird es von Seiten das MAN Managements als nicht mehr gültig angesehen. Es ist zu erwarten, dass die Standortgarantie Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen sein wird.

Der Übernahmeplan von Sigi Wolf

Der österreichische Investor und ehemalige Vorstand von Magna Austria Siegfried Wolf unterbreitete Anfang des Jahres dem MAN Management und den Beschäftigten das Angebot, das Werk in Steyr übernehmen zu wollen. Gemäß seinem Vorschlag sollten LKWs, Busse und Kleintransporter mit Elektroantrieb in Steyr produziert werden. Außerdem sollten Fahrgastzellen für den russischen Automobilkonzern GAZ, an dem Wolf einen zehnprozentigen Anteil hält, hergestellt werden.

Der Geschäftsplan von Wolf sieht vor, den Beschäftigtenstand von derzeit 2.000 fixen auf 1.400 Arbeitnehmer*innen (der Rest besteht offensichtlich aus Leiharbeiter*innen) zu reduzieren sowie Gehaltskürzungen im Ausmaß von 15 Prozent. Das Gehaltsniveau der MAN Beschäftigten sei aktuell im Durchschnitt weit über dem Kollektivvertragslöhnen und -gehältern, so Wolf.

In einer Urabstimmung der MAN Beschäftigen am 8. April, an der sich 2.215 Mitarbeiter*innen (Beteiligungsgrad: 94 %) beteiligten, sprachen sich 63,9 % gegen den Vorschlag von Wolf aus. Für viele Beteiligte und Beobachter*innen war das ein unerwartetes Ergebnis. Die österreichische Arbeiterklasse hatte nach vielen Jahren zum ersten Mal ein deutliches Zeichen gesetzt. Die Beschäftigten von MAN waren nicht mehr bereit, sich den Drohungen von MAN und von Sigi Wolf zu unterwerfen. Sie wollten nicht nur Kostenbestandteile in diesem Werk sein, das immerhin auf eine 200jährige Industriegeschichte zurückblicken kann. Es war auch ein Signal an den MAN Vorstand, die Bedingungen der Standortgarantie zu erfüllen.

Volkwirtschaftliche Verluste bei einer Schließung des Steyr Werkes

In einer Studie des emeritierten Univ. Prof. Dr. Friedrich Schneider von der Johannes-Kepler-Universität Linz vom 12. April wurden die volkwirtschaftlichen Konsequenzen einer Schließung des MAN Werkes in Steyr geschätzt. Negative Effekte würden sich zu 75 % auf Ober- und Niederösterreich konzentrieren. Die Schließung würde in einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 957 Millionen Euro und einem Verlust von 8.400 Arbeitsplätzen inklusive der im MAN Werk führen.

Es steht für die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien außer Zweifel, dass das Werk in Steyr und alle Arbeitsplätze gerettet werden müssen. Das gilt auch für die Leiharbeiter*innen, die bereits von ersten Kündigungen betroffen sind. Eine Schließung würde für die Stadt Steyr, für die Region und für die betroffenen Bundesländer katastrophale Konsequenzen haben. Nicht nur, dass Arbeitsplätze verloren gehen würden, mit dem Verlust der Einkommen der arbeitslosen Kolleg*innen würden viele andere Arbeitsplätze in der unmittelbaren Nähe aber auch in der Region unmittelbar gefährdet bzw. verloren gehen, wie aus der Untersuchung von Prof. Schneider hervorgeht. Betroffen wären nicht nur Zuliefererbetriebe, sondern auch Infrastrukturbetriebe wie z.B. der Einzelhandel oder die Gastronomie.

Die Träume vieler Menschen z.B. nach einem Eigenheim, einer gesicherten Zukunft wären mit einem Mal zerstört. Der Know-How Verlust wäre enorm. Die hochqualifizierten Mitarbeiter*innen würden sukzessive ihrer Kenntnisse verlustig, Millionen von Euro, die in die Bildung, Ausbildung und Weiterqualifikation investiert wurden, wären verloren.

Selbstverwaltung

Daher gilt es, die Produktion am Standort Steyr aufrecht zu erhalten. Die Beschäftigten des Werks in Steyr sollen den Betrieb übernehmen und in Eigenregie weiterführen. Das Startkapital soll aus der durch die Stadtortgarantie zugesicherten Lohnsumme bis 2030 sowie industriepolitischer Subventionen durch Bund und Land kommen. Der Geschäftsplan ist im Sinne einer just transition, also einem gerechten Übergang zu einer sozial-ökologischen Transformation der Produktpalette anzulegen, die Kenntnisse und Qualifikationen der Beschäftigten in Steyr sollen als Basis eines Geschäftsplanes dienen. Insofern könnte die Produktion von Kleinen LKWs, Laster und Bussen auf einer nachhaltigen Antriebsbasis, vorzugsweise von Wasserstoff, zur Anwendung kommen.

Die Ausrichtung der Produktpalette wäre realistischer Weise auf Nischen- und/oder Spezialprodukte zu orientieren. Ein Mitmischen im Wettbewerb in dem oligopolistisch aufgeteilten Markt für LKWs und Nutzfahrzeuge wäre angesichts nicht zu erreichender economies of scale wohl aussichtslos. Die Entscheidung über den Geschäftsplan soll aber durch die Beschäftigten von Steyr fallen.

Die beste Lösung wäre eine staatliche Beteiligung am Unternehmen und eine Mitarbeiterbeteiligung. Der Staat soll nur als Investor auftreten. Als Rechtsform sollte eine Genossenschaft gewählt werden, in der nur die Beschäftigten nach dem Prinzip: eine Person eine Stimme ein Stimmrecht haben sollten. Die Beschäftigten sollen ihr Management selbst bestimmen bzw. wählen können.

Es soll keine Möglichkeit der Mitarbeiter*innen im neuen Werk geben, seine/ihren Anteil/Stimme zu verkaufen. Wenn er/sie das Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Werk in Steyr beendet, verfällt sein/ihr Anteil an die Allgemeinheit der Beschäftigten des Steyr Werkes. Gewinne dürfen nicht ausbezahlt werden, sie müssen thesauriert werden.

Das Ziel ist, das neue Unternehmen aus dem Profitkreislauf herauszunehmen, um sozial-ökologisch vertretbare Produkte zu produzieren und die Arbeitsplätze in Steyr bzw. in der Region zu erhalten. Das neu zu bildende Steyr Werk könnte dazu ein Vorbild sein.